Rund eine Million Euro Schaden entsteht durch Graffitti an Bahnhöfen und Zügen in der Region Stuttgart. Der Bahnhof der Keplerstadt ist ein Schwerpunkt, der vermeintliche Straßenkünstler von überall her anzieht.

Weil der Stadt/Renningen - Es ist ein bisschen wie der Kampf gegen eine Hydra aus Sprühlack. 122 Fälle illegaler Graffiti-Sprühereien hat die Polizei im vergangenen Jahr in Weil der Stadt verzeichnet. Das ist mehr als die Hälfte aller Sachbeschädigungen in der Kommune. Zum Vergleich: anno 2011 gab es 173 polizeikundige Sachbeschädigungen in der Stadt insgesamt. Die Täter sind dabei kaum zu fassen, wie der Leiter des örtlichen Polizeipostens, Rainer Kömpf, am Dienstagabend im Gemeinderat berichtete. „Sie gehen professionell und subtil vor“, ergänzte er. Warum Weil der Stadt besonders betroffen ist? Die Stadt hat nicht nur einen Bahnhof, dieser ist auch Endstation der S-Bahn-Linie 6. Abend für Abend „parken“ hier die Züge der Bahn – für Sprayer sind sie damit ein besonders lohnendes Ziel. Gesprüht wird natürlich auch andernorts, beispielsweise sind die neuen Lärmschutzwände am Renninger Südbahnhof ebenfalls bereits „verziert“. Rund eine Million Euro verursachen Sprayer allein in der Region Stuttgart im Jahr, bestätigte ein Bahnsprecher; 50 Millionen Euro seien es bundesweit. „Wir versuchen, verschmierte Züge nicht allzu lange fahren zu lassen“, so der Sprecher. „Schnell in die Werkstatt zur Reinigung, damit man das nicht mehr sieht und die Sprayer sich nicht als Sieger begreifen.“

 

Im Herbst des vergangenen Jahres nahm die Anzahl der Sprühereien dann plötzlich enorm ab. Der Grund: die Polizei hatte am Weiler Bahnhof hart gegen die illegalen Künstler durchgegriffen. Wie das genau ablief, berichtete Rainer Kömpf gemeinsam mit dem Leonberger Revierleiter Markus Geistler. „Im November haben wir gesagt: Jetzt reicht es“, so die Beamten. Eineinhalb Wochen lang legten sich Polizisten von Land und Bund – Letztere sind originär für die Bahnen zuständig – am Bahnhof der Keplerstadt auf die Lauer.

An einem Samstagabend war die Spähaktion schließlich von Erfolg gekrönt. Die Polizisten beobachteten drei junge Männer, die sich am Bahnhof aufhielten und die Lage sondierten. Obwohl die drei zunächst nicht den Eindruck erweckten, als gehörten sie zusammen, sprachen sie miteinander und tauschten Gegenstände aus. „Schließlich haben wir sie dabei beobachten können, wie sie begannen, einen Zug zu besprühen.“ Von einem ästhetischen Standpunkt aus gesehen sicher nicht schlecht, so Kömpf – aber nichtsdestotrotz haben die drei Männer einen Schaden von 3000 Euro in ein paar Minuten verursacht. „Sie haben 60 Quadratmeter S-Bahn vollgesprüht.“

Die Beamten fingen das Trio schließlich ab und stellte Sprühdosen und Fotobeweise sicher. „In diesem Fall war die Sachlage klar“, so Kömpf. Mitunter sei es aber schwieriger, die Täter dingfest zu machen – auch, weil die Gerichte genaue Beweise fordern. „Es muss zweifelsfrei nachgewiesen werden, wer gesprüht hat“, erklärte Geistler. Das sei vor allem bei geschickten Tätern gar nicht immer so einfach. Die große Polizei-Aktion hat zwei Dinge gezeigt. Erstens: die Szene ist gut vernetzt. „Dass wir aktiv sind, hat sich sofort herumgesprochen“, berichtet Markus Geistler. „In Weil der Stadt, aber auch der ganzen Region, ist die Anzahl der Fälle in den Folgewochen stark zurückgegangen“, ergänzte er. Die Sprayer tauschten sich etwa übers Internet sehr schnell aus, so der Leonberger Revierleiter weiter. Zweitens ist klar geworden: die meist anonymen Straßenkunstliebhaber sind nicht zwangsläufig dort am Werk, wo sie leben. Im Gegenteil: die drei im Herbst Gefassten stammen aus Stuttgart, Heidelberg und Mannheim. „Wir haben auch schon Sprayer aus Köln bei uns gefasst“, berichtete Geistler.

Das bedeutet auch, dass örtliche Präventionsarbeit nur begrenzt hilft. In Weil der Stadt gibt es da beispielsweise den Jugendsozialarbeiter Maximilian Frank. Er sprüht selbst auf professioneller Ebene, deshalb nehmen ihn die Jugendlichen ernst. „Wenn Herr Frank dann Grenzen aufzeigt und erklärt, was man darf und was illegal ist, respektieren die Jungs das“, sagt Kömpf. Das helfe dann vielleicht auch, manche Taten zu vermeiden – wie etwa jenen Vorfall, als Unbekannte im Dezember bei Schafhausen 2011 zwei Dutzend Gebäude mit Schriftzügen „verzierten“.

Professionell arbeitenden Sprayern aus der Ferne komme man damit aber wohl nicht bei, so die Polizisten. „Hilft es, wenn wir ein paar Wände aufstellen zum Besprühen?“, fragte der Weiler Grünen-Stadtrat Wolfang Fischer sodann die Polizisten. „Oder brauchen die den Kitzel?“ Kömpf und Geistler bejahten Letzteres.

Bleibt also nur die weitere Polizei- und Ermittlungsarbeit. Dass man da am Ball sei, in enger Zusammenarbeit mit der Bundespolizei, betonten die Beamten. „Allerdings sind Aktionen wie die im November sehr zeit- und personalaufwendig“, berichtete der Weiler Postenleiter. Zehn bis zwanzig Kollegen seien jede Nacht im Einsatz gewesen. „Da bleibt dann andere Arbeit liegen“, schloss der Polizist.