Der Streit um die Ansiedlung der Goldscheideanstalt C. Hafner in der Enzkreisgemeinde ist noch lange nicht vorbei. Doch wie hat er vor gut einem Jahr überhaupt angefangen? Die Chronik eines Zwists, der ein Dorf spaltet.

Ludwigsburg: Marius Venturini (mv)

Wimsheim - Der Hafner-Streit geht weiter. Die Gemeinde prüft derzeit das zweite Bürgerbegehren der Bürgerinitiative (BI), die gegen eine Ansiedlung der Pforzheimer Edelmetallscheideanstalt C. Hafner in der Enzkreisgemeinde kämpft.

 

April 2012 Die Pforzheimer Firma C. Hafner tritt an die Gemeinde Wimsheim heran. Die Anfrage: ob eine geeignete Fläche für die Konsolidierung des Gold- und Silberscheidebetriebes vorhanden sei. Der Fokus fällt schnell auf das Gelände „Breitloh-West II“, eine Fläche im Südwesten der Gemeinde, unmittelbar neben dem Gewerbegebiet „Breitloh-West“. Ausgewiesen ist das neue Areal ebenfalls als Gewerbegebiet.

Die Zeit danach Es folgen Gespräche und Untersuchungen. Die Gemeinde Wimsheim beauftragt das Stadtplanungs- und Architekturbüro Baldauf und holt sich Rechtsberatung. Bei der Vorprüfung der Fläche werden Anforderungen der Firma den Entwicklungsplanungen, Rahmenbedingungen und Anforderungen der Gemeinde gegenübergestellt.

13. September 2012 Der Gemeinderat und die Verwaltung besichtigen die Firma C. Hafner in Pforzheim. Bürgervertreter sowie Rathausspitze sehen in den Gutachten und Informationen, dass die Wimsheimer Fläche für einen Bau geeignet wäre. Eine Info-Veranstaltung wird anberaumt.

22. November 2012 Die Pläne von C. Hafner werden bei der Info-Veranstaltung öffentlich. Das Vorhaben klingt zunächst wie eines von vielen: Der Traditionsbetrieb will seinen Firmensitz nach Wimsheim verlegen. „Wir möchten unsere Geschäftsbereiche an einem Ort bündeln, um effektiver arbeiten zu können“, erklärt der Hafner-Chef Philipp Reisert damals. Als Gelände habe man sich das 5,6 Hektar große Areal im Gewerbegebiet „Breitloh-West II“ ausgeguckt. Zwei Tage später berichtet unsere Zeitung erstmals von dem Projekt. 14. Januar 2013 Eine Bürgerinitiative (BI) gegen die Ansiedlung gründet sich. Ihr Ziel sei es, so schreiben die Gründer, den besonderen dörflichen Charakter und die Lebensqualität Wimsheims zu erhalten. Auch solle es weiterhin die Möglichkeit geben, „Unternehmen anzusiedeln, die zur ländlichen Struktur des Ortes passen“. Vor allem aber gibt es einen zentralen Punkt, der noch eine große Rolle spielen wird: Ein Industriegebiet zu schaffen für Unternehmen wie C. Hafner gelte es zu verhindern. 17. Januar 2013 Auch aus Mönsheim kommen erste Bedenken. Vor allem die Vertreter der Bürgerliste fragen nach der Gefahr möglicher Störfälle in einer Gold- und Silberscheideanstalt. 26. Januar 2013 Wie die LKZ berichtet, gehören rund 80 Wimsheimer der BI an. Sie eint die Angst vor Luftschadstoffen. Informationsschreiben werden an die Bürger verteilt. Zu diesem Zeitpunkt weiß der Bürgermeister Mario Weisbrich laut eigener Aussage offiziell noch nichts von einer BI. Allerdings wird der Ton schon deutlich rauer – Rathauschef und BI werfen sich gegenseitig mangelnde Kommunikation vor. 5. Februar 2013 Erstmals demonstrieren mehr als hundert Menschen mit Schildern und Transparenten vor der Gemeinderatssitzung gegen die Hafner-Ansiedlung. Es ist die erste von unzähligen Protestaktionen dieser Art. „Wir sind keine Revoluzzer“, erklärt die BI-Sprecherin Sandra Beck Lankocz, „wir möchten die Leute zum Denken anregen“.

