Ein Göppinger aus Hong Kong will die auf Komödien fixierte deutsche Filmszene umkrempeln. In seiner Heimatstadt hat sein Martial-Arts-Film „One Million K(l)icks“ jetzt Welturauffühung gehabt.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Ein dunkler Daimler rollt in den Hof des Göppinger Staufen Multiplex Kinos. Ein kleiner, stämmiger junger Mann springt heraus, lächelt ins Blitzlichtgewitter und winkt den Umstehenden zu, die freundlich applaudieren und „Mike“ rufen. „Er ist echt cool und immer local geblieben“ – also heimatverwurzelt, sagt Randy Kreis. Der 25-Jährige ist zur Welturaufführung des Independentfilms „One Million K(l)icks“ extra aus Thüringen angereist und ist Teil des Kampfsport-Teams Mike Möllers. Der gilt mittlerweile als einer der führenden Stuntmen in Deutschland. Sogar mit dem Action-Star Jean Claude Van Damme hat der Experte für ostasiatische Kampfkunst schon zusammengearbeitet. In „One Million K(l)icks“ hat der kleine Thüringer nun selbst seine erste Hauptrolle.

 

Hinter Möller schält sich dann noch Rüdiger Kümmerle aus dem Fond der Limousine. Seit elf Jahren lebt der 43-Jährige in Hong Kong, ist aber in Geislingen geboren und in Göppingen-Faurndau aufgewachsen. Eigentlich verdient er sein Geld als Unternehmer. Mit Firmen im Raum Stuttgart hat er Joint Ventures vereinbart, in seiner Fabrik in der chinesischen Millionenstadt Shenzhen und in der Zentrale in Hong Kong arbeiten 60 Mitarbeiter. Für „One Million K(l)icks“ versucht er sich erstmals als Filmproduzent. Die sechsstellige Summe, welche die „Micro-Budget“-Produktion verschlungen hat, sei „komplett eigenfinanziert“, sagt Kümmerle. „Zum Glück muss ich davon nicht leben.“ Wann der Streifen in die Kinos kommt, ob er gleich ins Fernsehen geht oder auf DVD gebrannt wird, ist noch offen. „Die Verhandlungen laufen.“

Cameron Diaz muss weichen

Dass die Weltpremiere des in Thüringen gedrehten Films am Samstag schon in Göppingen stattgefunden hat, war Kümmerles ausdrücklicher Wunsch. Manchen Filmabend habe er im Staufen verbracht. „Krieg der Sterne“, „Blues Brothers“ und „Rambo“ habe er hier gesehen. „Das ist meine Jugend.“ Der Kinobetreiber Jörg Huttenlocher ließ sich dann auch nicht lange bitten. „Eine Weltpremiere hat Göppingen noch nie erlebt“, sagt Huttenlocher, der dafür die US-Komödie „Sex Tape“ mit Cameron Diaz kurzerhand von Saal 1 in Saal 4 verbannte. Den obligatorischen roten Teppich musste man allerdings erst noch anschaffen.

„One Million K(l)icks“ ist ein Martial-Art-Movie: viel Action, keine Schusswaffen. Gekämpft wird Mann gegen Mann oder auch Mann gegen Männer, ohne große Tricks, dafür mit echten blauen Flecken. Im Film ist Mike ein Internetstar, der seine Prominenz gefilmten Bar- und Discothekenschlägereien verdankt. Als er aussteigen will, gibt es Ärger mit seinen Auftraggebern – und weitere Schlägereien.

Auf der Straße entdeckt

Auch Kümmerle ist ein Kampfsportfan, obwohl Kneipenschlägereien nicht in seiner Vita stehen. Doch schon als Jugendlicher hat er in einem Göppinger Kampfsportzentrum die Grundzüge von Kung Fu, Wushu und Wing Tsung erlernt. Bei einem Urlaub in Hong Kong wurde er dann auf der Straße – er ging gerade zum Training – von einem Scout entdeckt und für einen chinesischen Kampfsportfilm gecastet. Schon stand er selbst vor der Kamera. Große europäische Kämpfer seien in Fernost immer gefragt. „Wir spielen die Bösewichte und werden verhauen“, sagt Kümmerle.

Diese undankbare Rollenverteilung umzudrehen, mag einer der Beweggründe für Kümmerle gewesen sein, das Martial-Art-Genre nach Deutschland zu importieren. Doch seine Passion hat auch eine Mission. „Hier gibt es sonst nur Komödien. Das wollen wir ändern“, sagt Kümmerle. Deutschland gelte nach den USA und Japan dafür als drittgrößter Markt. Der Kinobetreiber Huttenlocher ist allerdings skeptisch. „Die Zeit ist längst vorbei“, sagt er. Anders sieht es offenbar die renommierte Bavaria Film, die als Vermarktungspartner eingestiegen ist und sich auch an Kümmerles nächstem Projekt beteiligt. In einer Woche geht es los – wieder mit Mike Möller in der Hauptrolle. Dann wird in und um Göppingen gedreht. „Wir haben hier so schöne Drehorte: den Hohenstaufen, Ave Maria in Deggingen oder die Zollabfertigungshalle hinter dem Göppinger Bahnhof“, sagt Kümmerle. Als Schwabe ist er nämlich mindestens ebenso local wie der Thüringer Möller.