Wie geht’s mit den Schulen weiter? Was passiert mit der Altstadt? Und wo kommt das Geld dafür her? Das beschäftigt die neuen Gemeinderäte in Weil der Stadt.

Weil der Stadt - Montagabend, Finanzausschuss. Wohin denn das Wachstum führen soll, fragt der grüne Stadtrat Wolfgang Fischer und will wissen: „Hat überhaupt schon einer untersucht, ob das langfristig die Haushaltslage verbessert?“ Klar, mehr Einwohner bedeuten zunächst mehr Einnahmen. Gleichwohl, wendet Fischer ein, wird eine wachsende Infrastruktur auch teurer, die Stadt muss mehr Kindergärten vorhalten, die Kläranlage vergrößern.

 

In mehrfacher Hinsicht ist das typisch für die Stadt-Diskussion derzeit. Zum einen wäre da das Hauptproblem: Die leere Stadtkasse, die nur reich an Schulden ist. Und zum anderen die derzeit wohl wichtigste politsche Frage: Wie weit kann, darf, soll, muss Weil der Stadt wachsen? „Wir brauchen die jungen Leute“, wendet der Freie Wähler Klaus-Peter Fritschi auf Fischers Intervention ein. Für eine lebendige Stadt brauche es Einwohner aus allen Generationen. Junge Familien kommen aber nur, wenn man ihnen Bauland zur Verfügung stellt. Junge Weil der Städter können ihrer Heimat nur treu bleiben, wenn sie überhaupt Wohnraum finden. Ein bedeutender Wirtschaftsstandort war Weil der Stadt noch nie, da müsse man die Qualitäten als Wohnstadt ausspielen.

60 Millionen für den Neubau der Schule?

Aber was braucht es als liebenswerte und lebendige Wohnstadt? Noch so eine Frage, die die Kandidaten jetzt im Wahlkampf beantworten müssen. Punkt Nummer eins sind ohne Zweifel die Schulen. Weil der Stadt ist da reich bestückt – von der Haupt-, über die Sonder- bis hin zur Gemeinschaftsschule und dem Gymnasium gibt es sämtliche baden-württembergischen Schularten, was in dieser Vielfalt kaum eine Kommune in dieser Größe vorzuweisen hat. Bauchschmerzen machen nur die Gebäude. Das große Zentrum neben dem Festplatz ist marode, das weiß man seit Jahren. Seit Ende 2015 liegt ein Masterplan Schule vor, in dem steht: Die Sanierung kostet mindestens 30 Millionen Euro, der Neubau 60 Millionen. Dafür würde man in den Neubau das Gymnasium integrieren und das Filetstück auf dem Galgenberg in Wohnbebauung umwandeln. Passiert ist seit 2015 aber wenig. Dafür kristallisieren sich in diesem Punkt Unterschiede der Gemeinderatskandidaten heraus. Die FDP etwa hat sich für den Neubau ausgesprochen, kann sich gar einen privaten Investor vorstellen, der den Bau und die Finanzierung übernimmt und das Gebäude später an die Stadt vermietet.

Punkt Nummer zwei für ein schönes Weil der Stadt sind lebendige Ortskerne – auch an Merklingen sollte man da denken – und ein schöner Marktplatz. Auch hier liegen längst Pläne vor, denn schon im März 2009 war der Landschaftsarchitekt Michael Glück zum Sieger eines Wettbewerbs zur schöneren Altstadtgestaltung gekürt worden. In langsamen Schritten wagt sich die Stadtpolitik seitdem an diese Vorschläge heran. Im Sommer 2016 ist die Verkehrsführung in der Altstadt geändert worden. Ziel war es, zu viel Autoverkehr aus den historischen Gassen zu verbannen. Gekümmert haben sich Bürgermeister Thilo Schreiber (CDU) und der Gemeinderat zudem um den Punkt Tourismusförderung. Die Info im Engel am Marktplatz hat sich mittlerweile zum zentralen Hotspot entwickelt, auch die örtlichen Vereine verkaufen Karten für ihre Veranstaltungen gerne über die dortigen Mitarbeiterinnen.

Dennoch bleibt die Joker-Frage an die Stadtpolitik: Was bekommen die Touristen geboten, wenn sie aus der Info heraustreten? Klar – das einzigartige, historische Ensemble. Aber wenn sie bummeln möchten? Wenn sie am Marktplatz essen wollen? Auch die Einheimischen klagen, dass sie sich in der Altstadt teilweise wie in einem zwar schönen, aber ausgestorbenen Freilichtmuseum vorkommen. Die jüngste Hiobsbotschaft war, dass das Café Rieder – das einzige Café am Marktplatz – zumacht. Auf dem Weg zu einer schönen Wohnstadt wird es entscheidend sein, Konzepte für eine verlockende Gastronomie und einen vielfältigen Einzelhandel zu finden. Bringt ein autofreier Marktplatz Fluch oder Segen? Stört das Kepler-Denkmal, dessen Verlegung im stillen Kämmerlein auch schon vorgeschlagen wurde?

Die leeren Kassen ist das zentrale Problem Weil der Stadts

Das Problem aller Vorschläge indes ist, dass sie Geld kosten. Und das ist das dritte, zentrale Problem Weil der Stadts – die leeren Kassen. Den laufenden Betrieb kann die Stadt zwar stemmen. Bei allen Investitionen stehen die Lokalpolitiker aber vor der Frage: Lassen wir es oder nehmen wir Schulden auf? Selbst zurzeit – also unter den Bedingungen einer Hochkonjunktur und Vollbeschäftigung – kommt der Kämmerer nicht ohne einen Schluck aus der Schuldenflasche aus. Dabei hatte es einige Zeit lang gut ausgesehen. In den Jahren 2011 bis 2016 hatte Weil der Stadt sogar Schulden abbezahlt. Damit war im Dezember 2017 Schluss, als 6,9 Millionen Euro neue Kredite fällig waren. Selbst im laufenden Jahr 2019 rechnet die Stadtverwaltung damit, dass sie 3,8 Millionen Euro von der Bank wird holen müssen. 18,7 Millionen Euro wird der Schuldenstand damit Ende 2019 betragen. Damit wurde dann allerdings auch kräftig investiert: In den neuen Kindergarten Schafhausen, in die Kläranlage, in die Mensa in Merklingen, in die Sanierung der Stadthalle, in die Breitbandversorgung oder in das Rathaus Merklingen, um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen.

Luxus ist nicht darunter, Kinderbetreuung und Abwasserreinigung sind Aufgaben, um die die Städte nicht herumkommen. Wer in Weil der Stadt also Gemeinderat werden will, muss von bescheidenem Holz geschnitzt sein. Geld für Träume gibt es nicht, wird es auch in den kommenden Jahren nicht geben. Grund für die schlechte Finanzverfassung der Stadt ist die aufwendige Infrastruktur von fünf Stadtteilen und die viel zu geringe Gewerbesteuer. 11,7 Millionen Euro davon müsste die Stadt bekommen, wenn sie nur den Landesdurchschnitt aller Kommunen in Land erhalten wollte. 2018 waren es nur 5,8 Millionen.

Wird es mit mehr Einwohnern besser? Die beiden Baugebiete Häugern und Schwarzwaldstraße sind beschlossen. Aber ob die Stadt danach noch wachsen kann, darf, soll oder muss, ob man gar das magische Wort von der „großen Kreisstadt“ akquirieren will, muss der nächste Gemeinderat entscheiden.