Virtuelle IT-Beratung, Food-Blog oder Online-Sportgruppe: Blogger bieten auf ihren Seiten eine große Themenvielfalt. Für die Wirtschaft sind diese Formate zunehmend interessant. Doch wie weit darf die Zusammenarbeit gehen?

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Der oder das Blog? An der Frage des Artikels scheiden sich die Geister: Laut Duden ist beides richtig. Es heißt, die „Digital Natives“, also junge Leute, die mit dem Internet aufgewachsen sind, benutzten häufiger das Neutrum, während die „Digital Immigrants“, also die Menschen, die nicht mit digitalen Technologien aufgewachsen sind, „der Blog“ sagen. Blogs sind Plattformen für Privatpersonen oder Unternehmen, auf denen diese Beiträge hochladen können, häufig verknüpft mit Fotos oder Videos. „Ursprünglich waren Blogs wie eine Art Tagebuch, das man online geführt hat und frei einsehbar war“, erläutert Peer Wandiger, der als selbstständiger Webdesigner und Berater für andere Blogger sein Geld verdient.

 

Die Reichweite ist das Aushängeschild

„Heutzutage sind Blogs sehr themenbezogen“, sagt Wandiger. Das klassische Onlinetagebuch gebe es kaum noch. Fast immer drehen sich Blogs um einen Schwerpunkt. Beliebt sind Foodblogs mit Rezepten und Ernährungsweisheiten, außerdem Fitnessthemen, Do-it-yourself-Tipps oder Blogs rund um Technik. „Gerade Themen, die die Intensivnutzer des Internets beschäftigen, haben eine hohe Reichweite“, so Wandiger. Die Reichweite ist das Aushängeschild der Blogger: Sie ist die entscheidende Zahl für Firmen, die mit Bloggern eine Kooperation anstreben. Die Reichweite bemisst sich vor allem an den Klickzahlen auf dem Blog selbst, außerdem sind die „Follower“ eine wichtige Größe, also die Menschen, die in den sozialen Netzwerken die Beiträge des Bloggers abonniert haben.

Je nachdem, welche Zielgruppe sie ansprechen wollen, betreiben die Blogger zusätzlich zu ihrer Website auch Accounts auf Facebook, Twitter, Google Plus, Snapchat oder Instagram. Dort geben sie üblicherweise einen kurzen Vorgeschmack auf neue Einträge und verlinken dann auf ihre Website: „Neues Rezept ist online! Wer also heute noch eine kleine Inspiration sucht, sollte schnell noch mal auf unserem Blog vorbeischauen“, liest man etwa auf dem Instagram-Account der Bloggerin Louisa Dellert, die auf der Webseite fit-trio.de Tipps zu Fitness- und Ernährung gibt.

Firmen kommen auf die Blogger zu

In den meisten Fällen bleiben Blogs ein Hobby. Nur die allerwenigsten können sich als Einzelkämpfer im Internet selbstständig machen. Einige können aber ihren Lebensunterhalt geringfügig mit dem Schreiben und Erstellen von Fotos und Videos aufbessern. „Eine gewisse Reichweite ist allerdings immer Voraussetzung, um tatsächlich etwas im Geldbeutel zu spüren“, sagt Wandiger. Viele Blogger bauen etwa auf ihrer Website Banner mit Firmenwerbung ein. „Teilweise kommen auch Firmen auf bestimmte Blogger direkt zu und erkundigen sich, ob sie auf deren Seite Werbung schalten können“, weiß Wandiger.

Ebenfalls Geld verdienen können Blogger, wenn sie Verlinkungen zu anderen Websites auf ihrer Seite einbauen. „Allerdings muss man aufpassen“, sagt Wandiger. „Wenn man es übertreibt, merkt Google das, und man rutscht in den Suchergebnissen ganz schnell nach unten.“

Anrüchig, aber häufig: Kooperationen mit der Wirtschaft

Das meiste Geld lässt sich mit Firmenkooperationen verdienen, gleichzeitig ist diese Methode am umstrittensten. Blogger, die einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben, bekommen häufig kostenlos Produkte zugeschickt. Die Firmen hoffen, dass die Blogger die Produkte auf ihrer Seite vorstellen – und sie bestenfalls als gut vermarkten. Dafür bezahlen die Firmen dann einen gewissen Betrag, außerdem gibt es eine Provision, wenn ein Leser eines Blogs aufgrund eines Eintrags im Onlineshop dieser Firma etwas bestellt. „Meist sind das etwa fünf Prozent“, sagt Wandiger.

Eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Privatleuten ist keine Seltenheit mehr. In amerikanischen Wirtschaftsmagazinen gelten „Influencer“ – also die Internetikonen, die regelmäßig mit Firmen Kooperationen eingehen und dadurch auch immer mehr Einfluss auf die Wirtschaft haben – als „the next big thing“, also eine große Sache.

Die Szene streitet über Schleichwerbung

Ein Beispiel dafür ist die deutsche Youtuberin Bianca Heinicke („Bibis Beauty Palace“), die gemeinsam mit der Drogeriekette DM die Linie „bilou“ herausbrachte, innerhalb weniger Stunden war diese ausverkauft. Außerdem wirbt die 22-Jährige seit anderthalb Jahren für den Versandhändler Neckermann. Der Autobauer Audi arbeitet mit dem Blogger Jens Stratmann zusammen, der Umweltverband WWF mit Blogger Simon Unge, der Reiseveranstalter Tui mit den Stuttgarter Youtubern Dounia, Lamiya und Sami Slimani.

