Angelique Kerber schreit vor Freude und steht zum dritten Mal im Viertelfinale von Wimbledon. Noch immer ist sie ohne Satzverlust - und die Erinnerungen an Melbourne kommen wieder hoch.

London - Der Jubel nach dem Matchball fiel ungewöhnlich ekstatisch aus - vor allem für einen souveränen Sieg im Achtelfinale. Angelique Kerber ballte die Faust, legte ihren Kopf in den Nacken und schrie die Freude in den wolkenverhangenen Himmel über Wimbledon. Die Erleichterung nach dem 6:3, 6:1 gegen die Japanerin Misaki Doi hatte auch mit einem Match zu tun, das Kerber in ihrem Leben wohl niemals vergessen wird.

 

Auf dem Weg zu ihrem Triumph bei den Australian Open hatte sie sich im Januar in der ersten Runde gegen Doi zum Sieg gezittert. Sogar einen Matchball wehrte Kerber damals ab - der Return von Doi nach einem zweiten Aufschlag der Kielerin blieb damals an der Netzkante hängen. Im All England Club trat sie nun 167 Tage später mit dem Selbstverständnis einer Grand-Slam-Siegerin auf und fegte Doi vor allem im zweiten Satz vom Rasen. Dabei ließ sich Kerber sogar noch Luft nach oben.

Keine schlechten Voraussetzungen für die kommenden Aufgaben, die sicherlich nicht einfacher werden. In ihrem dritten Wimbledon-Viertelfinale nach 2012 und 2014 trifft Kerber am Dienstag auf die Weltranglistenfünfte Simona Halep (Rumänien) oder Madison Keys (USA), die nach ihrem Vorbereitungssieg in Birmingham als Mitfavoritin auf den Titel im Rasenmekka an der Londoner Church Road gilt.

Kerber zählt zu den Titelaspirantinnen

Zu diesem Kreis der Titelanwärterinnen, der hinter US-Ausnahmespielerin Serena Williams beginnt, gehört auch Kerber - nicht erst seit ihrem vierten Sieg ohne Satzverlust im vierten Match des Turniers. Das Australien-Gefühl, der Melbourne-Rhythmus, alles wieder da, hatte Kerber nach der erfolgreichen ersten Wimbledonwoche festgestellt. „Ich weiß, wie man solche Turniere gewinnt“, sagte sie.

Zum Beispiel hilft es, wenn man auf dem Weg zu den wirklich wichtigen Matches keine Kraft verliert: Nur 71 Minuten im Schnitt stand Kerber auf dem Court. Es kann aber auch nicht schaden, eine Nervenprobe absolviert und bestanden zu haben: In Runde drei wehrte Kerber im deutschen Duell gegen Carina Witthöft vier Satzbälle ab. In Melbourne hieß die Nervenprobe Misaki Doi, bis zum Finale gegen Williams gab Kerber danach keinen Satz mehr ab.

Die Erinnerungen an ihre Sternstunde am anderen Ende der Welt kehren nun von Tag zu Tag mehr und mehr zurück, es scheint, als hätte es die dunklen Sandplatztage mit der Enttäuschung von Roland Garros gar nicht gegeben. Bundestrainerin Barbara Rittner glaubt, dass auch das frühe Aus der French-Open-Siegerin Garbine Muguruza in Wimbledon dazu beigetragen hat, die Erstrunden-Niederlage von Paris zu verarbeiten. „Ich glaube, es hat Angie geholfen, Ruhe zu finden“, sagte Rittner: „Das zeigt doch, dass man solch einen Erfolg erst verarbeiten muss. Und jetzt hat Angie den Vorteil, dass sie weiß, wie man Titel gewinnt.“