Was macht das Stuttgarter Plattenlabel Chimperator nach Cro? Musik für Großstadtträumer, zum Beispiel aus der Feder von Tua von den Orsons, dessen Album bald erscheinen soll. Dazu bringt Chimperator Live die Pop-Neuentdeckung des Jahres auf die Bühne.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Als vor wenigen Wochen bekannt wurde, dass Cro, der Erfolgs-Rapper mit der Panda-Maske, und seine Stuttgarter Plattenfirma Chimperator getrennte Wege gehen, kam diese Nachricht nur für Außenstehende überraschend. „Wir wussten seit einer Weile, dass wir uns trennen werden, deshalb konnten wir uns auf diesen Schritt gut vorbereiten“, erklärt Sebastian Schweizer.

 

Schweizer hatte das Label 1999 mit Christian Schädle und Steffen Wendelstein gegründet, die nicht mehr an Bord waren, als mit Cro 2012 der große Erfolg in Form von Nummer-1-Alben und ausverkauften Hallen kam.

Cro veröffentlich demnächst mit seinem neuem Label Truworks bei Universal

Am Donnerstag wurde bekannt, dass Carlo Waibel alias Cro, der inzwischen von seinem Bruder Benno gemanagt wird, mit seinem neuen, eigenen Label Truworks beim Platten-Riesen Universal andockt. Außerdem wurde verkündet, dass in den nächsten Monaten neue Musik von Cro erscheinen werde.

Sebastian Schweizer wirkt nach dem Ende der erfolgreichen Geschäftsehe tiefenentspannt. „Das ist wie in einer Beziehung: Nach einer Trennung ist man befreit und kann sich Neuem zuwenden“, sagt Schweizer, der seit zehn Jahren das Chimperator-Büro in Berlin leitet.

Lässt sich ein Phänomen wie Cro wiederholen?

„Bei einem Künstler wie Cro bläht sich die Größe der Firma natürlich auf. Wir haben die sich abzeichnende Trennung dafür genutzt, uns gesundzuschrumpfen. Die Miete können wir noch zahlen“, so Schweizer mit schwäbischem Understatement.

Ist ein Erfolg wie der von Cro wiederholbar? Einerseits ja, sagt Schweizer, und verweist auf den Künstler Moii, den man seit kurzem unter Vertrag habe und der beinahe so eingängig wie Cro klingt. Auf der anderen Seite sei ein Phänomen wie Cro etwas, das nur alle zehn Jahre passiere.

Alle warten auf das neue Album von Tua

Eine wichtige Rolle für die Zeit nach Cro spielt der in Reutlingen geborene Künstler Johannes Bruhns alias Tua, ein Viertel der Band Die Orsons. Nicht nur Max Herre hält Tua für einen der größten Genre-Künstler seiner Generation. Der 32-Jährige versöhnt Jazz, Soul und elektronische Klänge miteinander, das Ganze produziert mit einer Straßenrap-Attitüde. Tuas nächstes Werk soll bald erscheinen, wann genau, will Schweizer noch nicht verraten, nur so viel: „Das Album ist weit links von Rap.“

Für gewöhnlich gut unterrichtete Kreise behaupten außerdem, dass im kommenden Jahr ein neues Orsons-Album erscheint. Auch das will Schweizer nicht bestätigen, sagt aber, dass die Hoffnung bestünde, mit dem nächsten Album der Beatles des deutschen Hip-Hops auch den nächsten, kommerziell noch erfolgreicheren Schritt zu gehen. Und dann muss man bei der Marke Chimperator ja nicht nur auf das Plattenlabel schauen, sondern auch auf die Booking-Agentur Chimperator Live, die allerlei bemerkenswerte Künstler auf Tour schickt. Zum Beispiel die Band des Stuttgarters Florian König, der für Cro und Lena Meyer-Landrut Schlagzeug spielt. Das interessiert hier aber nur am Rande, denn seine Band Ooi, ausgesprochen Owi, gehört zu den Pop-Neuentdeckungen des Jahres, live zu hören am 20. September im Privatclub in Berlin.

Chimperator Live bringt die fantastische Band Ooi auf die Bühne

Was König und seine beiden Mitstreiter Nicolai Zettl (Gesang) und Dodo Dal Bosco (Keyboard) produzieren, passt in keine Schublade. Ihr psychedelischer Elektro-Pop klingt ein wenig wie Metronomy und macht ungeheuer Lust darauf, mit einem Cabrio an der Côte d’Azur entlangzufahren.

Im Winter soll in einem leer stehenden Hotel ein Album entstehen

Dabei ist die Entstehungsgeschichte der Band beinahe genauso spannend wie die Musik selbst. Kennen gelernt haben sich die drei im Internet, nicht bei Tinder, sondern in einem Forum für Musiknerds. König wollte einen Synthesizer verkaufen, Dal Bosco schrieb ihm aus Italien eine Nachricht, man tauschte Songs aus und produzierte über das Netz gemeinsam Musik. Schließlich schickte Zettl aus Tokio ungefragt den passenden Gesang zum Instrumental. So werden heute Bands gegründet.

Vor wenigen Wochen haben sich die drei erstmals im echten Leben getroffen. Die gute Nachricht: Das Trio hat den Realitätscheck überstanden. Gemeinsam werden sie den Winter in einem leer stehenden Hotel an der Küste Spaniens verbringen, um ein Album zu erarbeiten, das 2019 erscheinen soll. Wer so lange nicht warten kann: Ooi veröffentlichen jeden Monat ein neues Stück. „Immer an Vollmond. Das passt thematisch am besten zu unseren Liedern“, erklärt Flo König. Bezaubernd weiche Musik für Großstadtträumer, die sich nach den Mondphasen richtet: Die Welt scheint doch noch nicht ganz verloren zu sein.

Multimedia Reportage
Mehr zur Geschichte von Chimperator und Hip-Hop aus Stuttgart erzählt unsere Multimedia Reportage „Willkommen in der Mutterstadt“. Am Donnerstag, 20. September, wird ein kurzer Film, der auf der Reportage basiert, um 21 Uhr von der Initiative Stadtlücken unter der Paulinenbrücke gezeigt.