Doch die beiden haben auch etliches gemeinsam, etwa die Rebellion gegen ein klischiertes Erzählkino bei gleichzeitiger Zuneigung zu Hollywoods Mythen und Genres. Fassbinder hat mit forscher Aneignungsgeste vor allem nach Douglas Sirk gegriffen, Wenders hat sich fast schüchtern in amerikanische Landschaften, Städte und Wahrnehmungsmuster begeben.

 

Im Schwarz-Weiß-Film „Alice in den Städten“ von 1974 fährt die Kamera von Robby Müller mit dem Schauspieler Rüdiger Vogler zunächst durch die USA, wir sehen Motels, Highways, einsame Landtankstellen. „Ich kann gar nicht glauben, dass ich hier bin, ich will mal sehen, was das mit mir macht“, scheint Wenders uns da zu sagen. 1984 in „Paris, Texas“ hat er dann mit mehr Selbstvertrauen amerikanische Westernmotive gegen den Strich gebürstet.

Über alte Zwänge erheben

Später, in „Alice in den Städten“, fährt Rüdiger Vogler durch die Straßen von Wuppertal, und die Kamera schaut genau so geduldig hin, auch wenn ihr Blick nun von Häuserzeilen eingeengt wird. Da stellt Wenders seine beiden Erfahrungsräume noch nebeneinander, später schiebt er sie ineinander. „Im Lauf der Zeit“ von 1976 etwa ist der Versuch, die Versprechen des amerikanischen Roadmovies in der deutschen Provinz am Leben zu halten. „Der Himmel über Berlin“ war wohl auch deshalb so ein Erfolg, weil sich Henri Alekans Kamera buchstäblich über die alten Zwänge und Grenzen erhob, fort von deutschen Straßengevierten und amerikanischen Highway-Linealen, weil sie nun frei über den Dächern der Stadt ihre Kurven zog.

Mancher fand Wenders’ Amerika-Nachbauten wie seine Handke-Dialoge schon damals abstrus oder langweilig. Aber in Wenders’ Filmen war der Selbstzweifel immer schon mit eingebaut, sie hatten trotz des gemächlichen Tempos etwas Vorläufiges. „Es ist doch nie das drauf, was man gesehen hat“, schimpft programmatisch der von Vogler gespielte Journalist in „Alice in den Städten“ über die Polaroidfotos, die er während seiner Reise knipst.

Glück und Konflikte

Konflikte und Widersprüche, in einer Art Zeitlupenanalyse betrachtet, machen das Werk von Wenders aus: Ruhe und Bewegung, Liebe und Abschottungsbedürfnis, Erleben und Grübeln. Filme, hat er in einem Interview gesagt, bräuchten sowohl Vergangenheit als auch Gegenwart, und hat zugegeben: „Mitunter gerät man zu sehr in Erinnerung oder zu sehr in Verarbeitung von Erinnerung, und dann entgleitet einem sozusagen die Präsenz eines Films. Dann macht man sehr zerebrale Filme. Mitunter gelingt es einem, ganz in der Gegenwart aufzugehen, ohne seine Erinnerung abzuschalten, und das sind dann Glücksfälle.“

Wenders ist einer der vier Aufbruchsfilmer der Sechziger, die jenseits der deutschen Grenzen zu einigem Ruhm kamen. Die anderen sind Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Volker Schlöndorff, und unter denen schien Wenders immer der Verträumteste, derjenige, der in seinen Filmen Geheimnisse versteckte, die er selbst nicht zu deuten, vielleicht nicht einmal wiederzufinden wusste, der Antipode des rüde provozierenden Fassbinder.

Die Liebe zu Amerika

Doch die beiden haben auch etliches gemeinsam, etwa die Rebellion gegen ein klischiertes Erzählkino bei gleichzeitiger Zuneigung zu Hollywoods Mythen und Genres. Fassbinder hat mit forscher Aneignungsgeste vor allem nach Douglas Sirk gegriffen, Wenders hat sich fast schüchtern in amerikanische Landschaften, Städte und Wahrnehmungsmuster begeben.

Im Schwarz-Weiß-Film „Alice in den Städten“ von 1974 fährt die Kamera von Robby Müller mit dem Schauspieler Rüdiger Vogler zunächst durch die USA, wir sehen Motels, Highways, einsame Landtankstellen. „Ich kann gar nicht glauben, dass ich hier bin, ich will mal sehen, was das mit mir macht“, scheint Wenders uns da zu sagen. 1984 in „Paris, Texas“ hat er dann mit mehr Selbstvertrauen amerikanische Westernmotive gegen den Strich gebürstet.

Über alte Zwänge erheben

Später, in „Alice in den Städten“, fährt Rüdiger Vogler durch die Straßen von Wuppertal, und die Kamera schaut genau so geduldig hin, auch wenn ihr Blick nun von Häuserzeilen eingeengt wird. Da stellt Wenders seine beiden Erfahrungsräume noch nebeneinander, später schiebt er sie ineinander. „Im Lauf der Zeit“ von 1976 etwa ist der Versuch, die Versprechen des amerikanischen Roadmovies in der deutschen Provinz am Leben zu halten. „Der Himmel über Berlin“ war wohl auch deshalb so ein Erfolg, weil sich Henri Alekans Kamera buchstäblich über die alten Zwänge und Grenzen erhob, fort von deutschen Straßengevierten und amerikanischen Highway-Linealen, weil sie nun frei über den Dächern der Stadt ihre Kurven zog.

Mancher fand Wenders’ Amerika-Nachbauten wie seine Handke-Dialoge schon damals abstrus oder langweilig. Aber in Wenders’ Filmen war der Selbstzweifel immer schon mit eingebaut, sie hatten trotz des gemächlichen Tempos etwas Vorläufiges. „Es ist doch nie das drauf, was man gesehen hat“, schimpft programmatisch der von Vogler gespielte Journalist in „Alice in den Städten“ über die Polaroidfotos, die er während seiner Reise knipst.

Glück und Konflikte

Konflikte und Widersprüche, in einer Art Zeitlupenanalyse betrachtet, machen das Werk von Wenders aus: Ruhe und Bewegung, Liebe und Abschottungsbedürfnis, Erleben und Grübeln. Filme, hat er in einem Interview gesagt, bräuchten sowohl Vergangenheit als auch Gegenwart, und hat zugegeben: „Mitunter gerät man zu sehr in Erinnerung oder zu sehr in Verarbeitung von Erinnerung, und dann entgleitet einem sozusagen die Präsenz eines Films. Dann macht man sehr zerebrale Filme. Mitunter gelingt es einem, ganz in der Gegenwart aufzugehen, ohne seine Erinnerung abzuschalten, und das sind dann Glücksfälle.“

Aber sich mit einem Regisseur auf die Suche nach einem ungewissen Glück zu machen, das entspricht nicht mehr den Bedürfnissen des aktuellen, also älteren Arthouse-Publikums, das früher Wenders’ Filme schaute. Das will jetzt die Gewissheit, dass ein Filmemacher das Glück schon gefunden und zum weiteren Ausschank parat hat.