Auf dem Marktplatz ist in diesem Jahr viel diskutiert worden. Ein neuer Bürgermeister, ein neuer Skandal, neue Gemeinderäte, eine neue Kita und ein erweitertes Porsche-Zentrum waren Marktgespräch.

Weissach - Nein, es ist kein klassischer, typischer Marktplatz, wie ihn mittelalterliche Fachwerkstädte haben. Wohl verströmen die Bäume etwas Gemütlichkeit, und regelmäßig säumen Marktstände diesen Platz. Zum Rathaus ist es nicht weit. Hier haben sich im Sommer die Kandidaten getroffen, um um Stimmen zu werben. Hier wurde in der Woche, als die LKZ über den Kommbau-Skandal geschrieben hat, heftig diskutiert. Und hier sind auch die Kinder der neuen Kita regelmäßig zu Gast, wenn sie von ihren Eltern zum Wochenmarkt mitgenommen werden. Ein Ort der Begegnung also, obwohl Weissach eine eindeutige, klare Mitte fehlt.

 

Ebenso wie Flacht übrigens. Würde man einen Schauplatz in Flacht suchen, könnte man den geschlossenen und wieder neue eröffneten Bäcker wählen, der mit seinem Brötchenwagen zum Politikum wurde. Aber bleiben wir auf dem Rathaus. Eine Szene bleibt besonders in Erinnerung: Ursula Kreutel und Daniel Töpfer fahren mit ihren schweren Limousinen vor – und parken direkt nebeneinander. Es ist ein heißer Juni-Nachmittag.

Es wird viel geschimpft auf dem Marktplatz

Ursula Kreutel eilt über den Marktplatz und verschwindet relativ schnell wieder in dem schmucken, teuer gebauten Rathaus, um sich ihren Amtsgeschäften zu widmen. Daniel Töpfer, noch ohne Amt und Macht, baut sich hingegen auf dem Marktplatz seinen Infostand auf, verteilt Kulis und andere Utensilien. Schnell bildet sich in dem Wahlkampf eine Traube an Menschen, die auf vieles schimpfen. Vor allem aber aufs Rathaus. Nicht nur auf die Bürgermeisterin, sondern auf die vielen kleinen Probleme, die nicht gelöst sind, auf den Gemeinderat, der sich in fast jeder Sitzung mit der Bürgermeisterin in die Wolle kriegt.

Vielleicht läuft auch Loni Fünfer über diesen Marktplatz. Sie war früher Chefsekretärin im Weissacher Rathaus, bis sie nicht mehr wollte – und sich in Flacht selbstständig gemacht hat, mit einem Autoreinigungsservice. Nur eine Geschichte von vielen aus der großen Weissacher Erzählung, die aber doch symbolisch dafür ist, dass vieles nicht in Ordnung war.

Wie war wohl die Stimmung auf dem Markt, als im August die große „Bombe“ eingeschlagen ist und die LKZ von dem Kommbau-Skandal berichtet hat? Von undurchsichtigen Baugeschäften, abseits der üblichen Vergaberichtlinien, von einem lokalen Monopol von Firmen und Handwerkern, die möglichst viel von den gut 800 Millionen Euro, die Porsche über die Jahre in die Kassen gespült hat, im Ort behalten wollte? Es war jedenfalls das Gesprächsthema im Sommer, an den Marktständen. So mancher, dem nach Jahren die Schuld angetragen wurde, trug damit schwer, andere schüttelten sie einfach ab.

Aber auch so mancher Marktbesucher dürfte erleichtert gewesen sein, dass die Öffentlichkeit endlich weiß, was viele als dunkles Geheimnis mit sich herumgetragen haben. Klar ist jedenfalls: es hat keinen kalt gelassen. Nicht den Weissacher Architekten und Künstler Fero Freymark jedenfalls – der nach den Veröffentlichungen einige schlaflose Nächte hatte. „Das hat mich tief erschüttert“, sagt er. Und das hat es wohl das ganze Dorf. Vielleicht wurde auf diesem Marktplatz so mancher Entschluss gefasst, künftig alles anders zu machen – transparenter, offener, nachvollziehbarer, demokratischer.

Ganz in der Nähe des Marktplatzes steht auch das einzige Schild, das auf das riesige Porsche-Entwicklungszentrum mit bald 4500 Menschen hinweist. Vielleicht ist mancher Ingenieur, der bei dem Sportwagenhersteller arbeitet, kopfschüttelnd über den Marktplatz gelaufen, um sich in der Mittagspause einen Kaffee zu holen. Im Juli fuhren die Porsche-Manager am Marktplatz vorbei, um zur Einweihung des Erweiterungsbaus zu kommen. Porsche wächst und wächst, und ebenso wächst die Kritik. So kann sich Gerhard Mann, der Sprecher der Unabhängigen Liste, zunehmend mehr davon anhören, wenn er über den Marktplatz läuft.

Es hat sich viel getan im Ort

Und vielleicht kommt ja auch Herbert Linge noch das eine oder andere Mal hier her, auf den Marktplatz. Im Juni war der ehemalige Rennfahrer und Weissacher Ehrenbürger so stolz auf seine Kommune und auf seinen ehemaligen Arbeitgeber, weil Porsche sich öffnet und bei der Kita kooperiert. Und diesen Stolz wollen auch die übrigen Weissacher (wieder) empfinden. Noch rumpelt es kräftig im Rathaus, vielleicht laufen auch die vom neuen Bürgermeister entmachteten Amtsleiter über diesen Marktplatz.

Aber die Bürgergesellschaft erwacht, die „Helfer mit Herz“, eine Gruppe engagierter Bürger, die anderen hilft, hat sich gegründet. Das Kulturleben ist lebendig, und auch „Ede“ Bernt, das Flachter Original, umstritten und streitbar, aber irgendwie auch unverzichtbar, streift sicher auch des Öfteren über diesen Marktplatz. Wenn sich nun der Vorhang für dieses turbulente Jahr 2014 an der Weissacher Durchfahrt senkt, darf man hoffen. Auf einen Neuanfang, auf neuen Stolz für den Ort, auf Aufklärung. Denn Weissach ist zu schön und seine Bürger sind zu sympathisch, um ständig mit Problemen und Skandalen in Verbindung gebracht zu werden.