Eine Familie, zwei Lokale: Im „Con Cuore“ in Heumaden und im „Pro Arte“ in Sillenbuch werden mediterrane Speisen serviert. Wer hier isst, denkt nicht selten, dass Italiener am Werk sind – fälschlicherweise.

Sillenbuch - Pizza, Pasta, Meeresfrüchte, hinterher ein Tiramisu. Serviert wird alles von hübschen Frauen mit schwarzem Haar, während charmante Herren hinter der Theke Wein ausschenken. Willkommen beim Italiener. Oder nicht? „Alle denken, dass wir Italiener sind. Wir sprechen auch Italienisch“, sagt Danijela Cristiani lächelnd, aber die Schreibweise ihres Vornamens verrät: Ihre Heimat ist etwas östlicher zu suchen, in Ex-Jugoslawien. Genauer gesagt in Bosnien-Herzegowina. Was aber sie, ihren Mann Joe Sahinovic, die Schwester Gana Mijatovic-Keller und deren Gatte Mario Mijatovic mit Italienern eint, das ist die Leidenschaft für gutes Essen und eine lebhafte Tischkultur. Üppig gefüllte Teller, viele Menschen, lautes Lachen, typisch südländisch – so kennen sie es von daheim, zudem eine Küche mit vielen Einflüssen, ungarisch und türkisch, erklärt Mario Mijatovic.

 

Aus der Gastronomie kommt keiner

Dass diese vier einmal Restaurants eröffnen, man hätte es trotzdem nicht gedacht. Aus der Gastronomie kommt nämlich keiner. Mario Mijatovic (53) hat Bergbau studiert, Joe Sahinovic (47) ist gelernter Installateur, und die beiden Frauen hatten zuvor in der Modebranche gearbeitet. Immerhin: Die Mama, die hatte früher in der Heimatstadt Tuzla ein kleines Restaurant, „da habe ich neben der Schule geholfen“, sagt Danijela Cristiani (42) und lacht ihre Schwester (47) an. „Auch unsere Mama war Quereinsteigerin.“ Diesen Mut, sich auf etwas ganz Neues einzulassen, haben die beiden wohl geerbt. Während die Ältere schon in den 80ern auszog, um die Welt zu bereisen – „Ich bin ein Auslandskind“ –, folgte die Jüngere in den 90ern als Teenie nach Deutschland. „In Bosnien-Herzegowina war zu lange Krieg. Niemand hatte sich vorstellen können, dass mitten in Europa so lange Krieg ist“, sagt Danijela Cristiani.

Heute, im Garten des Lokals „Pro Arte mediterraneo“ in Sillenbuch, unter Kastanien und zwischen Rosmarin und alten Weinfässern, ist dieser Lebensabschnitt weit weg. Die beiden Ehepaare leben schon Jahrzehnte in Stuttgart, mittlerweile in Heumaden und Riedenberg. Hier sind sie zu so etwas wie Berufsitalienern geworden. Denn in ihren beiden Restaurants im Bezirk werden hauptsächlich Speisen serviert, die die meisten primär in Italien verorten. Das „Con Cuore“, versteckt im Heumadener Gebiet Über der Straße gelegen, ist rustikal und bietet traditionelle italienische Küche wie Pizza und Pasta, die besonders bei Familien ankommt. Im eleganteren „Pro Arte“ an der Sillenbucher Durchfahrtsstraße findet man vor allem Fisch auf der Karte, aber auch Gemüse aus dem Wok und mit Kokos. „Ich liebe asiatisches Essen“, sagt Danijela Cristiani augenzwinkernd.

Heute müssen alle alles können

Den Grundstein für die außergewöhnliche Zweitkarriere im Familienverbund hat ihr Schwager gelegt, ein passionierter Hobbykoch. Erst eroberte er das Herz seiner späteren Frau mit seinen Kochkünsten, dann das von Experten – zunächst als Küchenhilfe, dann als Koch. Die erste Station an Stuttgarter Profitöpfen war im Westen – und vor 15 Jahren kam dann das eigene „Il Pomodoro“, das aber vor vier Jahren in „Con Cuore“ umbenannt wurde, um Verwechslungen mit namensgleichen Lokalen in der Stadt zu vermeiden. Die Familienmitglieder halfen von Anfang an mit. „Ich habe keine Ahnung gehabt, er hat mir einen Crashkurs gegeben“, erzählt der gelernte Handwerker Joe Sahinovic. Als dann 2008 das schwäbische Lokal Silberwald in Sillenbuch schloss, übernahm die Familie auch dieses, baute es mit eigenen Händen um – und eröffneten als „Pro Arte“.

Heute macht jeder alles, Angestellte unterstützen. Fällt am Herd einer aus, müssen alle in der Lage sein, die Speisen zuzubereiten. Flexibilität ist das A und O, wobei freilich jeder sein Steckenpferd hat. Die Frauen sehen ihre Stärken in der Dekoration, beim Personal und im Service – der intensive Kundenkontakt in der Modebranche habe viele Impulse gebracht, „das macht sich bemerkbar“, glaubt Gana Mijatovic-Keller. Die Männer bringen sich intensiver im Handwerklichen und bei den Finanzen ein. Jeder hat eine Rolle, aber am besten funktionieren die vier im Quartett. Danijela Cristiani ist sich sicher: „Ohne die Familie hätten wir das nicht geschafft.“