Die Höhe der Bahnsteige am Ludwigsburger Bahnhof passt nicht zu S-Bahnen, aber die Stadt sieht keine Möglichkeit, das zu ändern. Der Einstieg soll nun trotzdem barrierefrei werden – zumindest ein bisschen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Wer anfängt, sich mit den unterschiedlichen Bahnsteighöhen in Deutschland zu beschäftigen, erfährt dabei einiges über das Land selbst und seine wechselvolle Geschichte, über Krieg und Teilung. Ausgerechnet die Deutschen, denen nachgesagt wird, sie würden am liebsten für den Krümmungsfaktor einer Gurke eine Norm vorgeben, gehen bei diesem Thema nach der Devise vor: leben und leben lassen. Bahnsteige sind von Bahnhof zu Bahnhof unterschiedlich hoch, und das ist historisch bedingt.

 

Baute man zu Beginn des Eisenbahnzeitalters in der Regel 38 Zentimeter hohe Bahnsteige, setzten sich nach dem Krieg in Ostdeutschland 55 Zentimeter durch, während in den 1970er Jahren in Westdeutschland 96 Zentimeter Verbreitung fanden. Ein Wirrwarr, das die Stadträtin Elga Burkhardt (Liste Lubu) in Ludwigsburg gerne aufdröseln würde, weshalb sie seit Jahren regelmäßig Anträge an die Verwaltung richtet. Ihr jüngster stammt von Ende 2016, aber erst jetzt hat sich der städtische Bauausschuss des Themas angenommen. Burkhardts Kernforderung: „Die Stadt beginnt mit Bahn, Land und Bund mit Planungen zum barrierefreien Umbau des S-Bahnsteigs in Ludwigsburg.“

76 Zentimeter – die Stadt sieht in dieser Bahnsteighöhe den besten Kompromiss

Konkret geht es um den Steig zwischen Gleis 2 und 3, wo die S-Bahnen in aller Regel halten. Für Pendler sind die Höhenunterschiede nur ein Ärgernis, für Mütter mit Kinderwagen, Menschen mit Behinderung oder manche Senioren ein echtes Hindernis. 76 Zentimeter sind sie hoch, aber die S-Bahnen in der Region sind auf 96 Zentimeter ausgelegt, und daran wird sich so bald nichts ändern.

Heißt: Soll der Bahnsteig barrierefrei werden, muss er wachsen, doch das würde Millionen Euro verschlingen. Burkhardt und mit ihr die ÖkoLinx-Stadträte im Gemeinderat dringen dennoch darauf, das Vorhaben anzugehen. Der Ludwigsburger Bahnhof werde täglich von 40 000 bis 50 000 Menschen benutzt, sagte Burkhardt im Ausschuss. „Da muss es doch möglich sein, wenigstens an den S-Bahngleisen einen behindertengerechten Einstieg zu schaffen.“

Das Problem aber ist, dass an Gleis 2 und 3 mitnichten nur S-Bahnen halten, sondern hin und wieder auch Regionalzüge mit wieder anderen Ausstiegshöhen. Hinzu kommt, dass die 76-Zentimeter-Höhe der Ludwigsburger Bahnsteige auch anderswo weit verbreitet ist und zu den meisten Zügen im Nah- und Fernverkehr passt. Wenn es, eines fernen Tages, tatsächlich zu einer deutschlandweiten Vereinheitlichung kommen sollte, läuft es auf diese Höhe hinaus. „76 Zentimeter sind der beste Kompromiss“, sagt der städtische Mobilitätsbeauftragte Sascha Behnsen.

Fest montierte Einstiegshilfen sollen die Situation verbessern – aber auch das ist kompliziert

Es ist die gleiche Antwort, mit der die Stadt seit Jahren auf Burkhardts Anträge reagiert, aber diesmal scheint trotzdem Bewegung in die Sache zu kommen. Wenn auch anders, als es sich die Stadträtin gewünscht hat. Behnsen hat vorgeschlagen, am Bahnhof zielgenau Einstiegshilfen zu platzieren, also fest montierte Rampen, über die auch Rollstuhlfahrer leicht in die Waggons gelangen könnten. In Wernau, Plochingen oder Esslingen gibt es so etwas bereits. Damit das System funktioniert, müssen die Bahnen an zuvor definierten Haltepunkten stoppen: Dann öffnen sich die Türen direkt vor den Rampen. Inwieweit und wie schnell das umsetzbar ist, soll nun geprüft und mit der Deutschen Bahn besprochen werden.

Auch wenn eine Anhebung des Bahnsteigs nicht machbar sei, sagt Behnsen: „Ich bin sofort dabei, wenn es darum geht, die Situation zu verbessern.“ Sein Vorschlag wurde im Ausschuss mit großer Mehrheit angenommen, aber Elga Burkhardt bleibt unzufrieden: „Von uns kommt dazu bald ein neuer Antrag, das kann ich Ihnen gerantieren.“