Autobahnfahren in Katar bedeutet, mehr Blitzer als Verkehrsschilder in der staubigen Landschaft zu zählen – und von den Gastgebern oft die Lichthupe zu sehen, von der unser Reporter Marco Seliger vermutet, dass sie in diesem Land offiziell in die Wagen eingebaut wird.

Sport: Marco Seliger (sem)

Seit etwas mehr als einer Woche sind wir nun in der Wüste und damit jeden Tag irgendwo im Auto unterwegs, das wir meist über Autobahnen zwischen dem Wüstensand steuern. Mit unserer Vierer-Reportergruppe fahren wir wegen der Wohnlage in Al-Khor (40 Kilometer nördlich von Doha) und des täglichen Ziels (DFB-Quartier in Al-Ruwais, 60 Kilometer nördlich von Al-Khor) etwas abseits der großen Spur: Staus gibt es in Doha. In unserer Pampa gibt es nur Blitzer in der staubigen Landschaft – und Lichthupen.

 

Manchmal werden wir dabei rasend. Unser Mietwagen ist hier nicht gemeint, denn den kutschieren wir stets brav mit maximal 120 Kilometern pro Stunde durch die Gegend. Aus gutem Grund: Uns wurde gesagt, dass es Probleme bei der Ausreise geben könnte, wenn man geblitzt würde, denn da seien die Kataris streng. Wie streng, das sehen wir jeden Tag – weil auf unseren Strecken mehr Blitzer rumstehen als Verkehrsschilder. Uns schrecken die silbernen Apparate ab. Denn wir wissen nicht, wo genau sie stehen, also wissen wir, was wir tun – und fahren daher einen defensiven, auf Sicherheit bedachten Kurs. Das könnte Hansi Flicks Jungs auf dem Platz hier womöglich auch mal nicht schaden, aber das nur am Rande.

Stop and go bei 200 auf der Autobahn

Die einheimischen Scheichs dagegen gehen die Dinge zumindest in ihren Autos eher offensiv an. Sie geben Vollgas, was uns jeden Tag aufs Neue dieses Schauspiel liefert: Der Scheich drückt aufs Tempo und bremst dann neben uns auf der linken Spur kurz vor dem Blitzer abrupt wieder ab, weil er als Ortskundiger längst weiß, wann er seine Offensivtaktik über Bord werfen muss. Der Scheich kann beides: voll auf Angriff fahren und den Fokus auf die Defensive richten. Stop and go bei 200 auf der Autobahn – manchmal zu unserem Leidwesen.

Denn wenn die Straßen in der Ödnis doch mal ein bisschen voller sind, wollen die so höflichen wie zurückhaltenden Männer in den weißen Gewändern in einem Akt der Völkerverständigung offenbar schauen, wer genau da so vor ihnen fährt. Die Scheichs wollen uns definitiv näher kennenlernen, denn sie hängen uns mit ihren SUVs gern mal fast im Kofferraum. Und dann gibt es von hinten die höfliche Begrüßungsformel unserer Gastgeber: die Lichthupe, von der wir vermuten, dass sie hier offiziell in die Wagen eingebaut wird. Fernlicht, Rücklicht, Nebelschlussleuchte, Lichthupe – alles da für den sorgenfreien und schnellen Überholvorgang: das perfekte Wüstenset für den katarischen Autokunden.

Wir wurden übrigens auch schon in einspurigen, kurvigen Autobahn-Ausfahrten überholt, was uns aber inzwischen nicht mehr juckt. Ganz ehrlich – die Fahrkünste der Kataris sind uns inzwischen echt: Scheich-egal.

Blitzlichtgewitter für die Kataris – das können wir auch

Erst recht an diesem Sonntag, beim zweiten deutschen Gruppenspiel gegen Spanien. Da haben wir ein Heimspiel in Al-Khor. Zwei Kilometer Fußmarsch von unserer Bude raus ans Stadion, ein Traum im Sand. Neben der Arena führt übrigens direkt die Autobahn in Richtung Doha vorbei. Wir werden auf dem Weg freundlich grüßen – und im Zuge eines konzertierten Plans am Wegesrand unsere Smartphones zum Willkommensgruße zücken. Kurzes Blitzlichtgewitter für die Scheichs an einer Stelle, wo sie keinen Blitzer vermuten.

Al-Khor, leuchte hell!