Drückjagden auf Wild dienen der Populationskontrolle. Jäger, Treiber und Hunde sind wieder im Wimsheimer Wald und den umliegenden Jagdrevieren unterwegs gewesen und haben 20 Rehe, 14 Wildschweine und fünf Füchse geschossen.

Wimsheim – Es ist mucksmäuschenstill im Wald, nur ganz entfernt ist das gleichmäßige Rauschen der Autobahn zu hören. Jürgen Hauck lässt den Blick durch die Umgebung schweifen. Der Jäger ist hoch konzentriert, kneift die Augen zusammen. Plötzlich knallt es laut, der Schuss kam vom Nachbarhochsitz. Mit der Ruhe ist es jetzt vorbei. Haucks Hund Oskar, den er am Hochsitz angebunden hat, bellt wie verrückt. „Es ist ein Reh in der Nähe unterwegs“, sagt er und grinst. „Da geht die Begeisterung mit Oskar durch und er kann sich gar nicht mehr beruhigen.“

 

Der Jäger wirft einen Blick auf seine Uhr, es ist kurz vor zehn. Er steigt von seinem Hochsitz und bindet seinem vier Jahre alten Jagdhund ein Glöckchen um den Hals. Damit die anderen Jäger ihn hören, wenn er auf den Spuren von Reh und Wildschwein durchs Unterholz stöbert. „Denn wenn er auf einer Fährte ist, gibt er nur kurz laut und ist dann ruhig“, erklärt Hauck. Damit er auch gut zu sehen ist, trägt er eine neonfarbene Sicherheitsweste. Durch ein GPS-System ist Oskar mit seinem Herrchen verbunden. So kann Hauck seinen Hund jederzeit orten.

Schlag 10 Uhr lässt der Jäger ihn von der Leine – bellend stürmt der drahtige Rüde in den Wald und ist schon wenige Augenblicke später nicht mehr zu sehen. Die Drückjagd ist nun offiziell eröffnet. Etwa 30 Jäger, 20 Treiber und ebenso viele Hunde sind im verschneiten Wald rund um Wimsheim unterwegs, auf den Spuren von Rehwild und Wildschweinen.

Die Drückjagd dient der Populationskontrolle. Gerade die Borstentiere vermehren sich stetig. Und sie haben bekanntermaßen eine Neigung zum Vandalismus, drängen zunehmend in die Gemeinden, wo sie Felder und auch Vorgärten plündern. Populationskontrolle sei daher ein Muss, erklären die Jäger.

Noch bis Ende Januar ist Drückjagdsaison. Bei solchen Jagden durchkämmen sogenannte Treiber zusammen mit ihren Hunden das Unterholz systematisch, um das Wild in eine Richtung zu „drücken“, das dann von den Schützen auf den Hochsitzen geschossen wird. „Wir achten darauf, dass wir dabei dem Tierschutz und allen anderen Belangen gerecht werden“, erklärt Frieder Kurtz, der Forstamtsleiter des Enzkreis. Es seien nur erfahrene Jäger dabei.

Auf dem Hochsitz von Jürgen Hauck heißt es derweil Warten. Der Jäger richtet sich ein. Er packt sein Gewehr aus, lädt die Waffe und legt sie griffbereit aufs Geländer. Aus seinem Rucksack zieht der Mann mit der orangefarbenen Jacke ein Sitzkissen und eine Decke, um seinen Hals baumelt ein Muff aus Schaffell. Damit hält der 62-Jährige seine Hände bei den eisigen Temperaturen warm.

Jürgen Hauck ist ein erfahrener Jäger. Seit seinem 18. Lebensjahr geht der leitende Forstdirektor und Betriebsleiter von Forst BW aus Freiburg auf die Pirsch. Im Herbst geht er zweimal die Woche jagen, ist viel in Baden und der Pfalz unterwegs. Plötzlich hält er inne, lauscht dem Hundegebell, das näher kommt. Hauck steht auf, schaut sich um. Er greift sich das Gewehr, bringt sich in Stellung. Ein leises „Tapptapp“ ist jetzt auf dem Schnee zu hören. Ein Reh kommt zwischen den Bäumen hervor, blickt direkt zum Hochsitz. „Jetzt ganz leise sein und bloß nicht bewegen“, flüstert der Jäger. Plötzlich durchbricht ein ohrenbetäubender Knall die Stille. Das Reh geht zu Boden und bleibt regungslos liegen. Kurz drauf hört Hauck das tiefe, aggressive Bellen seines Hundes. „Jetzt hat er eine Wildschweinfährte entdeckt“, sagt der Jäger. Doch auf die Sau wartet er vergebens.

Währenddessen durchkämmt der Wimsheimer Revierleiter Rolf Müller das Dickicht. Äste und Gestrüpp peitschen ihm und seinen Treiberkollegen ins Gesicht, er watet durch den Sumpf. Mit lautem Rufen scheuchen sie die Tiere auf. Bis in kleinste Detail hat Müller die Drückjagd organisiert, hat Jäger und Treiber aus den Nachbarrevieren zusammengetrommelt. Aus der Schweiz sind Nachsuchegespanne angereist, die zum Einsatz kommen, wenn ein „unklarer Schuss“ abgegeben wurde, von dem man nicht weiß, ob er getroffen hat. „Sie ziehen nach der Jagd noch einmal gezielt durchs Gelände und suchen dort, wo der Schuss abgegeben wurde, nach verletztem Wild“, erklärt Müller.

Dass die Jagd ein emotionales Thema ist, weiß der Wimsheimer Revierleiter. Und auch, dass es kritisch diskutiert werden muss. „Die Jagd darf kein Selbstzweck sein und nicht gegen den Tierschutz verstoßen“, sagt Müller. Aber es sei eben auch eine sehr naturnahe Form der Landbewirtschaftung, und sowohl Rehe als auch Wildschweine hätten keine natürlichen Feinde mehr. Ohne Jagd sähen die Äcker und Wälder ganz anders aus, sagt Müller und kämpft sich weiter durch den Wald.

Nach gut drei Stunden ist das Spektakel vorbei, Jäger und Treiber treffen sich an der Waldhütte. Das erlegte Wild wird am Sammelplatz zusammengebracht und an Ort und Stelle ausgenommen. Organisator Rolf Müller ist zufrieden. „Das ist eine ganz schön reiche Beute“, sagt er und grinst, als er insgesamt 20 Rehe, 14 Wildschweine und fünf Füchse zählt. Auch Jürgen Hauck ist recht zufrieden, zwei Rehe hat er an diesem Tag erwischt. Nur sein Hund Oskar bellt ungeduldig – er könnte schon wieder los.