Der CDU-Mann ist neuer Präsident des Oberrheinrates. Nur bis zu seiner Verurteilung, sagen die Grünen. Noch immer ermittelt der Staatsanwalt wegen des EnBW-Deals.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Hauptbotschaft stand gleich in der Überschrift. „Ich greife wieder an“, verkündete Willi Stächele (CDU) unlängst im Gespräch mit seiner Heimatzeitung. Nach der Abwahl als baden-württembergischer Finanzminister und dem Rücktritt als Landtagspräsident war er fast ein Jahr lang in der Deckung geblieben. Nur bei seinem Auftritt im März vor dem EnBW-Untersuchungsausschuss stand er noch einmal im Rampenlicht. „Das habe ich jetzt alles hinter mir gelassen“, frohlockte Stächele laut „Mittelbadischer Presse“. „Ich bin ein Homo politicus und von der Rente weit entfernt.“

 

Beruflich wie privat hat sich der 61-Jährige in der Abstinenzphase neu sortiert. Er ist zu Hause in Oberkirch ausgezogen, hat sich als selbstständiger Rechtsanwalt niedergelassen und berät Unternehmen. Auch politisch gelang dem Langzeitabgeordneten kürzlich ein kleines Comeback: Der Oberrheinrat – ein Gremium von Mandatsträgern aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, der Nordwestschweiz und dem Elsass – wählte ihn einstimmig zu seinem neuen Präsidenten. In ihm rücke ein „europapolitisch erfahrener Mann“ an die Spitze, lobte die Landtagspressestelle. Stächele selbst kündigte an, er wolle verstärkt für die „Vorzüge der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“ werben.

Staatsanwalt ermittelt wegen Stächeles Rolle beim EnBW-Deal

Doch über seinem Neustart liegt ein Schatten: Nach wie vor ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Willi Stächele wegen des Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit dem EnBW-Deal. In den Aktienrückkauf im Dezember 2010 wurde er vom früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) zwar erst am Vorabend eingeweiht, aber nur er als Finanzminister konnte die Milliarden dafür freigeben und steht nun strafrechtlich in der Verantwortung. Seinen Traumjob als Landtagspräsident gab Stächele schweren Herzens bereits auf, nachdem der Staatsgerichtshof den Deal als Verfassungsbruch verurteilt hatte; spätestens mit dem Beginn der Ermittlungen wäre sein Rücktritt unausweichlich geworden.

Solange ein solches Verfahren läuft, werden die Beschuldigten, für die die Unschuldsvermutung gilt, normalerweise nicht in neue Ämter gewählt. Doch beim Oberrheinrat, wo der Präsident unter anderem „die Ordnung aufrecht“ halten soll, spielte das offenbar keine Rolle. Warum nicht? Waren die Vorwürfe überhaupt allen Mitgliedern bekannt? Auf eine entsprechende StZ-Anfrage reagierten weder die Geschäftsstelle in Basel noch Stächele selbst. Die Ermittlungen seien bei der Wahl mit keiner Silbe thematisiert worden, berichteten Mitglieder des Gremiums. Auch die grün-roten Vertreter, verlautete aus CDU-Kreisen, hätten den Christdemokraten anstandslos gewählt; schließlich sei er im EnBW-Skandal eher Opfer als Täter. Doch ganz so unkritisch wird Stächeles Wahl in Kreisen der Regierungskoalition nicht gesehen. Für den Lörracher Grünen-Abgeordneten Josha Frey – zugleich europapolitischer Sprecher der Fraktion – erfolgte sie nur unter Vorbehalt. „Sollte es während seiner Präsidentschaft zu einer Verurteilung kommen, erwarte ich seinen sofortigen Rückzug aus diesem Amt“, sagte Frey der StZ. Der sei dann geboten, „um dem guten Ruf Baden-Württembergs in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit keinen Schaden zuzufügen“.

Stächele sieht sich nicht als Opfer von Stefan Mappus (CDU)

Ob der EnBW-Deal innerhalb des nächsten Jahres vor Gericht kommt, ist derzeit schwer absehbar. Noch sind die Staatsanwälte dabei, Hunderte von Ordnern auszuwerten. Stächele selbst äußert sich derzeit nicht zu den Ermittlungen. Politisch mag er das Opfer von Mappus sein, juristisch aber könnte die Sache anders aussehen. Vor dem EnBW-Ausschuss wies Stächele die Opferrolle indes weit von sich: Er habe sich „tatsächlich nicht in einer Zwangssituation empfunden“, als er wenige Stunden vor Vertragsschluss die Notbewilligung unterzeichnen musste. Die Anwälte des Landes hätten ihn „gründlich, abschließend und sauber beraten“, von dem Rückkauf sei er „angetan“ gewesen. Wie das zu der „Schweinerei“ passe, die er in einem Interview beklagt hatte? Damit sei nur die Tatsache gemeint gewesen, dass die oberschwäbischen Landräte Tage vor ihm eingeweiht wurden.

Also gab es keine politische Nötigung, wie Parteifreunde das sahen? Er sei „zu keiner Zeit von niemandem – von wem auch immer – auf illoyale oder illegitime Weise unter Druck gesetzt worden“, sagte Stächele der StZ. Dies gelte sowohl für den EnBW-Deal als auch für seine Entscheidung, nach dem Weggang Günther Oettingers (CDU) nicht gegen Mappus anzutreten. Das sei „mein Beitrag zur Geschlossenheit zur Partei“, begründete er damals den Verzicht, den CDU-Strategen im Nachhinein als Fehler ansehen. Mit dem jovialen Südbadener als Spitzenkandidaten, glauben sie, hätte man die Wahl noch einmal gewinnen können.

Man munkelt in der CDU, er habe nicht freiwillig verzichtet

Hartnäckig halten sich in der CDU indes Vermutungen, Stächele habe seinerzeit nicht ganz freiwillig verzichtet. Andere könnten Informationen – politischer oder persönlicher Art – über ihn gesammelt haben, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürften; bestimmten Kreisen der Partei seien solche Methoden nicht fremd. Wie schnell man über punktgenau platziertes Insiderwissen stürzen kann, erlebte der Finanzminister kurz darauf bei seinem Staatssekretär: durch die Enthüllung der „Kiesaffäre“ war Gundolf Fleischer binnen weniger Wochen politisch erledigt.

Über Stefan Mappus verliert Stächele kein Wort mehr, dessen Nachfolger Winfried Kretschmann (Grüne) aber will er nun offensiv angehen. Mit seinem präsidialen Stil, sagte er in dem eingangs erwähnten Redaktionsgespräch, sei der Grüne zwar schwer zu fassen, man dürfe ihn indes „nicht weiter übers Wasser laufen lassen“, sondern müsse ihn „zumindest bis zu den Knien“ hineinziehen.