Das Weingut Zimmerle, zuletzt mit Preisen überhäuft und auf dem Weg in die Spitze des Anbaugebiets, hat seinen Neubau bezogen. Das neue Gebäude zeigt den Trend im Weinbau: Die Betriebe werden immer moderner, im speziellen Fall ist das Gebäude nahezu klimeneutral.

Wenige Branchen legen derart Wert auf eine gute Verpackung. Wein ist Kunst in Flaschen, lautet schon länger die Devise, aber mittlerweile kommt diese Kunst aus kunstvollen Gebäuden. Weltweit gibt es grandiose Bauwerke für den Wein: Stararchitekten wie Frank Gehry oder Santiago Calatrava haben in Spanien wahre Tempel errichtet, Österreich zeigte schon früh die Richtung an. Württemberg kam etwas später auf den Trichter, aber nun mit Schwung! Jüngstes Beispiel: Das neue Weingut Zimmerle, das aus der Ortsmitte an den Ortsrand von Korb gezogen ist, allerdings auf Waiblinger Gemarkung.

 

Direkt vom Hof blickt der Betrachter durch eine große Scheibe in einen Holzfasskeller, die Fassade erscheint wie eine Leinwand, die Fässer bilden den Inhalt des Gemäldes. „Wenn man sich so einen Standort aussucht, braucht man natürlich Fantasie“, sagt Jens Zimmerle, der immer noch junge und aufstrebende Winzer. Die Fantasie, wie die Arbeitsabläufe sein müssen, hatte er, für gestalterische Aspekte war seine Frau Yvette zuständig. „Sie kann das einfach besser.“ Entstanden ist so ein Prototyp eines architektonisch außergewöhnlichen, zudem praktischen Neubaus. Im Bauhaus heißt das Form follows Function, die Form folgt der Funktion. Genau wie bei dieser Kelter, die nahezu klimaneutral ist und sehr hübsch.

Gravitation mit dem Gabelstapler

Wenn der 42-Jährige durch seine Werkstatt läuft, gerät der coole junge Mann, einst als DJ im Stuttgarter Nachtleben unterwegs, geradezu ins Schwärmen. Im neuen Weingut liegen alle Arbeitsbereiche in einer langen Halle, auf die Vorteile der Gravitation, die andere Betriebe gerne nutzen, verzichtet er. Der Traubenmost lasse sich leicht mit einem Gabelstapler in die Höhe stemmen, um auf das Pumpen, das dem Wein nicht gut tut, zu verzichten, sagt Jens Zimmerle.

Wichtiger sind ihm andere Aspekte, die das neue Gebäude liefern kann. Die Architekten setzten auf Wärmetauscher und Fotovoltaik, „wir haben nicht einmal einen Gasanschluss“. Sogar Kochen im Wohnhaus würden sie mit selbst erzeugtem Strom. „Wir sind zu 95 Prozent autark“, sagt der Winzer voller Stolz. Für den Notfall gibt’s einen Flüssiggastank. Damit folgt der Betrieb keinen Moden, Jens Zimmerle war einer der ersten Bio-Betriebe in Württemberg nach dem Urgestein Schmalzried, der ebenfalls in Korb beheimatet ist, und war er vor kurzem noch der in Weinführern am höchsten dekorierte.

Auch Biobetriebe brauchen Pflanzenschutz

Die Geschichte mit dem Bio bringt auch ein paar Problemchen mit sich. Ein Bio-Landwirt muss Pflanzenschutz noch intensiver betreiben als ein herkömmlicher. Und wenn das Wetter es verlangt, muss er eben am Sonntag auf den Traktor und zum Spritzen. Spaziergänger verstehen es nicht und fühlen sich belästigt. Kürzlich habe ihn deshalb die Polizei angehalten und ihm gesagt, er solle ihnen erklären, warum er ausgerechnet jetzt unterwegs sei. „Sehen sie die Wolken da hinten, da kommt Regen. Und deshalb muss ich nun arbeiten“. antwortete er.

„Wenn man sich nachhaltig weiterentwickeln will, kann man da keine Kompromisse machen“, sagt Jens Zimmerle. Auf chemische Spritzmittel verzichten, den Energieverbrauch minimieren, so sieht die Familie eine Chance für die nächste Generation.

Dass er auf dem richtigen Weg ist, sagt ihm nicht allein sein Gefühl. „Es wäre ja verheerend, wenn wir nicht wissen würden, dass wir guten Wein machen“, erklärt Jens Zimmerle. Im vergangenen Jahr allerdings erhielt er für seine Leistungsfähigkeit auch einen extrem nachhaltigen Beleg. Beim deutschen Rotweinpreis landete Jens Zimmerle gleich mit drei Weinen auf dem Podium, mit seinen Zweigelt belegte er den ersten UND zweiten Platz. Von einer Fachzeitschrift wurde er zum Winzer des Jahres im Anbaugebiet gekürt. „Ich habe noch gar nicht alles realisiert, was da alles passiert ist“, sagt Jens Zimmerle, „wir waren ja auch mit dem Neubau beschäftigt.“

Dreimal beim Rotweinpreis auf dem Treppchen

Derlei Lob gilt viel. Als der Dreifachsieg beim Rotweinpreis raus war, vibrierte ständig sein Telefon in der Hosentasche, weil die Kundschaft vorbestellen wollte. Dreimal auf dem Podium, „das war schon eine einmalige Sache“, sagt auch Jens Zimmerle, „aber wir haben noch viel vor!“ Stillstand im Weinbau ist immer ein Rückschritt, derzeit beschäftigt sich der Korber mehr mit der Biodynamik. Auf seinem Ruhm werde er sich nicht ausruhen, versichert er, an der Stilistik der Weine will er weiter arbeiten, vielleicht noch präziser die einzelnen Rebsorten herausarbeiten. Das klingt für manchen Stammkunden wie eine Drohung, die Zimmerles setzen damit jedoch nur den eingeschlagenen Weg fort: in Richtung der allerbesten Wengerter aus Württemberg, wie die Fachzeitschrift dem Betrieb attestierte, der „die Spitzengruppe des Anbaugebiets stürmt“.

„Wir müssen kein Geld wechseln“

Für die Zimmerles war der Umzug der richtige Schritt. Erstens können sie nun besser ihre Weine präsentieren, gereifte Tropfen in einem speziellen Raum. Zweitens laufen Arbeit und Leben leichter nebeneinander her. Es gibt viel Platz, auch für Mitarbeiter eigene Zimmer. Drittens war das alte Gebäude in der Ortsmitte schlicht nicht mehr geeignet. Im Herbst wurde er sogar schon angezeigt wegen Lärmbelästigung. Dass er deshalb gleich auf Waiblinger Gemarkung wechseln musste? „Wir fühlen uns nach wie vor als Korber. Die Weinberge sind noch hier. Und wir sind noch in der EU und müssen kein Geld wechseln“, antwortet er und lacht.

Besichtigung

Das Weingut kann am Freitag, 12. Mai, am Samstag, 13. Mai (jeweils von 16 Uhr an bis 23 Uhr) und am Sonntag, 14. Mai, von 11 bis 21 Uhr besichtigt werden. Natürlich wird Wein ausgeschenkt, für kulinarische Genüsse sorgt die Mannschaft vom Rebblick in Korb, erst jüngst mit einem Bib Gourmand ausgezeichnet.