Das Stuttgarter Weissenhof-Turnier um den Mercedes-Cup wird in diesem Jahr noch auf Sand ausgetragen. Am Montag gab es mit John McEnroe aber einen kleinen Vorgeschmack auf 2015: dann wird auf Rasen gespielt.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Dem Tennis der Gegenwart fehlen ganz gewiss die verrückten Figuren. Was ein Kerl mit Charisma ist, das zeigt auf dem Weissenhof eindrucksvoll John McEnroe. Der schlappt in lässiger Kluft mit Schirmmütze und Rapper-Kette um den Hals ins Pressezentrum – und nimmt neben Michael Stich und Henri Leconte Platz, den beiden anderen Haudegen aus der Filzball-Antike. Und als einer Stich die Frage nach dem deutschen Tennisnachwuchs stellt und dabei kein Ende findet, macht McEnroe das einzig Richtige – und stutzt den Reporter gleich mal auf Grasnabenhöhe herunter: „This question is too long.“

 

Nach diesem Lacher wünschte sich gestern mancher, die Zeit irgendwie zurückzudrehen – doch die Helden der Vergangenheit spielen nicht um den Hauptpreis, sie sind in anderer Mission unterwegs. Nächstes Jahr wird auf dem Weissenhof erstmals auf Rasen gespielt, die ersten drei Plätze sind schon begrünt. Um diese neue Ära auch standesgemäß einzuleiten, haben die Veranstalter des Stuttgarter Tennisturniers diese illustre Truppe zusammengestellt. Eine Reminiszenz an die Tennis-Geschichte. McEnroe in Stuttgart – das gibt es nicht oft.

Und so haben der Amerikaner und der Deutsche Stich am Montag das Grün mit einem kleinen Match unter Kumpels eingeweiht und brachten als ehemalige Wimbledonsieger im Einzel und Doppel einen Hauch des Tennistempels von der Londoner Church Road auf den Killesberg. Danach stand für die beiden noch ein Doppel gegen Leconte und Alexander Waske auf dem Plan. Höhere Semester wissen: 1992 hatten Stich und McEnroe den Doppelwettbewerb auf dem „heiligen Rasen“ von Wimbledon gewonnen. Es war einer der letzten großen Auftritte von „Big Mac“, wie sie den Amerikaner nennen. „Das war auch für mich ein echtes Erlebnis“, schwärmt Stich noch heute.

Das Gras tut den Schwaben gut

Warum? Weil McEnroe so anders war als alle anderen. Sein ganzer Ehrgeiz habe sich entladen, wenn er sich mit seinem „Feindbild Schiedsrichter“ flegelhaft anlegte, erinnert sich der Hamburger Stich. Extrovertiert ist inzwischen aber nur noch McEnroes Garderobe. Der 55 Jahre alte Ex-Profi tritt längst als besonnener Zeitgenosse in Erscheinung. Und als BBC-Experte genießt der weißhaarige Amerikaner einen exzellenten Ruf. Wenn Mister McEnroe über einen jungen Spieler, etwa den Deutschen Alexander Zverev, sagt, dieser sei ein Versprechen für die Zukunft („he is the real deal“), dann ist das im Welttennis der große Ritterschlag.

Vor der Showeinlage auf dem neuen Rasen sind der Amerikaner, der Franzose und der Deutsche sich einig: Das Gras tut den Schwaben gut. „Es ist großartig für die Spieler und es ist großartig für Stuttgart“, meint McEnroe ein wenig pathetisch. In der Tat soll das Grün (in diesem Jahr wird zum letzten Mal auf Sand gespielt) das Weissenhof-Turnier aus dem Tal der Tränen führen. Nach Wimbledon noch ein Sandplatzturnier zu veranstalten passt den besten Spielern der Welt gar nicht ins Konzept. Jetzt machen die meisten Stars erst einmal zehn Tage Pause und bereiten sich dann auf die Hartplatzsaison vor; mit den US Open Ende August als Höhepunkt. So treten in diesem Jahr in Stuttgart überwiegend unbekannte Sandplatzwühler auf. An Nummer eins gesetzt ist der Italiener Fabio Fognini, Nummer 15 der Welt.

Der Rasen soll das Turnier in Stuttgart revolutionieren. Im nächsten Jahr findet er in den drei Wochen zwischen den Grand-Slam-Turnieren in Paris und London statt, ist also neben Halle die zweite Möglichkeit, vor Wimbledon noch einmal auf Gras zu üben. Der Stuttgarter Turnierdirektor Edwin Weindorfer hat ja gute Kontakte zu Rafael Nadals Onkel und Trainer Toni Nadal. Stuttgart baut seine Hoffnung also auf frisches Grün. „Der Rasen ist hier viel saftiger als der in Wimbledon“, sagt McEnroe dann auch noch, bevor er beherzt zum Schläger greift – und wie früher den Schiedsrichter beschimpft.