Immer schwieriger wird der Steillagen-Anbau für die Weingärtner im Kreis Ludwigsburg. Sie fordern, Brachflächen mit Solaranlagen bestücken zu dürfen.

Noch ist die Welt am Käsberg in Mundelsheim in Ordnung. „Alle unsere Steillagen werden bewirtschaftet“, sagt Boris Seitz, Bürgermeister der Weinbauorts im Kreis Ludwigsburg. Eine „schwarze Kurve“, wie sie durch Solarpaneele in der Neckarschleife um den 3500-Einwohner-Ort gebildet würde, will Seitz sich gar nicht vorstellen. Gleichwohl sind Photovoltaikanlagen auf Brachflächen bei den Landwirten aktuell ein Thema – es macht auch vor den schönen Steillagen des Neckartals keinen Halt. Dort sind solche Anlagen aus Denkmalschutzgründen nicht erlaubt.

 

Der Weinbau in den Steillagen steckt schon seit Jahrzehnten in der Krise. Zunehmend kapitulieren Winzer vor der intensiven Handarbeit zwischen Rebstöcken und Trockenmauern. Das hat die Politik erkannt: Das Land Baden-Württemberg und der Kreis Ludwigsburg wollen die Kulturlandschaft erhalten und fördern die Arbeit finanziell. Aber reicht das?„PV-Anlagen in den Weinbergen wären für uns wirtschaftlich eine Chance“, erklärt Florian Petschl, stellvertretender Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg. Brachflächen würden sowieso nicht genutzt. Unter den Solarmodulen könnten sich die Böden und Insekten weiter gut entwickeln. „Natürlich müssten die Anlagen landschaftsverträglich aufgestellt werden.“

Ob sich der Aufwand lohnt, erscheint Praktikern zweifelhaft

Zweifel an solchen Plänen kommen aus der Praxis. „Der Montageaufwand in den Steillagen dürfte erheblich sein“, sagt Ralf Kleinknecht, Geschäftsführer der Solar Consult AG in Freiberg. Auch müssten lange Stromleitungen verlegt werden. „Ich sehe die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben.“ Kleinknecht sieht stattdessen noch viel Potenzial an Gebäuden und auf ebenem Gelände.

Nicht in der Steillage, aber auf dem Feld einer ehemaligen Baumschule würde am liebsten der Sachsenheimer Thomas Wörner eine vier Meter hohe Agri-Solaranlage erstellen. Der Clou dabei: Unter der Solaranlage könnten im Schatten Erdbeeren und Salate sogar besser wachsen als unter der Sonne. „Wir sind aber mit dem Plan vorerst gescheitert“, sagt Wörner. Denn das 1,2 Millionen-Euro-Projekt wäre bei einer Einspeisevergütung von 7  Cent pro Kilowattstunde nicht rentabel. „Anders sähe es bei 16 Cent aus – das wäre machbar: die Stromkonzerne, die vom Verbraucher 45 Cent nehmen, müssten uns aber mehr zahlen.“ Weil Wörner nicht mit neuen Gesetzen rechnet, baut er eine normale Freiflächenanlage. „Das ist schade, wir würden ja den Boden gerne nutzen.“

Schont ein Röhrensystem die Landschaft besser?

Geht es in den Steillagen anders? Die Augsburger Firma Tubesolar baut Röhrensysteme, wie sie in Sachsenheim bei den Wörners geplant waren. „Es wird aktuell viel geforscht, welche Systeme am besten zur Umgebung passen“, sagt Ralf Carle, bei Tubesolar Vertriebsleiter und als gebürtiger Heilbronner mit dem Neckartal vertraut. Er glaubt: „Wir wären mit unserem System sicher landschaftlich das kleinste Übel.“

Die Optik ist für den BUND-Kreisvorsitzende Stefan Flaig nachrangig. Irgendwoher müsse schließlich die Energie kommen.„Ich muss auch täglich Strommasten oder die Wolke von Neckarwestheim ansehen.“ Die Brachflächen in den Weinbergen würden verwildern, Hänge könnten abrutschen. Pflegten hingegen Landwirte die Trockenmauern und die Grasflächen unter den Modulen, spreche nichts gegen PV-Anlagen.

Das Interesse der Weingärtner an den PV-Anlagen sei wegen der wirtschaftlichen Probleme im Steillagenanbau hoch, teilt Andreas Fritz, Sprecher des Landratsamtes Ludwigsburg, mit. Zwei Prozent der insgesamt 350 Hektar Steillagenfläche liegen brach. „Es wird händeringend nach Alternativen für die Flächen gesucht.“

Auch die Ministerien des Landes weisen auf die hohen Kosten hin

Klaren Vorrang räumt das CDU-geführte Landwirtschaftsministerium den versiegelten Flächen ein. Bei brachliegende Agrarflächen müssen geprüft werden, ob sie noch ökonomisch nutzbar seien und ob sich Solaranlagen wegen der hohen Installationskosten überhaupt lohnten. Trockenmauern und Treppen genössen Bestandsschutz. „Auch die Pflege unter den Modulen ist aufwendig und teuer“, gibt ein Sprecher zu bedenken.

Ähnlich äußerte sich das Umweltministerium, das unter der Ägide der Grünen steht. Ein Projektierer müsse den Einzelfall prüfen.

Warum sind Solaranlagen in Steillagen problematisch?

Steillagen Der Landkreis Ludwigsburg hat mit rund 350 Hektar bundesweit mit Abstand die meisten Trockenmauersteillagen, so das Landratsamt. Sie stellen eine herausragende historisch gewachsene Kulturlandschaft dar. Landesweit gibt es 1000 Hektar.

Baurecht
 Viele Weinberge in Steillagen sind denkmalgeschützt oder liegen in Landschaftsschutzgebieten. Deshalb scheidet für sie ein Bebauungsplan aus, wie ihn eine Kommune für freiflächige PV-Anlagen aufstellen müsste, teilt das Landratsamt Ludwigsburg mit.

Gesetze
 Der Bund könnte die Spielräume erweitern. Das hat er für Flächen entlang von Autobahnen und Schienen schon getan. Solaranlagen, die zur Einspeisung ins Stromnetz dienen, sind dort im Abstand von 200 Metern zu den Verkehrswegen erlaubt.