Innenminister Horst Seehofer will die Islamkonferenz wiederbeleben. Konservative Muslimverbände sollen aber nicht allein das Sagen haben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart, und er ist Teil unserer Zukunft; Muslime sind in Deutschland willkommen.“ Vor zwölf Jahren waren solche Worte spektakulär. Der konservative Christdemokrat Wolfgang Schäuble, damals Bundesinnenminister, hat mit diesem Bekenntnis am 28. September 2006 vor dem Deutschen Bundestag erklärt, warum er es für notwendig hielt, eine Islamkonferenz ins Leben zu rufen. Vier Jahre vor dem Bundespräsidenten Christian Wulff prägte Schäuble die noch immer umstrittene Formel, wonach der Islam zu Deutschland gehöre. Sein Amtsnachfolger Horst Seehofer (CSU) ist da anderer Ansicht, will den Dialog mit den Muslimen trotz allem aber neu beginnen. Die nächste Runde der Islamkonferenz ist für Ende November geplant, so das Ministerium auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung.

 

Was ist die Islamkonferenz?

Die Premiere war an einem exklusiven Ort. Innenminister Schäuble hatte prominente Muslime und Vertreter islamischer Verbände ins Schloss Charlottenburg eingeladen, um über Wege zu einer besseren Integration zu diskutieren. Unter diesen hat es damals gleich „ordentlich geknirscht“, wie Teilnehmer berichteten. Man fasste auf Vorschlag Schäubles prompt einen Beschluss: nämlich gemeinsam in die Oper zu gehen, um Mozarts „Idomeneo“ zu hören – eine Art Bekenntnis zur Begleitmusik deutscher Leitkultur. Nach drei Jahren hat die Konferenz die erste umfassende Studie zum „Muslimischen Leben in Deutschland“ herausgebracht. Seinerzeit ging es um 3,5 Millionen deutsche Muslime, inzwischen sind es 4,5 Millionen. Unter Schäubles Amtsnachfolgern Thomas de Maizière (CDU) und Hans-Peter Friedrich (CSU) wurde der Dialog zunehmend schwieriger. Friedrich hatte gleich an seinem ersten Arbeitstag als Minister erklärt, dass der Islam für ihn nicht zu Deutschland gehöre. Unter de Maizière verschob sich der Fokus der Debatten auf Sicherheitsfragen.

Wer diskutiert mit?

Beim Debüt in der Orangerie des Charlottenburger Schlosses 2006 saßen sich 15 Vertreter von Ministerien, der Bundesländer und der kommunalen Spitzenverbände sowie fünf Repräsentanten islamischer Verbände und weitere zehn unorganisierte Muslime gegenüber. Unter den Verbandsfunktionären waren einige anwesend, die der Islamexperte Bassam Tibi vorab als „integrationsunwillig“ bezeichnet hat. Zu den unorthodoxen Muslimen in der Runde zählten streitbare Persönlichkeiten, zum Beispiel die Frauenrechtlerin Necla Kelek und die Anwältin Seyran Ates, die in Berlin mittlerweile eine liberale Moschee gegründet hat. Die konservativen Verbände vergraulten solche unliebsamen Glaubensgenossen nach und nach.

Auch untereinander herrschte aber kein Einvernehmen. De Maizière schloss den Islamrat von der Konferenz aus, weil zu dessen Mitgliedern die vom Verfassungsschutz beobachtete türkische Gemeinschaft Milli Görüs zählt. Später boykottierte auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland zeitweilig den Dialog. Vier Verbände schlossen sich zu einem Koordinationsrat der Muslime zusammen. Sie vertreten nur eine Minderheit der Islamgläubigen.

Wie sieht die bisherige Bilanz aus?

Die Islamkonferenz hat viel Papier produziert, serienweise Studien in Auftrag gegeben und ganze Stapel von Erklärungen verabschiedet, die meist aber sehr vage blieben. Noch unter Schäuble wurden 2008 Eckpunkte für den islamischen Religionsunterricht beschlossen. Später habe die Islamkonferenz „sich in der Bedeutungslosigkeit aufgelöst“, kritisiert der Heilbronner Abgeordnete Josip Juratovic, Integrationsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion. Der Dialog mit den Muslimen sei „in wesentlichen Fragen auf dem Holzweg gelandet“, bilanziert Filiz Polat, die Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen-Fraktion.

Worum soll es künftig gehen?

Seehofer will zu verschiedenen Themen unterschiedliche Gesprächspartner bitten und Einladungen nicht mehr exklusiv an die Islamverbände verschicken. Was die Agenda angeht, so will der Heidelberger CDU-Abgeordnete Stephan Harbarth, als Fraktionsvize für Integrationspolitik zuständig, auf jeden Fall die Rolle der Muslime mit Blick auf den wachsenden Antisemitismus thematisieren. Der Antisemitismus sei „durch die Zuwanderung aus dem arabischen Kulturraum erstarkt“. Die Grünen-Politikerin Polat will über die Imam-Ausbildung in Deutschland reden. Sie sei „ein wesentlicher Baustein für eine von den Herkunftsstaaten unabhängige Religionsausübung“. Langfristig sei die Anerkennung islamischer Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts anzustreben.

Die Islamkonferenz müsse sich um „die wirklichen Probleme der Muslime in und mit unserer freiheitlichen Gesellschaft“ kümmern, fordert die liberale Islamkritikerin Necla Kelek. Als Beispiele nennt sie die Gleichberechtigung von Mann und Frau, patriarchale Familienstrukturen, den islamistischen Extremismus und andere Reizthemen. Dazu zählen auch Verhüllungsvorschriften für Mädchen im Grundschulalter und die Abhängigkeit vieler Moscheegemeinden von fremden Regierungen. Das Innenministerium arbeitet nach eigener Auskunft noch an der Tagesordnung.