Jeder sechste Baden-Württemberger belegt mindestens einmal im Jahr eine Fortbildung. Sprachkurse oder berufliche Lehrgänge sind nirgendwo beliebter. Allerdings gibt es auch starke regionale Unterschiede, wie die Bertelsmann-Stiftung erhoben hat.

Stuttgart - Die Bundesbürger bilden sich weniger weiter. Das geht aus dem Deutschen Weiterbildungsatlas der Bertelsmann-Stiftung hervor, der am Montag veröffentlicht wurde. Demnach nahm im Jahresverlauf 2013 im Bundesdurchschnitt etwa jeder achte Deutsche (12,3 Prozent) an einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme, einem Seminar in seiner Freizeit oder an einem Sprachkurs teil. 2012 lag der Wert noch bei 12,6 Prozent, im Zeitraum von 2008 bis 2011 sogar bei knapp 14 Prozent.

 

Im Vergleich zu anderen Untersuchungen, die eine erheblich höhere Fortbildungsquote von bis zu 50 Prozent ausweisen, beschränkt sich die Bertelsmann-Untersuchung nicht auf berufstätige Personen bis zum 65. Lebensjahr. Sie stützt sich vielmehr auf Daten des Mikrozensus von erwachsenen Bundesbürgern ab 25 Jahren ohne eine Altersbegrenzung nach oben zu setzen. Im Weiterbildungsatlas werden vor allem „klassische“ Weiterbildungsformate abgebildet, also organisierte Kurse und Seminare. Unterweisungen am Arbeitsplatz sind nicht enthalten.

Baden-Württemberg und Hessen sind bundesweit Spitze

Im Bundesvergleich schneiden die Länder Baden-Württemberg und Hessen besonders gut ab. Der Südwesten belegt mit einer Weiterbildungsquote von 14,8 Prozent (minus 0,2 Prozent) die Spitzenposition. Am anderen Ende der Skala teilt sich das einwohnerstärkste Bundesland Nordrhein-Westfalen die Rote Laterne mit dem Saarland und den beiden neuen Bundesländern Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Die Unterschiede zwischen den Ländern fallen noch relativ moderat aus, dagegen treten beim erstmalig vorgenommenen Vergleich einzelner Landkreise und kreisfreier Städte gravierende Differenzen auf: Während beispielsweise in Prignitz (Brandenburg) nur jeder 34. Einwohner jährlich eine Weiterbildung besucht (2,9 Prozent) und im bayrischen Landkreis Fürstenfeldbruck nur jeder 29. (3,4 Prozent), ist es in Darmstadt fast jeder vierte Einwohner. Die südhessische Stadt belegt mit einer Fortbildungsquote von 23,1 Prozent die bundesweite Spitzenposition vor dem rheinland-pfälzischen Landkreis Mainz-Bingen (21,9 Prozent) und dem mittelfränkischen Erlangen (21,8).

Ein deutliches Gefälle ergibt sich auch beim Blick auf die Ergebnisse innerhalb der Länder. Als Extrembeispiel nennt die Studie Bayern: Trotz eines überdurchschnittlichen Landeswertes seien hier Kreise mit sehr niedrigen Werten zu finden. Auch in Baden-Württemberg gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede: Die höchste Quote weist die Universitätsstadt Ulm auf, wo sich 21,6 Prozent der Einwohner im Jahresverlauf fortgebildet haben, dahinter folgen der Landkreis Biberach mit 19,8 Prozent und Ludwigsburg mit 19,7 Prozent. Insgesamt liegen 33 der 44 Landkreise im Südwesten über dem Bundesdurchschnitt von 12,3 Prozent. Allerdings gibt es auch Ausreißer nach unten: Mit lediglich einstelligen Fortbildungsquoten und damit am schwächsten schneiden der Neckar-Odenwald-Kreis (9,3 Prozent), der Enzkreis (6,5 Prozent) und die Stadt Pforzheim (4,3 Prozent) bei der Untersuchung ab.

Chancen sind regional ungleich verteilt

„Weiterbildungschancen in Deutschland sind regional zu ungleich verteilt. Damit wird Chancengerechtigkeit bei beruflichem und sozialem Aufstieg eingeschränkt“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Etwa ein Drittel der Unterschiede in den Weiterbildungsquoten lasse sich durch die regionale Sozial- und Wirtschaftsstruktur erklären, etwa einer besonders hohen Qualifikation der Bevölkerung oder einer guten wirtschaftlichen Lage. Zwei Drittel der Unterschiede werden nach Angaben der Bertelsmann-Experten jedoch durch andere Aspekte beeinflusst, vor allem durch die Qualität des vorhandenen Weiterbildungsangebots.

Der Weiterbildungsatlas untersucht die Angebote der öffentlichen, gemeinschaftlichen, privatwirtschaftlichen und betrieblichen Anbieter. Besonders bei öffentlichen Angeboten wie Volkshochschulkursen haben die Studienmacher ein starkes Ost-West-Gefälle und große Unterschiede zwischen den 402 Kommunen festgestellt: Die stärksten Kommunen in den alten Bundesländern weisen mehr als 20 Angebote je 1000 Einwohner auf, die schwächsten im Osten weniger als zwei.

Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Elke Hannack, kritisierte am Montag, dass Frauen in Teilzeit, ältere Beschäftigte und Geringqualifizierte oft ausgeschlossen blieben: „In der Weiterbildung gilt leider viel zu oft das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Die besten Chancen hätten „Männer mittleren Alters, die in Vollzeit arbeiten und Führungspositionen besetzen“, so die DGB-Vizechefin. Der Staat investiere immer weniger in Weiterbildung, allein zwischen 1995 und 2012 seien die öffentlichen Ausgaben um 41 Prozent gesunken.