Ein Gesetzentwurf soll die Bildung zu hoher Rücklagen in Krankenkassen verhindern, überschüssige Einnahmen sollen abgebaut werden. Sonst droht die Rückzahlung an den Gesundheitsfonds.

Berlin - Der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Krankenkassen per Gesetz dazu bringen, ihre Beiträge zu senken. Sein Haus hat am Freitag den anderen Ressorts einen Gesetzentwurf zur Abstimmung präsentiert, der unserer Zeitung vorliegt.

 

Ausgangspunkt des Vorhabens ist die vorläufige Jahresbilanz der gesetzlichen Kassen für 2017. Danach könnten die Krankenkassen ihre Beiträge um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte senken und hätten trotzdem noch das Vierfache einer Monatsausgabe und damit das Vierfache der bisher vorgeschriebenen Rücklage in Reserve. Diese 0,3 Prozent entsprächen rund 80 Euro pro Kassenmitglied – rund 4,4 Milliarden Euro.

Arbeitgeber beteiligen sich wieder zur Hälfte am Zusatzbeitrag

Spahns Gesetzentwurf legt nun fest, dass die Finanzreserven einer Krankenkasse künftig das Volumen einer Monatsausgabe nicht mehr überschreiten dürfen. Die überschüssigen Einnahmen durch Beiträge müssen dann über drei Jahre abgetragen werden. Kassen, die über eine höhere Reserve als eine Monatsausgabe verfügen, dürfen ihren Zusatzbeiträge nicht mehr anheben. Werden die Reserven nicht rechtzeitig abgebaut, müssen die Beiträge an den Gesundheitsfonds abgeführt werden.

Spahns Gesetzentwurf setzt zudem zwei zentrale Vereinbarungen des Koalitionsvertrags um: der Zusatzbeitrag soll ab 2019 wieder je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt werden. Zudem wird der Mindestbeitrag für Klein-Selbstständige auf dann 171 Euro monatlich halbiert. Ein dritter Punkt betrifft die betriebsinternen Altersrückstellungen der Kassen. Hier soll die Höchstgrenze für den Aktienanteil an Anlagen von zehn auf 20 Prozent erhöht werden.

Politik und Kassen reagieren verhalten auf Spahns Gesetzentwurf

In der Politik und bei den Krankenkassen sind Spahns Pläne sehr verhalten aufgenommen worden. So lobte Karin Maag, die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, die Rückkehr zur Parität und die Senkung der Selbstständigen-Beiträge. Allerdings sagt sie auch: „Wichtig ist mir, das wir nicht diejenigen Kassen bestrafen, die wirtschaftlich umsichtig und im Sinne ihrer Versicherten agiert haben.“ Dahinter steckt auch die Sorge, dass der Spahn-Entwurf die Kassen in einen Preiswettbewerb drängt, den einige von ihnen nicht überstehen könnten.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich nennt das Beispiel der AOK Sachsen-Anhalt. „Wenn die ihren Beitrag nun massiv senken, können kleinere Kassen nicht mehr mithalten. Das Ergebnis kann eine Konzentration sein, die in manchen Regionen in Richtung Einheitskasse geht.“ Hennrich regt an, die Beitragsreform mit einer anderen Reform zu verknüpfen, die bald ansteht: der Reform des sogenannten Risiko-Strukturausgleichs. Der soll durch geografische Lage und unterschiedlichen Zusammensetzung der Versicherten-Gruppe bedingte Mehrbelastungen gerecht ausgleichen. Der Mechanismus erzeugt aber eine Reihe neuer Ungerechtigkeiten. „Wenn wir das nicht verzahnen, werden die Unwuchten im System nur größer“, kritisiert Hennrich.

Auch Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, will diese Themen „im Zusammenhang klären“. Sie befürchtet negative Folgen für Regionen mit weniger dichter medizinischer Versorgung. Sie hätte es lieber gesehen, wenn Spahn „ein Gesamttableau“ vorgelegt hätte , das auch kommende Belastungen, wie die Mehrkosten durch Pflegeausgaben berücksichtig hätte.

AOK Baden-Württemberg sieht „ein wichtiges Signal“

Zurückhaltend reagierten auch die Kassen. Die AOK Baden-Württemberg vertrete ohnehin die Auffassung, „dass Krankenkassen keine Sparkassen sind“, sagte Vorstandsvorsitzende Christopher Hermann unserer Zeitung. Die Absicht des Ministers, überhöhte Finanzreserven abzuschmelzen, gebe deshalb „ein wichtiges Signal“.

Andreas Storm, Vorstandschef der DAK, begrüßte die Rückkehr zur Parität bei den Zusatzbeiträgen. Er kritisierte, dass der Minister zu Beitragssenkungen dränge, „ohne die erheblichen Mehrausgaben zu benennen, die noch durch Maßnahmen des Gesetzgebers auf die die gesetzlichen Kassen zukommen werden“. Auch Storm bemängelte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass Minister Spahn das Thema Beitragshöhe aufgreift, „bevor Aussagen zur Neuregelung des RSA vorliegen“.

Gesundheitsminister Spahn will das Tempo hochhalten. Noch vor der Sommerpause soll der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht werden.