Mitte Februar 2013 Eine weitere Initiative gründet sich. Die „Interessengemeinschaft für Wimsheim“ (IFW) unterstützt den Hafner-Bau. „Wir wollen, dass alle Bürger in Wimsheim ihre Meinung frei bilden und äußern können“, erklärt der IFWler Joachim Kurz. Die Vereinigung wirft der BI „unseriöses Verhalten“ vor. Ein anonymes Flugblatt, das nur wenig später in Umlauf gebracht wird und behauptet, dass „wir es hier mit Kampfgas zu tun haben, angewendet im Ersten und Zweiten Weltkrieg“, heizt die Stimmung noch mehr auf. Die BI distanziert sich jedoch von dem Schreiben. 27. Februar 2013 Die BI übergibt im Rathaus 825 Unterschriften gegen das geplante Industriegebiet und damit gegen die Hafner-Ansiedlung. Man zeigt sich zufrieden mit der Aktion. Mario Weisbrich nimmt den Ordner kommentarlos entgegen. Auf einer eigenen Liste haben auch mehr als 400 Friolzheimer Bürger unterschrieben. Wieder demonstrieren rund 160 Menschen vor dem Rathaus.

Mitte März 2013 Erstmals steht der Begriff „Bürgerentscheid“ im Raum. 4. April 2013 Ein „Runder Tisch“ findet ohne Beteiligung der BI statt. Stimmengleichheit sei nicht gegeben, zudem sei der Termin zu kurzfristig bekannt gegeben worden. Mario Weisbrich bestreitet dies – und ebenfalls, dass Anfang des Monats eine „konspirative Ratssitzung“ stattgefunden habe. Man verliert sich weiter in gegenseitigen Vorwürfen.

14. Mai 2013 Die Pläne für einen Bürgerentscheid laufen auf Seiten der BI weiter. „Rund 200 Unterschriften brauchen wir“, verkündet Sandra Beck-Lankocz. Anfang Juni 2013 Die BI gibt 755 Stimmen im Rathaus ab. Die Wimsheimer Verwaltung prüft nun die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens – „fair und neutral“, wie Weisbrich versichert. Mitte Juni 2013 Inzwischen spaltet ein tiefer Graben das einst beschauliche Dorf. In Internet-Blogs werden kontra Hafner die deutschen Diktaturen bemüht, die IFW spricht von „Heuchelei und Manipulation“. Derweil bekräftigt C. Hafner seine Pläne, in Wimsheim bauen zu wollen. Ende Juni 2013 Der Gemeinderat der Freien Wähler, Peter Boßert, äußert sich: „Die BI hat mit überzogenen Behauptungen zu Emissionen, Brandgefahr und zur Belastung von Grundwasser und Verkehr Ängste in der Bevölkerung geschürt“, kritisiert der Rechtsanwalt.

16. Juli 2013 Der Gemeinderat stimmt ab: mit 9:2 Stimmen gegen die Rechtmäßigkeit eines Bürgerentscheids. „Da das Grundstück, das an Hafner verkauft werden soll, identisch ist mit dem Gebiet des Bebauungsplanes, richtet sich der Bürgerentscheid gegen die Bauleitplanung der Gemeinde.“ Und genau das sei laut Gemeindeordnung in Baden-Württemberg nicht zulässig, argumentiert Mario Weisbrich.

23. Juli 2013 Showdown in der Hagenschießhalle. Bei der Ratssitzung geraten Befürworter und Gegner handgreiflich aneinander. Der Rat stimmt mit 9:1 Stimmen dem Verkauf des Grundstücks an die Firma Hafner grundsätzlich zu. Eine endgültige Entscheidung kann noch nicht fallen, da die BI eine gerichtliche „Sicherheitsanordnung“ beantragt hat. Die BI kündigt ein zweites Bürgerbegehren an. . . . . .das am 7. August 2013 Formen annimmt: 718 Unterschriften tragen die BI-ler Holger Lehmann und Sandra Beck-Lankocz ins Rathaus. Die Rechtmäßigkeit des ersten Bürgerentscheids lassen sie derweil beim Verwaltungsrecht in Karlsruhe und am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim prüfen – was erfolglos bleiben wird.

Anfang September 2013 Auf der Homepage der BI taucht ein Video auf. Darauf zu sehen ist angeblich gelber Rauch aus einem der Hafner-Schornsteine in Pforzheim. Hafner dementiert, schaltet das Regierungspräsidium Karlsruhe ein. Die IFW, die sich eigentlich einen Maulkorb verpasst hatte, sieht eine „rote Linie überschritten“. 13. Oktober 2013 Gegen 11.30 Uhr steigen drei große Heliumballons über dem von Hafner favorisierten Gelände auf. Eine Aktion der BI. Sie soll zeigen, wie hoch die Schornsteine werden. Die von der BI errechneten Schornsteinhöhen von 38,7 Metern seien indes nicht korrekt.

16. November 2013 Inzwischen haben die Hafner-Gegner vier Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Weisbrich eingereicht. Zudem laufen Petitionen für den Landtag.