Die Nachtwächter und Türmer aus ganz Baden-Württemberg treffen sich in der Keplerstadt. Dort wird am Dreikönigstag auch der neue Weiler Türmer Willi Bothner in die Zunft aufgenommen.

Weil der Stadt – Hört ihr Leut’ und lasst euch sagen, so tönt‘s in dunkler Nacht – hat die Glocke acht geschlagen, tritt der Wächter an zur Wacht. In den Städten, in den Dörfern, können Menschen friedlich ruhn, weil wir Wächter und wir Türmer unseren treuen Dienst jetzt tun.“ Begleitet von Fanfaren singen 24 Nachtwächter und Türmer in historischem Gewand, mit brennender Laterne und Horn am Arm und der langen Hellebarde in der Hand ihre Hymne vor einem in Weihrauch gehüllten Chor der Stadtkirche St. Peter und Paul. Dort haben sie den Gottesdienst am Dreikönigstag mitgestaltet. Golden glänzen die Kronen der Sternsinger in der Morgensonne, als diese gemeinsam mit der Zunft das katholische Gotteshaus verlassen. Zum zweiten Mal gastieren die baden-württembergischen Nachtwächter und Türmer in der Keplerstadt. Nach dem Gottesdienst werden sie ins „Rössle“ gehen. In der Zunftsitzung dort soll der neue Weiler Türmer Willi Bothner mit Brief und Siegel in die Nachtwächter- und Türmerzunft aufgenommen werden. Auch ein zünftiges Mittagessen, zubereitet vom Gastgeber, dem Ex-Schultes Hans-Josef Straub, wird es dort geben.

 

„Das sind die Schlüssel zur Stadt“

Es ist ein lustiger und redseliger Haufen, der da am späten Montagvormittag vom Kirchenportal hinunter zur Stuttgarter Straße marschiert. Zwei Damen, ansonsten Herren mit Bärten, wie ihn auch Gerd Diebold und Wolfgang Nittel tragen. Die beiden Weiler Nachtwächter feierten im vergangenen Jahr ihr Zehnjähriges. Ihre Köpfe zieren schwarze Schlapphüte. Doch auch der Dreispitz mit und ohne Federn ist als Zubehör der Dienstkleidung populär. Die sieht allerdings nur historisch aus. „Frei nach Schnauze, so wie es gefällt, kann man die Uniform gestalten“, hört man vom Nachtwächter der Stadt Waldenbuch, Walter Rebmann. An seinem Gürtel baumelt ein Bund mit großen historisch aussehenden Schlüsseln. „Das sind die Schlüssel zur Stadt“, scherzt der Nachtwächter.

Ein wenig anders sieht das Outfit des Öhringer Türmers Peter Damson aus. Es ist ein beige-blaues Leinengewand, den flachen Hut ziert eine lange Feder. „Bei uns in der Stadt ist es verbürgt, dass einst der Türmer ein solches Gewand getragen hatte“, erzählt Damson. Das sei die Uniform eines Landsknechtes. Diese zogen in Friedenszeiten auf Arbeitssuche durch die Lande. „Weil sie ein Instrument wie die Fanfare spielen konnten, wurden sie gerne als Türmer eingesetzt“. Der Arbeitsort von Türmer Damson ist der 56 Meter hohe Turm der ehrwürdigen Öhringer Stiftkirche.

In nahezu genauso luftiger Höhe bläst nun bald auch der neue Weiler Türmer Willi Bothner. Im Mai soll es losgehen. „Wir stehen hier unter meinem Arbeitsplatz. Ein wunderschöner Job, so nah am Himmel“, sagt Türmer Bothner und zeigt auf den 54 Meter hohen Westturm der imposanten Weiler Stadtkirche. Dort tut der 60-Jährige – sozusagen als Türmer-Novize – seit April vergangenen Jahres seinen Dienst und macht Turmführungen. In der Hand hat er eine Fanfare und ein langes Sprachrohr, mit dem er seine Nachtwächterkollegen bei Gefahr aus der Höhe anrufen kann. Die Fanfare vom Turm aus blasen darf Bothner allerdings erst nach erfolgter Aufnahme in die Zunft, worauf er sich schon freut. „In meinem Arbeitsvertrag mit Bürgermeister Thilo Schreiber steht, ich solle Lärm machen mit meiner Fanfare, wenn die Stadt bedroht wird.“ Auch über die Zeit wache der Türmer mit dem Glockenschlag von Hand, erzählt Bothner, der im früheren Leben Elektroingenieur war. „Das größte Problem eines schwäbischen Türmers ist, eine Frau zu finden“, erklärt er dann mit einem Augenzwinkern. „Warum? Na wegen der Kehrwoche, denn auf den Turm führen 176 Stufen.“ Glücklicherweise hat der Türmer schon seit 25 Jahren eine „Türmerin“.

Whirlpool im Turm

Eine waschechte Türmerin ist Blanca Knodel, die seit 17 Jahren auf dem Blauen Turm in Bad Wimpfen Dienst tut. Ganz besonders ist, dass die Türmerin als einzige Frau auch im Turm auf 25 Metern Höhe wohnt. „Früher hatte ich Fernweh, hab in Spanien gelebt und gearbeitet, zwei meiner Kinder sind in Kanada zur Welt gekommen. Aus einer 160 Quadratmeterwohnung in Wimpfen zog ich dann schließlich in die Türmer-Wohnung“, blickt Knodel zurück. Ihre drei Kinder fanden es klasse, an die vielen Treppen habe aber niemand gedacht. Es sind 134 Stufen bis zur Wohnung der Türmerin, in der ein historisches Klavier steht. Dann verrät sie mit einem Augenzwinkern: „Nicht ganz historisch passend, hab ich dort oben auch einen Whirlpool.“