Eine Hofdame aus dem 17. Jahrhundert ist angeblich schuld am Namen der Stettener Toplage Brotwasser – Andreas Fitzel hat dazu ein Buch geschrieben.

Kernen - In groben Zügen kennt sie fast jeder, der mit Stettener Wein zu tun hat: Die Geschichte jener Hofdame im Stettener Schloss, die irgendwann im späten 17. Jahrhundert dem Wein von den herzoglichen Weinbergen bei der Stettener Y-Burg mehr oder weniger unfreiwillig seinen Namen verpasst hat.

 

Brotwasser heißt der bis nach Übersee bekannt gewordene Tropfen von hervorragendem Ruf, weil die Dame sich den edlen Wein laut entsprechender heimatgeschichtlicher Anekdote gleich kannenweise anstelle des sonst fürs Brot-Eintunken genutzten Wassers hat reichen lassen – um ihre Vorliebe für den Tropfen möglichst geheim zu halten. Angesichts der ständig gen Weinkeller eilenden Dienerschaft blieb die Vorliebe nicht lange verborgen – ihr Lieblingsgetränk wurde, flugs und ironisch angehaucht, zum Brotwasser.

Es gab keine Literatur

Ihn habe gewundert, sagt wiederum der vor rund zehn Jahren in den Wengerterflecken „reigschmeckte“ Stettener Steigstraßen-Anwohner Andreas Fitzel, dass es keinerlei Literatur, keine wissenschaftliche Arbeit über die berühmte Weinlage in seiner nächsten Nachbarschaft gab. „Wenn mich was interessiert und es gibt nichts dazu zu lesen, dann schreibe ich es eben selber“, sagt der 52-jährige Verwaltungsbeamte mit Faible für historische Themen. Mit Unterstützung durch den Kernener Heimat- und Kulturverein ist daraus der im Buchhandel erhältliche 100-Seiten-Band „Stettener Brotwasser – Geschichte(n) eines legendären Weines“ geworden.

Der Knackpunkt bei den Recherchen zum Thema Brotwasser, jener Weinlage, die noch heute komplett im Besitz des Hauses Württemberg ist, sei der Moment gewesen, als er im Staatsarchiv tatsächlich die Urkunde mit der erstmaligen Erwähnung jenes Weins gefunden habe. Diese findet sich in der dort archivierten Inventurliste des Schlosses Stetten aus dem Jahr 1713. Unter den „bey aldasiger Kellerey sich Befindlichen Weine“ steht im Großen Keller gleich unter Nr. 1 das „1707 Brodwasser“ in einer Menge von 39 Eimer 8 Imi, was einer Gesamtmenge von rund 11 600 Litern entspricht. Etwas kleinere Mengen der Jahrgänge 1706 und 1704 warten dem Kellerbuch zufolge zu jenem Zeitpunkt auch noch auf den Verzehr.

Ein ganz bestimmter Wein

Da der Name Brotwasser zuvor in den Weinchroniken nirgends auftauche und auch kein alter Gewann- oder Flurname in Stetten verzeichnet ist, so folgert Fitzel, sei es mehr als wahrscheinlich, dass es sich um einen ganz bestimmten Wein handle, der angesichts des ungewöhnlichen Namens wahrscheinlich auch schon zuvor angebaut und als Brotwasser bezeichnet worden war.

Klar ist andererseits, dass die ursprünglich für die Weinberge um die Y-Burg verwendete Lagebezeichnung Steingrube ihren Namen von einem nahe gelegenen Steinbruch bezieht. Laut Fitzels Nachforschungen sind hier die einstigen „Oberen Steingruben“ weitgehend identisch mit dem heutigen Pulvermächer, dessen Name wiederum vom Sprengmeister oder Schwarzpulvermacher im Steinbruch stammt. Die mittelalterliche „Untere Steingruben“ entspricht der jetzigen Lage Brotwasser.

Auch ein Brite schrieb über Brotwasser

Und die Namensgeberin, jene Brot tunkende Hofdame im 17. Jahrhundert? Da kann der Autor zwar weder mit Nachweis noch Name dienen. Aber, so Fitzel: „Es ist nicht auszuschließen, dass die frühe Erwähnung der Legende um die Hofdame der Magdalena Sibylle einen wahren historischen Kern hat. Immerhin fällt die erste Erwähnung des ‚Brotwassers’ tatsächlich in die Zeit, in der Herzogswitwe Magdalena Sibylle ihr Domizil im Schloss Stetten hatte.“

Auch andere Deutungen des Namens hat der Autor in allerlei alten Akten und in Abhandlungen gefunden. Etwa das, was der österreichische Nationalkalender anno 1819 über angeblich recht miserable schwäbische Weine schreibt – und die wenigen positiven Ausnahmen „von Fellbach und Uhlbach bey Cannstadt, von Stetten, wo ein äußerst guter Wein wächst, dem man aber seiner Farbe wegen den abschreckenden Namen Brodwasser gibt.“ In anderen Ländern hat sich der Ruf des Stettener Tropfens ebenfalls verbreitet. Die Geschichte vom Brotwasser – „toast-and-water“ – und der tunkenden schwäbischen Hofdame hat der Brite John Murray in seinen 1858 erschienen „Handbook for Travellers“ mit verarbeitet.

Lektüre mit einem Glas Wein

„Aufgrund der Tatsache, dass der württembergische Wein im 18. Jahrhundert generell keinen besonders guten Ruf hatte, war das Brotwasser aus Stetten damals im Lande durchaus ein erster Vorreiter für ein neu erwachtes Qualitätsbewusstsein“, lautet Fitzels weinhistorische Einordnung. Ein Statement zum vinologischen Prunkstück des Weinguts Württemberg, dem sich in seinem Vorwort zum Brotwasser-Buch Michael Herzog von Württemberg gern anschließt. Sein Vorschlag zum doppelten Genuss: „Ich empfehle begleitend zur Buchlektüre ein Glas des Weins zu trinken. Denn wann hat man beim Lesen eines Buches die Möglichkeit, das Thema so sinnlich auszukosten?“