Vor einigen Wochen fand in Berlin erstmals eine Konferenz für Influencer statt. Das Fazit der Konferenz: es gibt noch viel Klärungsbedarf. Bloggern und Firmen ist beispielsweise noch nicht ganz klar, ab wann Kooperationen in den Bereich der Schleichwerbung driften und inwiefern diese dann wettbewerbswidrig sind. Man darf aber schon jetzt davon ausgehen, dass die Markenbotschafter der jungen Generation die Wirtschaft in den kommenden Jahren noch ordentlich umkrempeln werden.

Experte Online

Carsten Knobloch bloggt zu IT-Themen Foto: privat

Carsten Knobloch ist ein Urgestein: Der 38-Jährige bloggt seit knapp elf Jahren, er gehört zu denen, die „das Blog“ sagen, und gilt derzeit als einer der erfolgreichsten deutschen Blogger. Im März 2005 stellte der IT-Systemelektroniker seinen ersten Beitrag online: Er startete mit einem Internettagebuch. Nach kurzer Zeit begann er über Themen außerhalb des Privatlebens zu schreiben. Er vergleicht technische Geräte, stellt Anleitungen online und kommentiert Neuigkeiten aus der Technikwelt.

Mittlerweile schreibt nicht nur er, sondern auch ein weiterer fester Redakteur und zahlreiche Gastautoren für seinen Blog. Knobloch ist es wichtig zu betonen, dass es bei ihm keine Schleichwerbung gibt: „Für Bewertungen und Vergleiche bekomme ich kein Geld.“ Er verwende Bannerwerbung und den Google-Dienst Adsense, der Werbung auf seiner Seite anzeige. „Das muss sein, um den Blog finanzieren zu können.“ Außerdem erhält er eine Provision, wenn jemand über seinen Blog etwas bei Amazon oder im App Store von Apple kauft.

Fleischlos kochen

Claudia Hirschberger und Arne Schmidt schreiben über Essen. Foto: privat

Mit ihren professionellen Bildern fallen Claudia Hirschberger und Arne Schmidt unter den unzähligen Foodbloggern im Netz auf: Die Gewinner des „Food Blog Awards“ 2015 in den Kategorien bestes Rezept und bester englischsprachiger Blog stellen seit 2013 vegetarische und vegane Rezepte mit Fotos online. „Wir schreiben, filmen und fotografieren auch beruflich, da lag es nah, dies auf einem Blog zusammenzuführen“, erläutert Hirschberger. Sie kocht die meisten Rezepte, die nach Kategorie und Saison unterteilt sind.

Die Rezeptideen entstehen gemeinsam. „Arne bringt die vegane Perspektive ein und kümmert sich um technische Belange.“ Regelmäßig bekommt das Paar Anfragen, um Produkte und Dienstleistungen zu testen. „Wir gehen aber nur sehr selten eine Kooperation ein, nur dann, wenn wir von einem Projekt sehr überzeugt sind“, sagt die Freiberuflerin. Die beiden gehören zu den wenigen Bloggern, die die sozialen Netzwerke wenig nutzen. Bisher ist das kochende Pärchen nur auf Instagram zu finden.

Digitale Freiheit

Markus Beckedahl betätigt sich als netzpolitischer Aktivist. Foto: privat

Obwohl Netzpolitik.org journalistische Angebote macht, ist es keine klassische Nachrichtenseite. Die Autoren verstehen sich selbst nicht als neutral, die Haltung bestünde darin, sich für „digitale Freiheitsrechte und ihre politische Umsetzung“ einzusetzen. Die 2004 entstandene Seite mit mittlerweile mehr als 17 000 Beiträgen zu internetpolitischen Themen finanziert sich fast nur durch Spenden – im Monat sind es laut dem Gründer und Chefredakteur Markus Beckedahl durchschnittlich rund 25 000 Euro. „Ab und zu kommen noch Anzeigen dazu.“

Den Erfolg seiner Seite sieht er in der Einzigartigkeit begründet: „Wir haben erfolgreich eine Nische besetzt, als digitale Freiheitsrechte noch niemanden interessierten.“ Netzpolitik tauchte im vergangenen Jahr immer wieder in den Schlagzeilen auf, weil ein Autor im Frühjahr zwei Ausschnitte aus einem als vertraulich eingestuften Bericht des Verfassungsschutzes veröffentlichte und daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrates eingeleitet wurde.

Gesund leben

Louisa Dellert bloggt zum Thema gesunder Livestyle. Foto: privat

Früchtesmoothies, Sportübungen und Botschaften zur Selbstliebe: seit zweieinhalb Jahren bloggt Louisa Dellert unter dem Name „Fit Trio“ rund um ein gesundes Leben. Auf Instagram ist sie mit knapp 200 000 Followern eine der prominenten Fitnessbloggerinnen. „Anfangs habe ich nur Fotos von Sport und meinem Essen geteilt“, sagt die 26-Jährige. Mittlerweile hat sie sich selbstständig gemacht: „Zwischen zehn und elf Stunden investiere ich täglich für den Blog und die sozialen Netzwerke“, sagt Dellert.

„Ich fotografiere mich beim Sportmachen und drehe Videos, zeige mein Essen und erstelle Rezepte, teste verschiedene Produkte, beantworte Mails und besuche Veranstaltungen.“ Sie hofft, dass sich ihr Blog irgendwann nur noch mit den eigenen Produkten finanziert, wie selbst designten Trinkflaschen oder „Bootcamps“ an den Wochenenden. Noch geht sie Kooperationen mit Sportherstellern oder anderen Firmen ein: „Je nach Reichweite kann man pro getestetes Produkt zwischen 250 bis zu 1000 Euro verdienen“, sagt sie.