Andere machen im Rentenalter Kochkurse oder gehen Segeln. Warum Reinhold Reuschle, der einen Preis des Schwäbischen Heimatbundes erhalten hat, einen Weinberg rekultiviert hat, erklärt der Besigheimer im Interview.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Besigheim - Statt es sich auf dem Altenteil gemütlich zu machen, knechtet Reinhold Reuschle seit Jahren in zwei verwilderten Besigheimer Weinbergparzellen (Kreis Ludwigsburg). Das fanden der Schwäbische Heimatbund und der Sparkassenverband preiswürdig. Ein Gespräch mit einem Unermüdlichen.

 

Herr Reuschle, andere gehen im Ruhestand noch mal studieren, auf Segeltörn oder zum Kochkurs. Warum haben Sie sich für den Knochenjob entschieden, zwei brache Terrassenweinberge zu rekultivieren?

Ich bin als Kind schon in den Weinbergen meiner Familie eingespannt gewesen, beim Spritzen gegen Schädlinge und Pilze im Frühjahr, bei der Lese oder beim Pfähle rausziehen im Herbst. Während meines Berufslebens hatte ich keine Zeit, da war ich viel unterwegs. Aber mir hat die Arbeit im Weinberg Spaß gemacht, und im Ruhestand braucht man ja eine Aufgabe. Sonst lebt man wie Robin Crusoe ohne Sozialkontakte. Und bei dem Wertverfall derzeit bekommen Sie so eine Parzelle heutzutage fast geschenkt. Es gibt ja nicht mehr viele, die sich so eine Arbeit machen wollen.

Ein bisschen urwaldmäßig wie bei Robinson Crusoe war es in Ihren beiden Parzellen ja dann auch…

Ich musste mit Axt, Heckenschere und Bagger an die Parzellen ran. Sie sind nebeneinander in Qualitätslage am Besigheimer Wurmberg gelegen. Die eine Parzelle war total mit Hecken und Brombeeren verbuscht. Bei der anderen, in der über 100 Jahre alte Rebstöcke standen, waren die Mauern eingestürzt. Ich war seit dem Kauf 2014 fast jeden Tag dort, außer wenn es windig und glatt war, weil es da bei einer Steigung von 70 Prozent etwas gefährlich wird. Alles in allem habe ich zwischen 7000 und 8000 Arbeitsstunden hineingesteckt – und viel Geld für Material. Allein, bis ich eine Tonne Steine am Weinberg habe, kostet das 150 Euro.

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Das alles aus Idealismus? Was Sie investiert haben, wird sich wohl kaum durch Erträge für Ihren Wein amortisieren.

Wenn ich das über Weinverkäufe reinholen wollte, würde ich das nicht mehr erleben! Das ist eine Investition ohne Lohn. Genauer gesagt: Ohne finanziellen Lohn. Aber ich muss ja nicht davon leben.

Was wächst bei Ihnen?

Am Steilhang bin ich einer Pflanzempfehlung der Genossenschaft gefolgt und habe einen Cabernet Franc, eine sehr gute, alte, dunkle Burgundersorte, gepflanzt. Ich gehöre damit aber eher zu den Exoten. Es ist ein edler Wein, für den eine Mengenbegrenzung von 60 Kilo pro Ar gilt und der dementsprechend seinen Preis hat. In der flacheren Lage wächst bei mir Riesling.

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Sie haben für Ihr Engagement jetzt den Kulturlandschaftspreis des Schwäbischen Heimatbundes und des Sparkassenverbandes bekommen. Auch, weil Sie mit Ihrer Begrünungs-Pflanzmischung zur Erhaltung der Biodiversität beitragen. Was kreucht und fleucht denn in Ihrem Weinberg?

Jede Menge Bienen, Schmetterlinge und sehr viele Eidechsen. Ich lebe zwischen denen. Manche sind ganz zutraulich, eine ist mir mal das Hosenbein hochgeklettert.

Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?

Ich mache das nicht für Preise. Aber klar freue ich mich, wenn die Arbeit anerkannt wird. Das Preisgeld, 1500 Euro, reicht mir für zehn Tonnen Steine. Ich bin ja noch nicht fertig. Grundsätzlich aber ist die Unterstützung für die Steillagenarbeit nicht ausreichend. Es gibt 3000 Euro Zuschuss pro Hektar vom Land, und je nachdem wo man seinen Weinberg hat, über ein Kommunalprogramm Geld pro Quadratmeter Trockenmauer-Sanierung. Da kann man mehr oder weniger Glück haben. Bei uns in Besigheim sind es 100 Euro, in Stuttgart 400. Aber schauen Sie: Der Landwirtschaftsminister Peter Haug, der sich für den Einsatz der Preisträger bedankt hat, bekommt dann drei Flaschen Wein geschenkt. Man könnte die Wertschätzung für unsere Arbeit auch zeigen, indem man den Wein bezahlt.