Das White Noise in Stuttgart-Mitte will die Zustände in der Unterführung zur Haltestelle Rathaus nicht länger hinnehmen. Auf große Hilfe städtischerseits kann der Club aktuell aber nicht hoffen.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

S-Mitte - „Gerade eben hat hier schon wieder jemand an unsere Scheibe gepinkelt“, sagt Ninette Sander. Es ist helllichter Tag. Laufend verrichteten hier, vor dem Club White Noise am der Eberhardstraße, den Sander betreibt, Menschen ihre Notdurft. Permanent, zu jeder Tages- und Nachtzeit.

 

Seit etwa einer Woche versucht sich der Club in der Passage der Stadtbahnhaltestelle Rathaus mit einem Kunstwerk zu wehren. „Wer hier pisst, stirbt“, steht da. Erhalten hatten es die Clubbetreiber bei einer Fotoausstellung des Künstlers Sebastian Rey im Juli 2015. An diesem Mittag hat der Schriftzug seine abschreckende Wirkung offenbar verfehlt.

Wie auch andere Versuche, die Wildpinkler fernzuhalten. „Wir hatten es mal mit einer Lichtschranke versucht“, sagt Sander. Dennoch müssten sie und ihr Personal auch nach der Installation täglich zu Gießkanne und Chlor greifen, um Flüssigkeiten und Gerüche halbwegs aus der Passage zu verbannen.

Unterschriftensammlung brachte nichts

„Ganz ist das leider nicht möglich“, sagt Sander, „der Gestank weht durch die ganze Passage.“ Daran stört sich nicht nur sie. Auch ein Kioskbetreiber Idris Aksu nebenan beklagt die Lage. Jeden Morgen sei er mit Putzen beschäftigt, Urin sei noch das Harmloseste: „Es werden auch immer mehr Spritzen von Drogensüchtigen.“

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte Aksu versucht, die Stadt mit einer Unterschriftensammlung dazu zu bewegen, zumindest öfter als nur ein Mal wöchentlich mit dem Dampfstrahler durch die Unterführung zu gehen. „Geschehen ist aber nichts“, sagt Aksu. Die Stadt würde den Anrainern in der Passage die Verantwortung zuschieben, für die Sauberhaltung zuständig zu sein.

Zuständig dafür, an den Zuständen etwas zu verändern, fühlt sich aber auch Ninette Sander vom White Noise nicht. So hat sie mit dem Mann, der vor ihren Augen an die Scheibe uriniert haben soll, auch nicht die Konfrontation gesucht und ihn einfach machen lassen. „Das ist zu 95 Prozent eine schwierige Klientel aus der Vesperkirche“, sagt sie. Sozial Schwache, die sich üblicherweise am anderen Ausgang der Passage um die Leonhardskirche aufhalten, aber auch Junkies. Der Rest der Wildpinkler sei vor allem Partyvolk.

AWS fühlt sich nicht zuständig

Könnte womöglich ein Klohäuschen Abhilfe schaffen? Sander und Aksu bezweifeln das. „Eine solche Einrichtung würde wahrscheinlich kaum genutzt werden“, glaubt Aksu.

Die Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) sagt, dass die Mieter dafür zuständig seien, die Passage sauber zu halten. Die Flächen würden nicht im Verantwortungsbereich der städtischen Tochtergesellschaft liegen.

Auch beim Ordnungsamt ist das Problem bekannt. „Wenn jemand die Unterführung als Urinal nutzt, verhängen wir ein Bußgeld über 35 Euro“, sagt Hansjörg Longin, Leiter des städtischen Vollzugsdiensts. Eine lückenlose Überwachung sei allerdings nicht möglich.

Für Idris Aksu vom Kiosk sind das keine befriedigenden Antworten. Besondere Sorgen macht ihm der Sommer. „Jetzt geht es mit dem Gestank ja noch. Aber wenn es heiß wird, halten sich hier alle von einem Eingang der Unterführung bis zum anderen die Nase zu.“