Geheime Dokumente wirklich geheim zu halten, ist schwierig. Anders als das Justiz- hat sich das Verteidigungsministerium in einem anderen Fall juristisch clever angestellt.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Das Warten auf die von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) angekündigte Stellungnahme seines Hauses zu Landesverrat und Staatsgeheimnis hat ein Ende – allerdings nur für den Generalbundesanwalt. Denn was die Beamten im Justizministerium am Donnerstagabend fertig gestellt und im Lauf des späteren Abends nach Karlsruhe geschickt haben, soll nach Informationen der StZ vertraulich bleiben. Verschlusssachen geheim zu halten, wird für die Behörden zunehmend schwierig. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der mit seiner Anzeige gegen Unbekannt die Affäre um die Blogger von Netzpolitik.org ins Rollen brachte, hat am Freitag prominente Schützenhilfe erhalten. Ex-Innenminister Otto Schily (SPD) forderte in „Bild“, dass „Geheimes geheim bleiben“ müsse. „Es gibt kein Presseprivileg, sich über gesetzliche Bestimmungen hinwegzusetzen“, betonte er.

 

Schily leistet Maaßen Beistand

Dass Papiere, die „nur für den Dienstgebrauch“ (nfD) vorgesehen sind, kursieren, gehört in Berlin fast zum Alltag. Dass höher klassifizierte Verschlusssachen mit dem Stempel „vertraulich“, „geheim“ oder „streng geheim“ öffentlich werden, kommt seltener vor. Das ist kein Zufall, denn im Innen- und im Verteidigungsministerium – beide Ressorts haben viele Geheimsachen – wird hoher Aufwand getrieben, um eingestufte Unterlagen von Unbefugten abzuschirmen. Die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zum Schutz von Verschlusssachen und die Zentrale Dienstvorschrift zur „Sicherheit in der Bundeswehr“ (ZdV 2/30) umfassen Hunderte von Seiten. Die Vorschriften für den Umfang mit „vertraulich“ oder höher eingestuften Dokumenten sind deutlich komplexer als für Unterlagen mit „nfD-Stempel“.

Neue Qualität im Fall von Netzpolitik.org?

Der Fall von Netzpolitik.org, der so viel Wirbel ausgelöst hat, ist laut Innenministerium auch deshalb von besonderer Qualität, weil dort „vertraulich“ gestempelte Dokumente in Faksimile-Qualität veröffentlicht wurden. „Der typische Fall ist, dass Journalisten einzelne Aussagen zitieren. Dass ein solches Dokument eins zu eins ins Netz gestellt wird, ist seit sehr langer Zeit nicht passiert“, so das Innenministerium gegenüber der StZ. Dennoch: Ob die Blogger strafrechtlich – wegen Landesverrat oder Verrat von Staatsgeheimnissen – zur Verantwortung gezogen werden können, ist nach der Vorgeschichte äußerst fraglich.

Umso interessanter ist, dass das Verteidigungsministerium in einem ähnlichen Fall mit einer ganz anderen Strategie vorläufig erfolgreich war. Die Funke-Mediengruppe stellte Ende 2012 tausende „Unterrichtungen des Parlaments“ zum Afghanistaneinsatz ins Netz. Diese wöchentlichen Berichte für die Verteidigungspolitiker im Bundestag sind „nur für den Dienstgebrauch“. Gegen die Veröffentlichung der Verschlusssachen hat das Verteidigungsministerium geklagt. Laut dem Text des Urteils führte es vor Gericht zwei Hauptargumente ins Feld: das Ministerium sei alleinige Inhaberin der Nutzungsrechte. Es bestehe zudem die Gefahr, dass diese Informationen „gegnerischen Kräften bekannt würden“ – zum Schaden für die Angehörigen der Bundeswehr oder anderer beteiligter Streitkräfte.

Wehrressort wählt in ähnlicher Lage andere Strategie

Die Juristen des Verteidigungsministeriums nutzen nicht die Keule des Landesverrats, sondern nur das Urheberrecht. Die Richter gaben ihnen Recht. Nach der Androhung von Zwangsvollstreckung – ein Ordnungsgeld von 250 000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monate für die Geschäftsführer – nahm der Verlag die Dokumente aus dem Netz. Der Rechtsstreit ist allerdings noch nicht zu Ende. Der Verlag hält seine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof aufrecht.