Die Bauingenieurin Kathrin Haas arbeitet noch bis Ende des Jahres auf der S 21-Baustelle in Wendlingen. Die Zeiten, in denen in diesem Beruf kaum Frauen zu finden waren, sind längst vorbei.

Wendlingen - Knöcheltief steht sie im schlammig-grauen Wasser, auf dem Kopf einen Helm und um die Schultern eine neonfarbene Warnweste. Die Bauingenieurin Kathrin Haas arbeitet für die Schweizer Firma Implenia inzwischen seit mehr als drei Jahren auf der S 21-Baustelle neben der A8 bei Wendlingen. Allein unter Männern sei sie dabei keineswegs. „Es ist kein klassischer Männerberuf mehr“, betont die 31-Jährige.

 

Das war nicht immer so. Einst war es lediglich den Patinnen der Tunnel als Vertreterinnen der Heiligen Barbara während des Baus gestattet, die Baustellen zu betreten. Auch die Röhre in Wendlingen hat eine Patin, die Ehefrau des Wendlinger Bürgermeisters Steffen Weigel, Esther Müllerschön. Wenn Müllerschön als Vertreterin der Heiligen Barbara auf die Baustelle kommt, ist sie inzwischen längst nicht mehr die einzige Frau im Tunnel.

Rund 20 Mitarbeiter hören auf ihre Anleitungen

Während die Patin nur gelegentlich vorbeikommt, ist Kathrin Haas ständig auf der Baustelle unterwegs. Und sie habe viele Kolleginnen, berichtet sie. Zu Haas Aufgaben zählt es, die Vorarbeiter, die Meister und die Poliere anzuweisen und deren Arbeit zu kontrollieren, sie bestellt Baumaterial, arbeitet mal am Computer, mal zwischen lauten Maschinen im Tunnel. Rund 20 Mitarbeiter hören auf ihre Anleitungen. Nach neun Tagen Arbeit hat sie fünf Tage frei. Diesen Rhythmus teilt sie mit ihrem Freund, der ebenfalls Bauingenieur auf einer anderen Baustelle ist.

Dass sie einmal im Tunnelbau arbeiten würde, das habe sich erst spät ergeben, berichtet die Österreicherin. Zunächst habe sie zum Ende ihrer Schulzeit in Graz den Wunsch gehabt, für ein technisches Studium nach Wien zu gehen. An der Universität für Bodenkultur habe sie sich schließlich für den Studiengang Kulturtechnik und Wasserwirtschaft eingeschrieben. „Die Möglichkeiten damit sind unheimlich groß.“ Das wusste sie bereits zum Beginn des Studiums. Allerdings sei der Anfang des Ingenieurstudiums schwer gewesen. „Das erste Semester war eine Katastrophe“, erinnert sie sich heute mit einem Lachen an diese Zeit zurück. Geschafft hat sie die Prüfungen trotzdem.

Bereits während des Studiums hat Haas damit begonnen, für ein Planungsbüro zu arbeiten. Dass ihr die reine Büroarbeit nicht liegt, hat sie aber schnell gemerkt. „Es ist schwer, Sachen zu planen, die man noch nie gesehen hat“, erklärt sie. Das ist in Wendlingen anders. Hier sieht die Ingenieurin jeden Tag das Ergebnis ihrer Arbeit. Ein besonders beeindruckender Moment sei es beispielsweise gewesen, als die Bohrmaschinen den kompletten Tunneldurchbruch geschafft hatten.

Ein Arbeitsplatz fern der Heimat

Dass der Job auch seine Schattenseiten hat, daraus macht die Fachfrau keinen Hehl. Sie arbeitet rund 600 Kilometer von ihrer Heimat entfernt. Und die nächste Baustelle wird voraussichtlich auch nicht vor der Haustüre in Graz liegen. Auch Schmutz und das ständige Arbeiten im Freien gehört zum Alltag.

Inzwischen sind die Tunnel beinahe fertig. Derzeit geht es darum, den Boden für die Gleise herzustellen. Kathrin Haas wird voraussichtlich noch bis Jahresende auf der Baustelle arbeiten. Wohin es danach geht, steht noch nicht fest. Dass sie erneut auf einer Baustelle arbeiten wird, darin ist sich die junge Frau aber fast sicher. „Bisher habe ich mich immer für die Baustelle entschieden“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln.