Beim mittelalterlichen Stadtfest mutiert der OB zum Stadtschultheißen Hartmut, und beim Winnespiel ist Geschick im historischen Gewand gefragt.

Winnenden - 800 Jahre Stadt Winnenden – ganz klar, es ist ein historisches Datum, wenn aus einem weit unterhalb der Burg der Herren von Neuffen gelegenen Dorf eine Marktstadt mit Mauer und Türmen wird. Was da so alles eine Rolle gespielt hat beim Aufstieg Winnendens zur Stadt und gar zu einer, die im mittelalterlichen Minnesang eine Art Weltruhm erlangt hat, das haben die Winnender – allen voran der Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth – am Samstag gleich zur Eröffnung des Winnender Mädlesfestes als frei interpretierte, historische Dokumentation im entsprechenden Gewande dem Publikum entlang der Marktstraße vorgeführt.

 

Empfang des Stadtgründers am Torturm

Der OB ist kurzerhand zum kaisertreuen Stadtschultheißen Hartmut mutiert, flankiert vom Ersten Bürgermeister Norbert Sailer alias Achates Norbert. Zusammen mit den städtischen Würdenträgern haben sie den Stadtgründer Heinrich von Neuffen samt Gattin Adelheid und Minnesänger Gottfried stilgerecht am Torturm empfangen. Und natürlich hat beim historischen Festeinzug des Heinrich von Neuffen auch jene Szene nicht gefehlt, in der dessen Sohn und begnadeter Minnesänger Gottfried von Neuffen auf dem Marktbrunnen sein Winnender Mädle entdeckt, in das er sich sofort und unsterblich verliebt. Mit dem Lied über sie hat er wiederum Winnenden in der um 1300 entstandenen Liederhandschrift Codex Manesse verewigt. Janina Bäder ist es natürlich, vor einigen Wochen zum Winnender Mädle 2012 gewählt, die den Minnesänger in Liebesbann schlagen darf. Dessen gefühliges Bekenntnis: „Ich fühle nichts, als nur, dass ich ganz dein bin.“

Das gemeine Festlesvolk ist derweil am Samstag und Sonntag bei überwiegend prächtigem Stadtjubiläumswetter nicht nur mit dem Genuss von Met, Honigbier und Beerenwein oder Jungsau, Räuberpfanne, Wurstgulasch und Mönchspieß beschäftigt. Begleitet von allerlei Klängen von den Bühnen und Gaukeley mitten auf dem Straßenpflaster ist beim „Winnespiel“ mittelalterliches Geschick und Engagement gefragt. Zwölf Stationen hat der historische Mitmachparcours quer durch die Winnender Altstadt, bei dessen Bewältigung als Preis unter anderem eine zweitägige Reise nach Konstanz winkt.

Am Diebsturm wird mittelalterlich geheiratet

„Heiraten“ heißt eine der Stationen, die am Diebsturm residiert und an der die Vermählungswilligen so nebenbei vom griechischen Elternverein mit Souvlaki und Retsina versorgt werden. „Geschicktes Heiraten“ ist im Mittelalter gefragt, das mehrt Einfluss und Bedeutung. Wie allerdings der oder die Erwählte aussieht, das zeigt sich erst nach der Auswahl der Burg, aus der diese stammen. Kein Problem beim Stadtfest. „Wir haben alle unter die Haube gebracht“, berichtet am Sonntagnachmittag Sofia Germanlis am Winnender Diebsturm. Die einen hätten zwar Schulden mit in die Ehe gebracht und nicht nur Geld, Besitz oder Weinberge. „Aber beschwert hat sich niemand.“ Im Gegenteil: Obwohl die Heiratsstelle am Samstag eigentlich nur bis 19 Uhr offen war, „hatten wir bis halb neun welche, die heiraten wollten“.