Roland Röhl und Thomas Mangold sind 1996 als Bandmitglieder von Fools Garden mit „Lemon Tree“ auf Welttournee gewesen. Seit 13 Jahren führen sie wieder ein bürgerliches Leben und betreiben eine Werbeagentur in Merklingen.

Weil der Stadt - Da sitzen sie nun, in ihrem kleinen Büro im Merklinger Gewerbegebiet. Roland Röhl ist 44 Jahre alt, Vater zweier Kinder, Thomas Mangold ist 50. Sie führen ein bürgerliches Leben. Nur eine goldene Schallplatte an der Wand erinnert an das unglaubliche Jahr 1996, als der gelernte Werkzeugmechaniker und der BWL-Student von einem Tag auf den anderen in allen TV-Shows zu Hause waren, in Weißrussland vor 250 000 Menschen gespielt haben, durch Asien getourt sind und Teeniestars in der „Bravo“ waren.

 

Fehlt ihnen der Ruhm nicht? Der Kick, die ganz großen Hallen der Republik zu füllen, durch die Welt zu fliegen? „Zwei Mal im Jahr ja“, sagt Thomas Mangold und lacht, „noch mal vor 5000 Leuten spielen, das wäre einfach geil.“ Aber den Rest des Jahres im Tourbus mit verschwitzten T-Shirts der Bandkollegen zu verbringen, reizt ihn nicht. Jetzt spielt er mit seiner Lokalband vor ein paar Hundert Zuhörern. Roland Röhl sagt: „Ja, es fehlt mir.“ Vielleicht auch deswegen macht er gar keine Musik mehr – von privaten Sessions einmal abgesehen.

Klavier war für die Mädels nicht sexy genug

Wie kam das alles? Roland Röhl stammt aus Bad Liebenzell und hatte früher Klavierunterricht. „Mir wurde schnell klar: So wird das nichts mit den Mädels“, sagt er schmunzelnd. So gründete er die Schülerband „Crush“, komponierte eigene Lieder, trat in Jugendhäusern auf. Thomas Mangold ist in Weil der Stadt aufgewachsen, hatte auch eine eigene Band und studierte in Biberach. Beide wurden irgendwann von Volker Hinkel aus Münklingen angesprochen, der ein eigenes Tonstudio hatte und fast so etwas wie Profimusiker war: „Wollt ihr nicht bei Fools Garden mitmachen?“

Man traf sich in Pforzheim zur Probe. Röhl übernahm die Keyboards, Mangold den Bass, Peter Freudenthaler aus Pforzheim wurde Leadsänger und Ralf Wochele saß am Schlagzeug. „Danach war klar: Wir machen das“, erinnert sich Thomas Mangold. Von Anfang an wurde sehr professionell gearbeitet – mit der besten Technik, die verfügbar war. „Lieber nichts verdient, aber ein guter Sound“, beschreibt Mangold ihre Einstellung. Das Motto damals: Niemand kennt uns, aber wir haben große Ziele. Mit einem abgewetzten Daimler fuhr man an die Nordsee zu Probewochen, komponierte recht solide Songs.

Regional war die Band 1991 schnell bekannt, bekam Radiointerviews in Lokalsendern und wurde bereits damals professionell gemanagt. Aber der große Durchbruch blieb aus. Bis der Manager Steffen Koch irgendwie den SWF-3-Musikmoderator Michael Mattuschik 1995 zu einem Konzert eingeladen hat.

Und der war begeistert.

Vor allem von „Lemon Tree.“

Wie Lemon Tree die Band nach oben bringt

Einem Lied, dem die Band selbst zwar Potenzial, aber wenig Bedeutung zumaß. Michael Mattuschik fasste einen kühnen Plan und wollte dieses Lied ins Radio bringen. „Er hat per Hand die CD einfach in seiner Sendung eingespielt – am Musikredakteur vorbei“, schmunzelt Thomas Mangold. Das gab zwar Riesenärger – aber auch eine gigantische Resonanz. Die Telefonleitungen glühten, alle wollten wissen: Was ist das für ein cooler Song? Wer ist die Band?

Der nächste Schritt: Telefonkette für die SWF-3-Hitparade. „Alle mussten anrufen, sogar die Oma“, sagt Roland Röhl. „Lemon Tree“ stieg auf Platz eins der Hörercharts, dann wurde auch der Stuttgarter Partnersender SDR auf ihn aufmerksam.

Und dann gab es kein Halten mehr.

Der Song war vier Wochen bis März 1996 auf Platz eins, erhielt dreifach Gold in Deutschland, Platin in Norwegen und Irland, Gold in der Schweiz, Österreich, Belgien, Dänemark und Frankreich. Auch das Album verkaufte sich blendend, sogar in Singapur, Hongkong und Malaysia.

