Vaihinger Wissenschaftler senden Impulse für die Satellitentechnik: Ein neuer Antrieb ohne mitgeführten Treibstoff erhöht die Lebensdauer und macht tiefe Flüge über der Erde möglich.

Vaihingen - Der Weltraum ist ein gefährlicher Ort, denn die Gefahr, von Schrott getroffen zu werden, ist hoch. Laut der europäischen Weltraumagentur (ESA) zirkulieren rund 600 000 Teilchen mit einem Durchmesser von jeweils mehr als einem Zentimeter auf der Erdumlaufbahn. Es sind Reste der seit Beginn der Raumfahrt in den Weltraum geschossenen Satelliten. Für gegenwärtige und künftige Weltraummissionen sind sie eine Gefahr. Vaihinger Wissenschaftlern ist es nun durch einen von ihnen entwickelten Satellitenantrieb gelungen, dass künftig kein Satellitenmüll mehr anfällt. Das ist aber noch nicht alles: Satelliten mit dem neuen Antrieb haben eine längere Lebensdauer, sie können kleiner gebaut werden und in niedrigeren Umlaufbahnen fliegen als herkömmliche Satelliten.

 

Je tiefer der Satellit fliegt, desto mehr spürt er Widerstand der Restluft

„Satelliten kann man in unterschiedlicher Höhe fliegen lassen. Wenn man tiefer geht, fällt die Erdbeobachtung leichter, weil die Kameras kleiner sein dürfen“, sagt der Privatdozent Georg Herdrich, ein Experte für unkonventionelle Satellitenantriebe. Zusammen mit Francesco Romano und weiteren zehn Mitarbeitern am Institut für Raumfahrtsysteme am Pfaffenwaldring hat er den neuen Antrieb ersonnnen. Das Fliegen in niedriger Höhe, das heißt etwa zwischen 250 und 400 Kilometer, hat aber auch einen gravierenden Nachteil, denn die Restatmosphäre mit einem geringen, aber dennoch wirksamen Luftwiderstand kommt zum Tragen: „Je tiefer man geht, desto stärker wird der Luftwiderstand.“ Hier zeigt sich nun der Vorteil der Vaihinger Erfindung: Sie benutzen einen elektrischen Antrieb. „Elektrische Antriebe für Satelliten gibt es zuhauf. Das sind Plasma- oder Ionentriebwerke“, sagt Georg Herdrich. Sie würden genutzt, um Satelliten auf einer bestimmten Position zu halten: „Beispiele dafür sind geostationäre Satelliten, die die immer am selben Ort sind, weil sie sich so schnell drehen, wie sich die Erde unter ihnen wegdreht.“ Ein Anwendungsbeispiel für geostationäre Satelliten seien Nachrichtensatelliten. Ein Satellit für Erdbeobachtung, der auf nur 300 Kilometer Höhe fliege, würde allerdings durch den Widerstand der Restatmosphäre nur kurz im Orbit bleiben, wenn er keinen Tank mit Treibstoff hätte, der ihm immer wieder einen Schub gebe. Irgendwann aber gehe der Treibstoff aus, und das sei dann das Ende des Satelliten.

Der Massenkollektor sammelt Restluftpartikel ein

Der Vaihinger Satellit aber kommt ohne den Tank mit Treibstoff aus. „Wir nehmen einen Massenkollektor, der in Flugrichtung angebracht ist und der einen Bienenwabe ähnelt“, sagt Georg Herdrich. Der Kollektor fange in den kleinen Löchlein Restluftpartikel auf, und diese wiederum würden „einem geeigneten Antrieb“ als Treibstoff zugeführt. „Der Treibstoff wird also unterwegs eingesammelt. Dadurch steigen diese Satelliten nicht mehr ab. Deshalb sind besondere Missionen zur Erdbeobachtung mit kleinen Satelliten und kleineren Kameras möglich, man spart also viel Geld“, sagt der Wissenschaftler. Sei ein Satellit kaputt, dann werde er abgeschaltet: „Er sinkt dann und verglüht beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Es entsteht kein Müll. Satelliten, die höher fliegen, bleiben 25 bis 100 Jahre lang als Schrott um Weltraum.“

Labormodell für einen realen Satelliten in circa sechs Jahren

Was in Vaihingen ersonnen worden sei, sagt Herdrich, könne man als „Labormodell“ bezeichnen: „Es hat bei der ESA Aufmerksamkeit erregt, und es wird Folgeprojekte finanzieren, mit dem Ziel, in fünf bis sechs Jahren einen solchen Satelliten zum Fliegen zu bringen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass alles klappt, aber es sieht positiv aus“, sagt Herdrich. Den neuen Antrieb patentieren zu lassen, hält er für sinnlos: „Das Konzept haben wir in wissenschaftlichen Publikationen kommuniziert, und auch durch die Initiative der ESA hat es Verbreitung gefunden.“