Das fliegende Stratosphären-Observatorium Sofia landet am 15. September auf dem Flughafen in Stuttgart. Wer eine Führung mitmacht, kann dann sehen, wie hiesige Wissenschaftler das Weltall erkunden.

Stuttgart - Sofia ist Altgriechisch und heißt Weisheit. In Stuttgart steht Sofia für Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie. Während die meisten Menschen den Blick ins All mit bloßem Auge oder bescheidenen Fernrohren erleben, blicken die Wissenschaftler des Deutschen Sofia-Instituts am Vaihinger Pfaffenwaldring und ihre Kollegen der US-Weltraumagentur Nasa mit einem 17 Tonnen schweren Teleskop in die Weiten des Universums. Das aus Deutschland stammende Teleskop hat einen Primärspiegel mit dem Durchmesser von 2,7 Metern.

 

Die Experten aus den USA und Vaihingen sammeln astronomische Infrarotdaten. Es darf aber kein Wasserdampf in der Luft sein, denn dieser würde die Infrarotstrahlen aus dem Universum absorbieren. Die Beobachtungen gelingen deshalb, weil die Wissenschaftler aus dem Teleskop ein Stratosphären-Observatorium gemacht haben: Das Teleskop ist in einem umgebauten Boeing-Flugzeug installiert, das es in mehr als zwölf Kilometer Höhe transportiert, wo es keinen Wasserdampf mehr gibt. Ein wesentlicher Bestandteil des Wunderwerks der Technik ist das abbildende Linienspektrometer vom Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) in Vaihingen.

Das erste Molekül nach dem Urknall entdeckt

Bald hat die Öffentlichkeit Gelegenheit, das Wunderwerk der Technik zu sehen. Das Sofia-Observatorium, das normalerweise im kalifornischen Palmdale bei Los Angeles startet und landet, ist am 16., 17. und 19. September auf dem Stuttgarter Flughafen zu Gast. An diesen Tagen ist es zugänglich. Am 18. September startet Sofia von Stuttgart aus zu einem Nachtflug über Europa. An großen Observatorien wie dem Extremely Large Telescope, das zurzeit mit starker europäischer Beteiligung in Chile gebaut wird, sind die Institute der Uni Stuttgart nicht beteiligt. „Wir haben ein kleineres Observatorium in Kalifornien, das wir von hier aus steuern können. Wenn wir Vorlesungen haben und das Teleskop nutzen, ist in Kalifornien Nacht“, sagt Antje Lischke-Weis vom Deutschen Sofia-Institut der Uni Stuttgart.

Die Vorteile des Flugzeugs als Transportmittel gegenüber einem Satelliten liegen für Antje Lischke-Weis auf der Hand: „Wir können mit Sofia in ein paar Jahren mit neuen Instrumenten starten, und man kann viele Systeme erst einmal daraufhin testen, ob sie für Satelliten taugen.“ Ein weiterer Nachteil des Satelliten: Wenn die Batterien leer sind, lässt sich das Observatorium nicht mehr steuern.

In der Welt der Wissenschaft hatte Sofia jüngst Furore gemacht: Im April fand sie das Heliumhydrid-Ion, das erste Molekül, aus dem nach dem Urknall alles entstanden ist. Seit rund 100 Jahren nahm man an, dass es dieses Molekül gegeben haben muss, aber bis April 2019 konnten es Wissenschaftler im Weltall nicht nachweisen, was dazu führte, dass Zweifel an allen chemischen Modellrechnungen keimte. „Mit der Sofia-Mission haben wir den Nachweis erbracht, dass sich dieses Molekül in planetarischen Nebeln bilden kann“, sagt Lischke-Weis. Auch Anke Pagels-Kerp, die Abteilungsleiterin für Extraterrestrik am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum ist begeistert: „Zurzeit gibt es kein anderes Teleskop, das in diesen Wellenlängen beobachten kann. Das macht diese Beobachtungsplattform noch für viele Jahre einzigartig.“

Ausgewählte Physiklehrer dürfen auf Forschungsflüge mit

Ein Glanzlicht für Astronomen ist es, bei einer Sofia-Mission dabei zu sein. Zweimal im Jahr darf ein auserwählter Kreis von jeweils vier Lehrern und Menschen, die Erkenntnisse der Astronomie weitervermitteln, von Palmdale aus in die Stratosphäre. Sie sollen durch das hautnahe Erleben ihre Schüler noch mehr für Naturwissenschaften begeistern. Das hat im Februar mit Margarita Riedel aus Weil der Stadt bestens geklappt. Die ehemalige Physiklehrerin ist Mitglied der örtlichen Johannes-Kepler-Gesellschaft und seit 2014 am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt. Sie ist von dem Flug begeistert. „Das waren einige der aufregendsten Tage in meinem Leben“, erzählt sie. Auf dem Flug beobachtete sie die Wissenschaftler und hörte mit, als sie die Ergebnisse der Infrarot-Astronomie diskutierten. So hat sie Einblicke in die Balkengalaxie M66 im Sternbild Löwe und in die grün schimmernden Erbsengalaxien erhalten. Die 56-Jährige, die Vorträge über Astronomie hält, hat nun ein neues Thema: die Sofia. „Natur, Wissenschaft und Technik zu erklären, das hat mich schon immer begeistert“, sagt sie.

2020 enden die Sofia-Verträge zwischen Nasa, DLR und Uni Stuttgart. „Ich bin mir relativ sicher, dass sie um fünf Jahre verlängert werden“, sagt Dörte Mehlert, die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit im Sofia-Institut. Dann greift man wohl weiterhin von den Fildern aus nach den Sternen.

Mitmachen und teilnehmen

Die fliegende Infrarot-Sternwarte Sofia landet am frühen Sonntagmorgen, 15. September, in Stuttgart und fliegt am Freitag, 20. September, nach Kalifornien zurück. Am 16., 17. und 19. September gibt es Führungen durch das fliegende Observatorium. Wer will, kann sich zu einer der insgesamt drei Führungen anmelden. Infos dazu gibt es bald auf der Homepage des Sofia-Instituts unter www.dsi.uni-stuttgart.de. Anlass des Besuchs ist die Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft „Mission to the Universe – From Earth to Planets, Stars & Galaxies“ mit 400 Forschern aus aller Welt an der Uni Stuttgart. Der erste Beobachtungsflug Sofias über Europa soll in der Nacht vom 18. September sein.

Am 19. September, 20 Uhr, spricht Harald Yorke im Hospitalhof Stuttgart über Entdeckungen und ihre Bedeutung fürs Verständnis des Kosmos. Sein Vortrag heißt „Blick ins versteckte Universum – Highlights der fliegenden Sternwarte Sofia“.