Sofia zu Gast in Stuttgart: Das Weltraum-Observatorium hat den einzigartigen Vorteil, dorthin fliegen zu können, wo etwas zu sehen ist.

Stuttgart - Manche nennen das Sofia-Flugzeug ein kaputtes Flugzeug. Natürlich nur im Scherz. Andere nennen es eine fliegende Flöte. Denn wie eine Flöte hat dieses Flugzeug ein Loch, über das der Fahrtwind streichen kann. Bei einer Flöte gäbe das einen Ton. Bei Sofia gibt die sechseinhalb mal viereinhalb Meter große Luke am Heck wissenschaftliche Aussichten, die sonst nicht möglich wären.

 

Wieso die Nasa und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) es sich fast eine Milliarde Dollar kosten ließen, in eine gebrauchte Boeing 747SP eine Luke zu schneiden, und was es mit dieser Luke auf sich hat, können demnächst Besucher in Köln und Stuttgart direkt am Objekt erfahren. Am 19. September, nach einem Tag Aufenthalt in Köln, landet das deutsch-amerikanische Gemeinschaftsflugzeug auf dem Stuttgarter Flughafen und bleibt drei Tage, an denen - nach Anmeldung - Besichtigungen möglich sind. Sofia wird übrigens auf dem Stuttgarter Flughafen keine Start-, Lande- und Parkgebühren bezahlen müssen. Der Flughafen ist Partner eines ungewöhnlichen und weltweit einmaligen Projekts der Forschung, dessen Kern das Sofia-Flugzeug ist.

Sofia, das ist die Abkürzung für Stratosphärenobservatorium für Infrarot-Astronomie. Das Flugzeug ist eine Sternwarte. Wenn sich die Luke in 14.000 Meter Höhe öffnet, zwei Kilometer oberhalb der normalen Luftfahrtrouten, dann schaut aus dem Rumpf der Maschine ein Teleskop mit einem 2,7 Meter weiten Spiegel in den Himmel. Es zeigt den Astronomen den Himmel etwas anders als ein optisches Teleskop. Denn das Sofia-Teleskop, das in Deutschland im Auftrag des DLR von den Firmen MT Aerospace AG und Kayser-Threde GmbH entwickelt und gebaut wurde, registriert Teile der Strahlung aus dem Weltraum, die auf der Erde nicht zu sehen sind, weil die Feuchtigkeit der Luft das verhindert. Es bildet einen weiten Bereich des Infrarotlichts ab, vom Rand des sichtbaren Lichts mit einer Wellenlänge von weniger als einem Tausendstel Millimeter bis zu Mikrowellen von einem Millimeter.

"Sternstunden des Universums"

Infrarotes Licht kann der Mensch nicht sehen, nur als Wärme fühlen, wie zum Beispiel von einer Glühlampe. Diese Wärmestrahlung ist allgegenwärtig im Weltraum, und sie kann im Unterschied zu sichtbarem Licht Staubwolken durchdringen. Das Zentrum der Milchstraße, der Galaxie, zu der Sonne und Erde gehören, müsste eigentlich als helle Sternansammlung am Himmel zu sehen sein. Doch dichte Staubwolken verhindern das. Im Infrarotlicht dagegen sind diese Wolken durchsichtig.

Hans-Peter Röser, der Leiter des Instituts für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart, möchte mit dem Flugzeug unter anderem "Sternstunden des Universums" erforschen. "Man hat schon so viele Sterne beim Sterben erlebt. Aber bisher hat noch niemand die Geburt eines Sterns gesehen", sagt er. "Man weiß nicht: dauert es eine Sekunde, eine Stunde oder Jahre?" Sofia könnte solch eine Geburt fotografieren. Denn Sterne werden in Staubwolken geboren, die sich zusammenballen, bis sie so dicht sind, dass ein atomares Feuer zündet und der Stern zu leuchten beginnt.

Dazu ist es allerdings nötig, dass das Teleskop sehr präzise Fotos von Vorgängen in großer Entfernung machen kann. Hans-Peter Röser erinnert daran, dass jedes Flugzeug schwingt und vibriert. Solche Vibrationen müssten eigentlich jedes Foto verwackeln. Nicht jedoch beim Sofia-Teleskop. Es ist in Öl gelagert und mit einer raffinierten Elektronik ausgestattet, die Vibrationen ausgleicht. Das Ergebnis beschrieb Röser vor gut einem Jahr bei der Leser-Uni der StZ mit einem plastischen Vergleich: "Wenn sie mit einem Porsche auf der Autobahn 250 Stundenkilometer fahren und mit einem Laserpointer ein Pfennigstück in 16 Kilometer Entfernung treffen, dann ist das die Genauigkeit, die gefordert ist." Diese Genauigkeit wird erreicht. Das haben die ersten Testflüge ergeben.

Sofia für flexible Einsätze

Zwar gibt es schon Satelliten, die mit Infrarotaugen ins All schauen. Doch keiner von ihnen hat einen so weiten Bereich der Infrarotstrahlung beobachten können. Zudem kann man einen Satelliten nach dem Start nur mit hohem Aufwand reparieren oder nachrüsten. Bei Sofia geht das nach jedem Flug. Und einen weiteren Vorteil des Flugzeug-Observatoriums haben bereits die ersten Testflüge gezeigt: Am 23. Juni, rund sieben Monate nach dem Jungfernflug, hat der Kleinplanet Pluto auf seiner Bahn für kurze Zeit einen fernen Stern verdeckt.

Der winzige Schatten Plutos raste mit 85.000 Stundenkilometern über den Pazifik - wo genau, war erst kurz vorher zu berechnen. Sofia war in der Luft, als sich herausstellte, dass der Schatten 200 Kilometer weiter nördlich die Erde treffen werde - und änderte die Flugbahn.

Einziges Problem: die neue Route musste von der Flugaufsicht genehmigt werden. Das dauerte zwanzig Minuten. Sofia schaffte es dennoch, fast im Zentrum des Schattens Aufnahmen zu machen.

Die Geschichte der fliegenden Sternwarte Sofia

Zentrale Hans-Peter Röser gehört zu denen, die das Sofia-Flugzeug gerne eine fliegende Flöte nennen. Er tut es mit einem liebevollen Unterton. Denn Röser gehört zu den Vätern des Sofia-Projekts. Ihm und seinen Mitarbeitern ist es zu verdanken, dass das Deutsche Sofia-Institut (DSI) seinen Sitz an der Universität Stuttgart hat.

Partner Stuttgart konnte damals im Wettbewerb mit Köln punkten, weil es, so Röser, eine breite Koalition von Unterstützern zusammenbrachte: die Universität mit sieben Instituten von der Luftfahrt über die Regelungstechnik bis zur Aero-Akustik; einen Flughafen, der sich gleich für zwanzig Jahre verpflichtete; die Politik in Person des Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Schuster und des damaligen Wissenschaftsministers Peter Frankenberg; das Planetarium und nicht zuletzt eine Reihe von Schulen, deren Schüler im Rahmen eines von Anfang an geplanten Bildungsprogramms Informationen über Sofia aus erster Hand bekommen werden - und die, wenn sie Glück haben, auch irgendwann einmal mitfliegen dürfen.