Eine italienische Agenturmeldung über spanische Subventionen für eine Werksverlagerung aus Ulm versetzt Ulmer Beschäftigte und Politiker in Alarmstimmung.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Der europäische Fiskalpakt ist am Mittwoch Thema im Bundestag gewesen. Die Rede Gregor Gysis, Bundesfraktionschef der Linken, ließ vor allem in Baden-Württemberg aufhorchen. Wie berichtet, plant der Iveco-Mutterkonzern Fiat bis September die Verlagerung der Lkw-Produktion von Ulm nach Madrid, um den Einbrüchen durch das schleppende Geschäft in Südeuropa zu begegnen.

 

Bei ihm sei nun der Iveco-Betriebsratsvorsitzende Bernhard Maurer gewesen, so Redner Gysi, habe ihn über die drohende Entlassung von 670 Beschäftigten und 100  Azubis unterrichtet und über einen Steuerhandel zwischen Fiat und der spanischen Regierung gleich mit. „Dafür kriegen sie 500 Millionen Euro“, so Gysi, der dem Parlament auch gleich seine Meinung zu all dem sagte: „Wir zahlen Geld, um den Rettungsschirm aufzustocken, das sind Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger. Spanien sagt, es ist pleite (. . .) Und dann bezahlen die 500 Millionen Euro, um hier 670 Arbeitsplätze und 100 Azubistellen abzubauen. Das ist doch wohl nicht zu fassen.“

Italienische Agentur nennt keine Quelle

Wenn es tatsächlich so käme, würde Gysi wohl niemand widersprechen wollen. Doch es gibt Ungereimtheiten. Die Empörung unter den Ulmer Iveco-Beschäftigten, die mit Hilfe der IG Metall vehement um den Erhalt der Ulmer Lkw-Produktion, wenigstens aber um die Verschiebung des Schließungstermins kämpfen, ist durch eine Meldung der italienischen Nachrichtenagentur ANSA aufgeflammt, die in italienischer und englischer Sprache verbreitet wurde. ANSA schreibt in dieser Abendmeldung vom 14. Juni, Iveco werde in Spanien 1,5 Milliarden Euro investieren. „Die spanische Regierung wird das Vorhaben mit Steuererleichterungen und Anreizen im Wert von 500 Millionen Euro unterstützen“, heißt es außerdem.

Die Agenturmeldung bezieht sich auf ein Treffen des Vorstandsvorsitzenden von Fiat Industrial, Sergio Marchionne, mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy am 14. Juni. Darüber informierte einen Tag später auch die Madrider Iveco-Niederlassung selbst per Pressemitteilung. Hier ist allerdings nur davon die Rede, dass Rajoy „weitgehendste Unterstützung des Geschäftsplans von Iveco zugesichert“ habe. Und: „Die schon zwischen Iveco und den Ministerien von Industrie, Energie und Tourismus sowie von Wirtschaft und Entwicklung erzielten Einvernehmen“ seien „bestätigt“ worden.

„Nur“ 35 Millionen Euro für Ulm

Die Investitionssumme von 1,5 Milliarden Euro innerhalb von drei Jahren solle in den Aufbau eines Forschungs- und Entwicklungszentrums in der Region Madrid, in die Entwicklung und Produktion neuer Lkw-Modelle und die Personalausbildung fließen, so Iveco in Spanien. Zum Vergleich: in den Aufbau eines Brandschutzzentrums an der Donau – in Ulm werden noch Magirus-Feuerwehrfahrzeuge gebaut – will der Konzern 35 Millionen Euro stecken.

Schon vor Gysi wusste der Ulmer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Rivoir von den Subventionsgerüchten, er verweist auf die Rechtslage: „Das geht gar nicht, dass der spanische Staat da 500 Millionen Euro zuschießt.“ So sieht das auch das baden-württembergische Wirtschaftsministerium, das sich ebenfalls mit dem Fall beschäftigt. Rivoir wurde aus Stuttgart schriftlich mitgeteilt, „dass wir beihilfenkontrollpolitisch das Werk in Madrid im Fokus haben. Und falls die Kommission in Brüssel nicht von sich aus reagieren wird, wir ggf. den Anstoß zu einer Überprüfung geben werden, falls sich der Verdacht einer unzulässigen Subventionierung erhärten würde“. Eine Millionensubvention, so das Ministerium, sei nur mit einer Notifizierung bei der EU-Kommission denkbar, doch diese werde es „unseres Erachtens nur schwerlich“ geben. Das Beihilfenkontrollreferat des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft sei informiert worden. Der Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) hatte Ende Mai einen runden Tisch mit Gewerkschaftern, Betriebsräten und Bürgermeistern in seinem Ministerium zusammengebracht.

Deutsche Pressestelle ahnungslos

Wie nebensächlich der Standort Ulm für Fiat bereits zu sein scheint, zeigt eine Anfrage bei der deutschen Pressestelle in Unterschleißheim. Zu der Empörung im Land, die bis in den Bundestag schwappte, ist lediglich eine Kurznotiz der Mailänder Zentrale zur Hand. Es gebe keine offiziellen Statements der spanischen Regierung, heißt es darin auf Englisch. Bestätigt werden könne nur eine Aussage des Generalsekretärs des spanischen Industrieministeriums, Luis Valero. Inhalt: das Iveco-Investment in Spanien sei „very important“.