Die Wildsauen vermehren sich enorm. Auch wegen der neuen Schweinepest sind Lösungen gefragt.

Rems-Murr-Kreis - Wie viele Wildschweine durch die heimischen Wälder streifen, das kann keiner genau sagen. Aber es gibt Zahlen, die verdeutlichen, wie stark die Population gewachsen ist: Laut dem Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg hat sich die Zahl der erlegten Wildschweine innerhalb der letzten 60 Jahre etwa verhundertfacht, im Jagdjahr 2015/2016 wurden im Land 67 549 Tiere geschossen.

 

Warum gibt es so viele Wildschweine?

Es gibt gleich mehrere Faktoren für die rasant ansteigende Schwarzwildpopulation. Ein Hauptgrund sind die milden Winter, in denen selbst die schwächsten Tiere überleben. Natürliche Feinde hat das Schwarzwild keine, zudem hat sich die Wildart Lebensräume zurückerobert, in denen sie früher nahezu ausgerottet war. Aufgrund der Witterung finden die Allesfresser fast immer Futter. Auch außerhalb des Waldes ist der Tisch reich gedeckt, durch hohe Subventionen hat der Maisanbau – vor allem für Biogasanlagen – stark zugenommen. An die Menschen haben sich die Wildschweine gewöhnt, wie Berichte von Sauen in Vorgärten und in der Nähe von Supermärkten zeigen. „Das sind klassische Kulturfolger“, erzählt Werner Groß, der Leiter des Hegerings Schorndorf. Durch die gute Futtersituation werden die Bachen schneller geschlechtsreif, zudem bekommen sie mittlerweile nicht nur einmal, sondern bis zu viermal im Jahr Nachwuchs. Werner Groß kritisiert auch, dass das Erlegen der Leitbache kein Straftatbestand mehr ist: „Wenn das passiert, wird die Struktur der Rotte zerstört und der Eber paart sich dann auch mit jüngeren Bachen.“

Was macht die Jagd so schwierig?

Wildschweine sind nachtaktiv und im dunklen Dickicht schwer zu finden. Die Jagd ist daher eigentlich nur in klaren Mondnächten möglich, „aber sobald es hell ist, sind die Tiere vorsichtiger“, sagt Werner Groß. Denn das Schwarzwild ist alles andere als saudumm und hat dazu noch ein hervorragendes Riechorgan: „Die erfahrene Bache läuft einmal schnuppernd um den Jäger auf dem Hochsitz – und schon ist die ganze Rotte weg“, erzählt Jagdpächter Markus Seibold. Selbst mit Drückjagden sind die Tiere schwer zu bekommen – „sie bleiben oft regungslos liegen, da muss man schon fast drauftreten, um die Tiere zu finden“, sagt Werner Groß. Hilfreich seien da Stellen, an denen Mais als Lockmittel ausliegt. Aber mittlerweile sind nur noch zwei solcher sogenannten Kirrungen pro Jagdbezirk erlaubt. Nach dem neuen Wildtiermanagementgesetz ist die Jagd im März und April zudem verboten, „dabei war das die beste Zeit.“

Welche Gefahr stellt die afrikanische Schweinepest dar?

Die ersten Fälle der Tierseuche wurden vor vier Jahren bei Wildschweinen in Osteuropa festgestellt, auch Hausschweine waren betroffen. Auf den Menschen kann das Virus nicht übertragen werden, Gegenmittel gibt es keine. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt rund 4100 Fälle verzeichnet. Die afrikanische Schweinepest kommt Deutschland immer näher, die jüngsten Infektionen wurden aus der Nähe von Prag gemeldet. Sollte es hierzulande zum Ausbruch kommen, rechnet das Bundeslandwirtschaftsministerium mit Schäden in Milliardenhöhe. Die Seuche wird durch den direkten Kontakt, aber auch über Fahrzeuge, Jagdausrüstung oder weggeworfene Speisereste übertragen. In den betroffenen Ländern werden Wildschweine gezielt gejagt, bisher konnte die Seuche aber nicht gestoppt werden. Experten gehen davon aus, dass die Wildschweinpopulation massiv reduziert werden muss, um die Ausbreitung der Seuche zu verhindern.

Wie könnte die Jagdsituation verbessert werden?

Als Reaktion auf die Ausbreitung der Schweinepest ist in Baden-Württemberg der Einsatz von künstlichen Lichtquellen – etwa Taschenlampen – erlaubt. „Allerdings muss ich diese in der einen Hand halten, und in der anderen Hand das Gewehr – das funktioniert nicht“, sagt Werner Groß. Er würde es dagegen begrüßen, wenn der Einsatz von Nachtzielgeräten erlaubt werden würde. „Das kann auch nur eine temporäre Erlaubnis sein. Nachtzielgeräte sind auch viel tierschutzgerechter, weil wir besser sehen könnten, auf was wir schießen“, erläutert Groß.

Allerdings haben sich der Landesjagdverband (LJV) und der deutsche Jagdverband noch nicht abschließend positioniert. In einer Mitteilung des LJV heißt es, dass diese Technik auch nur ein Baustein sein kann – darüber hinaus werden eine Aufhebung der Jagdruhezeit im März und April sowie Prämien für die Erlegung von Frischlingen gefordert.