Die Gemeinde lässt vier Prozent ihres Waldes verwildern und schafft dadurch neue Lebensräume.

Wimsheim - Es ist ein sonniger Vormittag am Waldrand im Wimsheimer Gewann Erhardsberg. Der Forstamtsleiter des Enzkreises, Frieder Kurtz, zeigt auf einen alten, morschen Baum. Er hat kaum noch Äste, in der Mitte des Stammes ist ein großes Loch. Man muss kein Förster sein, um zu erkennen, dass dieser Baum tot ist. Und trotzdem, oder gerade deswegen, hat er seine Daseinsberechtigung. „Es ist ein Habitatbaum“, erklärt Kurtz. „Denn der Baum dient als Lebensraum für Spechte, Fledermäuse oder Pilze.“

 

Der morsche Baum ist Teil des Alt- und Totholzkonzepts, das im Wimsheimer Wald seit einigen Monaten umgesetzt wird. Wie genau, das erklären der Bürgermeister Mario Weisbrich, der Revierleiter Rolf Müller und der Forstamtsleiter Frieder Kurtz bei einem Gang durch den Gemeindewald. Teilflächen des Waldes werden dauerhaft aus der waldwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen. Eine Holzernte ist dort nicht mehr möglich.

„Der Wald wird sich selbst überlassen“, erklärt Kurtz. Auf diese Weise können in morschen, alten oder toten Bäumen neue Lebensräume für unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten entstehen, die in gesunden Bäumen nicht genügend Lebensraum finden. „Eine wichtige Rolle spielt bei diesem Konzept der Natur- und Artenschutz“, sagt Kurtz.

Was im Wimsheimer Wald schützenswert ist, das hat der Revierleiter Rolf Müller zusammen mit dem Forstamt festgelegt. Mal sind es einzelne Bäume, die als Horste oder Spechthöhlen dienen. Ein anderes Mal sind es mehrere Bäume, die als sogenannte „Habitatbaumgruppe“ ausgewiesen werden. Gekennzeichnet sind sie mit weißen Wellenlinien. „Diese Bäume werden bis zu ihrem Zerfall nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt“, erklärt der Revierleiter.

Im Staatswald in Baden-Württemberg ist das Konzept schon seit einigen Jahren verbindlich, für die Gemeinden hingegen ist es eine freiwillige Sache. Wimsheim ist auf diesen Zug aufgesprungen. „Wirklich etwas Neues haben wir damit aber nicht geschaffen“, erklärt der Bürgermeister Mario Weisbrich, während er durch den Wald läuft. Denn ein sensibler Umgang mit Landschaft und Natur habe im Wimsheimer Wald schon eine lange Tradition. Die rund 150 Hektar Fläche, die inzwischen zur Hälfte aus Laubbäumen besteht, sind in einem guten Zustand. „Schon in der Vergangenheit haben die Förster und Waldbesitzer hier Rücksicht auf die Strukturen genommen“, erklärt der Forstamtsleiter Frieder Kurtz. Rolf Müller bestätigt das. Denn Waldbewirtschaftung bestehe nicht darin, „einfach nur Holz zu klopfen“, sagt er. Der Natur- und Artenschutz gehöre eben auch dazu.

Vom gut gepflegten Wald profitiert nicht nur, wer dort Erholung sucht oder sein Geld mit Holz verdient. Auch für die Gemeinde hat das Alt- und Totholzkonzept einen großen Vorteil. Sie kann sich die geschützten Flächen auf ihr sogenanntes Ökokonto anrechnen lassen. Dort werden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen dokumentiert und können in einen Flächenbestand eingetragen werden. Bei späteren Eingriffen in die Landschaft und die Natur stehen diese Flächen dann als Ausgleichsgebiete zur Verfügung. Das Wimsheimer Konto ist gut gefüllt. „Wir haben 250 000 Ökopunkte“, sagt Weisbrich und ist ein bisschen stolz.

Einen großen Teil hat das Waldrefugium eingebracht, eine schützenswerte Fläche im Gewann Hagenschieß, etwa einen Hektar groß. Kleine Tannen stehen da zwischen riesigen Laubbäumen, auf dem weichen Waldboden liegen überall Blätter, Äste und Reisig herum. Von einem aufgeräumten Wald keine Spur. „Das ist auch Absicht“, erklären Mario Weisbrich und Rolf Müller. Die Flächen habe man aus der Nutzung herausgenommen. Nun bleiben sie vollkommen sich selbst überlassen. „Wir beobachten nun, wie sich der Wald entwickelt“, erklärt Müller.

Weiter geht es zu einem Teich, der direkt neben der Autobahn im Hagenschieß liegt. Dieses Biotop hat der Revierleiter erst in diesem Jahr frisch angelegt. Der Teich hat mehrere Wasserzonen, so dass die Fische und Amphibien dort nicht nur leben, sondern auch überwintern können. In der Mitte gibt es eine kleine Insel. „Dorthin können sich die Enten zum Nisten zurückziehen“, erklärt Müller. In der Flachwasserzone am Teichrand will er noch Schilfpflanzen als Lebensraum und Brutstelle für Vögel ansiedeln. Die Gemeinde Wimsheim hat in diesem Jahr drei Biotope angelegt und dafür knapp 8000 Euro investiert.

Rund vier Prozent des Wimsheimer Waldes sind inzwischen als Waldrefugien ausgewiesen. „Und das wird sich auch in Zukunft nicht mehr ändern“, erklärt der Bürgermeister MarionWeisbrich. Denn das beschlossene Alt- und Totholzkonzept ist endgültig und kann von den nachfolgenden Generationen auch nicht mehr geändert werden.