Wenn Firmen überlegen, sich in einer Kommune anzusiedeln, muss es schnell gehen. Das stellt die Städte häufig vor Probleme – und setzt sie unter Druck, die Wünsche der Unternehmen zu erfüllen.

Strohgäu - Konkurrenz belebt das Geschäft. Der Wettbewerb der Kommunen untereinander ist zwar alt. Aber selten wurde so um Einwohner gerungen und um Unternehmensansiedlungen gebuhlt wie in dieser Zeit. Das zeigen viele Beispiele aus dem Kreis Ludwigsburg. Etwa in Korntal-Münchingen: Porsche war auf der Suche nach einem Standort für den Bau seines ersten rein elektronisch betriebenen Sportwagens Mission E. Im Korntaler Rathaus wäre man gerne zum Zug gekommen, doch war die Zeit wohl zu knapp.

 

Porsche baut nun am Stammwerk in Zuffenhausen, mehr als 1000 neue Arbeitsplätze entstehen. Der Zeitfaktor ist einer von mehreren Aspekten, die bei einer Unternehmensansiedlung eine Rolle spielen. In Korntal-Münchingen hatte Porsche ein Areal ins Auge gefasst. Der Technische Beigeordnete Ralf Uwe Johann spricht von einem „enormen Zeitdruck“. Man habe überlegt, „wie schnell man planerisch damit zurechtkommt“. Auch hat der Regionalplan eigentlich an der Stelle Grünflächen vorgesehen, die wären durch eine Porsche-Ansiedlung verringert worden.

Viele Fragen taten sich auf: So ist die Bahnunterführung dort zu niedrig. Auch der Lärmschutz ist ein Problem, und der dort ansässige Sportverein TSV Korntal hätte umziehen müssen. Das war auf die Schnelle nicht zu klären. Um in solchen Situationen rascher reagieren zu können, hat die Stadt eine Studie in Auftrag gegeben. „Der Zeitdruck ist hoch, wenn Firmen anfragen“, sagt Johann. Gleichzeitig sei die Ausgangssituation häufig besser als bei der Anfrage von Porsche – etwa, weil die Gewerbeflächen bereits ausgewiesen seien.

In Ditzingen hat man schnell reagiert

Die Stadt Korntal-Münchingen zog gegen den direkten Nachbarn Stuttgart den Kürzeren. Anders lief es, als sich Thales in Ditzingen ansiedeln wollte. Der Chefplaner der Region, Thomas Kiwitt, wollte den Technologiekonzern in der Region halten, der mehrere Standorte zusammengelegt hat. Binnen kurzer Zeit wurde der Bebauungsplan, also der rechtliche Rahmen für die Ansiedlung, geschaffen. Doch es geht nicht nur um Zeit: Solche Großansiedlungen sind städteplanerisch immer ein großer Eingriff in die Landschaft.

Das aus mehreren Gebäuden bestehende Thales-Werk gefällt heute ebenso wenig allen wie das wuchtige Hochregallager der Firma Helukabel in Hemmingen, die vor knapp zehn Jahren an seinem Stammsitz am Ortseingang von Hemmingen erweitern wollte. Der damalige Bürgermeister Werner Nafz räumte damals ein: „Städtebaulich ist das nicht das Gelbe vom Ei.“ Der Bürgermeister sah es aber als Aufgabe einer Kommune an, angesiedelte Firmen weiter zu begleiten.

Lockmittel für Gewerbetreibende

Die Ditzinger hatten schon lange Flächen für die Erweiterung des Maschinenbauers Trumpf in der unmittelbaren Nachbarschaft des Standorts vorgesehen, und konnten so schnell handeln. Die Gerlinger wiederum haben sogar kürzlich den Gewerbesteuerhebesatz gesenkt, um den großen Gewerbesteuerzahler Bosch im Ort zu halten. Dieser hatte niedrigere Hebesätze zur Bedingung gemacht.

Die Konkurrenz der Kommunen ist groß und auch vom demografischen Wandel geprägt. Das gilt auch für den Norden des Landkreises. Hier hat der Regionalverband wie berichtet einen Logistik-Schwerpunkt eingerichtet. Doch gegen solche großflächigen Unternehmen mit wenig Arbeitsplätzen und viel Verkehr wehren sich Kommunen allerdings, wie in Pleidelsheim und Ingersheim geschehen.

Auch die Stad Ludwigsburg hat sich um den Verbleib des Finanzdienstleisters Wüstenrot bemüht – doch es fehlte schlicht an Flächen. Daher wird nun das Firmengelände auf Kornwestheimer Markung erweitert – dort hat man den Konzern mit offenen Armen empfangen. Anders ist die Lage beim großen Einzelhandels-Konzern ECE, der in der Region zahlreiche Einkaufscenter betreibt – vom Milaneo über das Breuningerland bis zum Marstall-Center. Hier hat sich die Stadt indirekt auf einen Deal eingelassen: Wenn ECE den Umbau und Neustart des Marstall-Centers in der Innenstadt ermöglicht, kann langfristig auch das Einkaufscenter an der Autobahn erweitert werden.

Der Konflikt ist überall der gleiche: Die Bevölkerung wird älter, die Zahl der Einwohner sinkt. Kommunen buhlen um junge Familien, die es in der ganzen Region schwer haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Baugrundstücke sind knapp, das treibt die Preise in die Höhe. Nicht selten siedeln sich die jungen Erwachsenen mit ihren Kindern inzwischen weit draußen in der Region an. Diese Entwicklung treibt die Kommunen in eine schwierige Situation: Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Infrastruktur geschaffen, die die Bürger nicht mehr missen möchten: Kindertagesstätte in Laufnähe, Stadtteilbibliotheken, Schwimmbäder.

Um all dies aufrecht zu erhalten, auch wenn die Nutzer – und damit die Gebühreneinnahmen – ausbleiben, muss die jeweilige Kommune Einnahmen generieren. Die Gewerbesteuern sind dabei die einzige Möglichkeit, wesentlichen Einfluss darauf zu nehmen. Außer bei der Grundsteuer und der Hundesteuer kann sie kaum selbst handeln. Neue Baugebiete bringen zwar mehr Einwohner und so mehr Einkommenssteuer, doch muss für sie wiederum die Infrastruktur ausgebaut werden.

So bleibt es eine Gratwanderung: Kommunen brauchen Gewerbesteuerzahler, müssen aber die Konflikte in Grenzen halten. Das zeigt wieder das Beispiel Ditzingen: Die neue Thales-Zentrale hat zu deutlich mehr Verkehr in der Stadt geführt.