Bankenrettung, Staatsschulden auf Rekordhöhe und Naturkatastrophen. Trotz allem verzeichnet die Wirtschaft Italiens aktuell leichte Besserungen. Doch das Land ist großen Risiken ausgesetzt.

Rom - Der Berg, der nach der Wirtschaftskrise zu bewältigen werden musste, war gewaltig. Doch heute, zehn Jahre später, haben ihn die meisten EU-Staaten bezwungen und befinden sich wirtschaftlich wieder auf einem geraden Weg. Italien jedoch ist noch immer nicht über dem Berg. Das Land ist zwar auf dem Weg nach oben, allerdings sehr langsam. Wo andere die Strecke wohl mit einem Elektrofahrrad hinter sich gelassen haben, scheint Italien auf einem Drahtesel unterwegs zu sein. Einfach ist das nicht. Vor allem, wenn das Rad obendrein klapprig ist. Um aus dem Reich der Bilder in die Realität zu wechseln: Italiens Wirtschaft wächst langsam, doch die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist etlichen Risiken ausgesetzt.

 

Der Internationale Währungsfonds hat seine Prognose für das Wachstum für 2017 zwar von 0,8 auf 1,3 angehoben. Euphorisch geben sich die Experten deswegen aber nicht. Die Arbeitslosenquote ist zwar von ihrem Höchststand im Jahr 2014 (12,6 Prozent) auf 11,3 Prozent gesunken, doch noch immer sind 37 Prozent der jungen Italiener ohne Arbeit. Nur in Spanien und Griechenland liegt die Quote in der EU höher. Die Staatsschulden haben derweil einen neuen Höchstwert erreicht und liegen bei 132,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Finanzielle Rückschläge durch Bankenrettungen, Erdbeben und Feuersbrünste oder immer mehr Migranten machen die Lage nicht einfacher.

Im Dauerwahlkampf wird auf schnelle Erfolge gesetzt

Italien müsste dringend Reformen umsetzen. In Zeiten des Dauerwahlkampfes ist das jedoch kaum möglich. Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi wollte eine Reform pro Monat hinbekommen. Den Arbeitsmarkt konnte er zwar etwas liberalisieren, dann war aber Schluss: Er scheiterte an der Änderung der Verfassung, trat zurück und arbeitet seitdem am Comeback. Er verspricht Steuersenkungen und will der EU ein Staatsdefizit von 2,9 Prozent in den nächsten fünf Jahren abringen. Nach zähen Verhandlungen mit Brüssel liegt das derzeit bei 2,1 Prozent. Die enormen Staatsschulden, die Italien schon jetzt angesammelt hat, lässt Renzi dabei außen vor – wirtschaftspolitische Weitsicht sieht anders aus.

Im kommenden Jahr droht politischer Stillstand, wenn keine der Parteien die Mehrheit der Wähler überzeugen kann. Auch werden sich die Rahmenbedingungen für Italiens Wirtschaftspolitik drastisch ändern, wenn die Europäische Zentralbank ihr billionenschweres Anleihekaufprogramm herunterfährt und aus der Nullzinspolitik aussteigt. EZB-Chef Mario Draghi wird damit zwar wohl bis nach den Wahlen in seinem Heimatland warten- doch dann, mit dem Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik, wird es für Italien eng: Die Zinsen werden steigen und damit auch die Belastungen aus den Schulden – was Italien sich schlicht nicht leisten kann.

Keine Alternativen zu Renzi

Doch vielversprechende Alternativen zu Renzi fehlen. Ob Silvio Berlusconi, Matteo Salvini oder Beppe Grillo – einer schreit lauter als der andere und hofft, so die Wähler zu überzeugen. Echte Konzepte hat keiner. Auch für Renzi stehen die Chancen auf eine Wahl zum Ministerpräsidenten schlecht. Sein Partito Democratico liegt in Umfragen seit Wochen gleichauf mit einem möglichen rechten Bündnis und der Fünf-Sterne-Bewegung.

Sein gerade erschienenes Wahlkampf-Buch hat Renzi „Avanti“ genannt – „Vorwärts“. Auf der Rückseite des Umschlags prangt ein Foto. Es zeigt Renzi – einsam auf einem Fahrrad. Der Möchtegern-Lenker ist darauf eher wackelig unterwegs, als dass er fest und mit klarem Ziel im Sattel säße. Ein Sinnbild für das ganze Land, dem man zurufen möchte: Tritt endlich ins Pedal, Italien! Avanti!