Beatle-Mania in Darmstadt

Wie eine Welle überschwappte die jungen Männer der Ruhm. Zuvor hatten zig Plattenfirmen das Lied abgelehnt. „Das wird nie was, hieß es“, sagt Mangold lachend, „Deutsche, die Englisch singen, und dann noch aus Schwaben, also nee.“ Plötzlich waren sie in der Harald-Schmidt-Show, in Hamburg wurde das Video zu „Lemon Tree“ gedreht.

Es ging zu MTV nach London, zum Frühstücksfernsehen nach Berlin, auf die Donauinsel nach Wien. „Das war schon ein komisches Gefühl“, erinnert sich Roland Röhl. Die fünf Jungs wurden plötzlich Teenie-Stars. Die beiden erinnern sich gut an eine Autogrammstunde in einem Darmstädter Kaufhaus: „Als wir raus kamen, sind plötzlich 5000 Leute auf uns zugelaufen.“ Ein wenig Beatle-Mania, die fünf ergriffen panisch die Flucht, die Security-Kräfte konnten sie in letzter Sekunde hinter einer Tür ins Treppenhaus zerren. Wahnsinn.

So stellte sich die Frage: Werden wir Profimusiker? Die Plattenfirma hatte für 1996 ein vorsichtiges Programm zusammengestellt – 100 Konzerte, was jedem Bandmitglied ein Auskommen von 1500 Mark im Monat garantieren sollte. „Als wir das kalkuliert hatten, haben wir alle unsere Jobs aufgegeben“, erzählt Röhl.

Die 1500 Mark wurden um ein Vielfaches übertroffen. Die Konzerthallen wurden schnell zu klein. Etwa in Heidenheim, der kleine Club Mouse on Mars fasste gerade mal 60 Zuhörer – davor standen 10 000. „Wir haben trotzdem gespielt, weil wir es versprochen hatten“, erinnert sich Mangold, „das war romantisch, aber dumm.“ Hätte man abgesagt und die Konventionalstrafe bezahlt, dann hätte Fools Garden in einer großen Halle am gleichen Abend das 40-fache verdienen können.

Ein kometenhafter Aufstieg

Die Ereignisse überschlugen sich. Ein Teil der Band war in Frankreich, der andere in Italien auf Promotion-Tour. „Dann hat man uns gefragt: Wollt ihr USA oder Asien machen?“ Sie entschieden sich für Asien, vier Wochen Rundreise. In Tokio erhielten sie einen Preis und traten mit den Spice Girls auf, es gab eine Mandarin-Version von „Lemon Tree“ für China.

In Singapur durfte das Publikum zum ersten Mal in der Geschichte des Landes bei einem Konzert aufstehen. „Das werde ich nie vergessen“, erzählt Mangold, „Peter Freudenthaler hat ihnen gesagt: Ihr dürft aufstehen. Das ist erlaubt.“ Erst wagten sich einige vor, dann mehr, schließlich standen alle. Ein Gänsehaut-Moment.

Im Backstage-Bereich irgendeiner Bühne begegnete ihnen Iggy Pop: „Ein totaler Psychopath. Er stand hinter der Bühne mit seinem Mantel in sich gekehrt, streifte ihn ab, ist zwei Stunden auf der Bühne mit nacktem Oberkörper abgegangen wie Schnitzel, dann lief er wieder mit dem Mantel weg.“

Echo, Bambi und Goldene Stimmgabel

Es war kaum zu fassen oder zu begreifen. Kometenhaft war der Aufstieg. Preise folgten: Echo, Bambi, Goldene Stimmgabel, alles was Rang und Namen hat in der Branche. Genauso kometenhaft stieg die Zahl der Schulterklopfer an. „Unglaublich, alle wollten dein Freund sein“, erinnert sich Thomas Mangold. Zum Glück blieben die beiden Schwaben bodenständig.

Zudem sahen beide auch die Schattenseiten. Immer nur Lemon Tree, Lemon Tree, Lemon Tree. Tag und Nacht, im Radio, Fernsehen. „Man tut sich irgendwann schon schwer, das noch mit Begeisterung vorzutragen“, sagt Roland Röhl. Der zweite Hit „Wild Days“ war noch einigermaßen erfolgreich, dann flaute der Hype ab. Zwar kann die Band bis heute auf ordentlichem Niveau überleben, hat Fans in Osteuropa.

Doch ohne Thomas Mangold und Roland Röhl. Und dann anfangs das erwählte verschwitzte Hemd vom Mitspieler im Tourbus. Dazu kamen immer stärkere interne Differenzen. Schließlich kam es zum Bruch, 2003 stiegen beide aus. Schon zwei Jahre zuvor hatten sie ihre Werbeagentur in Merklingen gegründet.

Nun sind sie zurück im Alltag der Normalmenschen. Für Mangold ist Musik Hobby mit Freunden, für Röhl nur privater Zeitvertreib. Für die Familie hat er jetzt Zeit, oder fürs Grillfest mit den Kumpels in Weil der Stadt. Ob es ein Revival mit Freudenthaler und Co. gibt? „Nein“, sagen beide ganz entschieden, „das ist durch.“ Sie sind nach 20 Jahren mit sich im Reinen.