Karlheinz Förster war einer der besten Abwehrspieler der Welt. Vor dem WM-Spiel der deutschen Mannschaft gegen Spanien blickt der Ex-Nationalspieler vor allem auf die Problemzone Defensive.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Der deutschen Fußball-Nationalmannschaft droht bei einer Niederlage an diesem Sonntag (20 Uhr/ZDF) das vorzeitige WM-Aus. Ex-VfB-Nationalspieler Karlheinz Förster, einst einer der besten Abwehrspieler der Welt, sagt, welche Umstellungen er vornehmen würde und warum er Mats Hummels mitgenommen hätte.

 

Herr Förster, haben Sie das Drama gegen Japan inzwischen verarbeitet?

Ein Drama wäre es gewesen, wenn wir ein Endspiel blöd verloren hätten. Aber klar, ein Rückschlag war es allemal, zumal die wenigsten damit gerechnet hatten.

Als ehemaligem Vorzeige-Vorstopper muss Ihnen bei den Abwehrschnitzern das Herz geblutet haben.

Wir haben zwei Tore bekommen, die man in der Form nicht bekommen darf, sie wären absolut zu vermeiden gewesen. Da leide ich schon auch mit.

Dass der deutschen Abwehr internationales Top-Format fehlt, hat sich doch aber schon in der Vorbereitung deutlich gezeigt.

Das stimmt. Unserer Abwehr fehlt es an Top-Format. Dieses Qualitätsproblem ist nicht neu und lässt sich auch nicht wegdiskutieren. Wir haben ein Problem auf den Außenverteidigerpositionen, da sind wir auf internationaler Ebene im besten Fall durchschnittlich besetzt. Niklas Süle hat es rechts hinten bei Borussia Dortmund teilweise ganz gut gemacht, doch wir sind hier bei einer WM, das ist ein ganz anderes Niveau. Beim ersten Tor war er viel zu passiv im Strafraum, beim zweiten Tor muss er nur einen Schritt nach vorne machen, dann steht der Gegner im Abseits. Deshalb glaube ich, dass die Grundaufstellung einfach falsch war.

„Niklas muss ins Abwehrzentrum“

Was schlagen Sie vor?

Wie schon angedeutet, war es schon sehr mutig von Hansi Flick, Niklas Süle als rechten Verteidiger aufzustellen. Wenn ich früher rechter Verteidiger hätte spielen müssen, hätte ich dem Trainer klargemacht, dass das nicht die optimale Position für mich ist. Niklas muss in der Innenverteidigung spielen, Joshua Kimmich könnte man eventuell auf die rechte Verteidigerposition ziehen. Du musst gegen die Spanier in der Defensive sicher stehen, deshalb wäre ein erfahrener Spieler wie Kimmich hinten rechts gut. Andererseits würde er dann im Zentrum fehlen.

Was halten Sie von einer Umstellung auf eine Dreierkette?

Hansi Flick muss schauen, wo es brennt, und dann diverse Umstellungen vornehmen, wobei zu viele personelle Wechsel auch gefährlich werden können. Ich aber würde auf eine Dreierkette umstellen. Mit Matthias Ginter, Niklas Süle, Antonio Rüdiger hätten wir eine gute Achse. Auf der rechten Außenbahn könnte ich mir Lukas Klostermann gut vorstellen, links Christian Günter. Dadurch wäre eine defensive Stabilität am ehesten gegeben. David Raum rennt mir zu viel nach vorne, dadurch wird die Defensive vernachlässigt.

Hätten Sie sich wie andere auch Mats Hummels im Team gewünscht?

Ich hätte ihn mitgenommen, ja. Mats ist zwar nicht der Schnellste, aber er hat ein gutes Stellungsspiel, ein starkes Zweikampfverhalten und große Erfahrung. Er würde schon Ruhe reinbringen. Aber das Thema ist durch.

Was spricht für eine Dreierkette?

Dass die Räume für die Spanier enger werden, vor allem wenn unsere Außenbahnspieler bei Ballverlusten sofort wieder ihre Positionen einnehmen. Wir haben gegen die Spanier nur eine Chance, wenn wir es ihnen defensiv extrem schwer machen.

Und vorne?

Ich habe noch nie verstanden, wenn es hieß, wir brauchen keinen Stoßstürmer mehr. Das halte ich für grottenfalsch. Es gibt eben auch Spiele, in denen eine Kante im Angriffszentrum wichtig ist. Der Einzige, der vorne ein Tor köpfen könnte, ist Niclas Füllkrug. Auf so einen Ochsen im Sturmzentrum kannst du nur dann verzichten, wenn der Gegner haushoch überlegen ist und du praktisch ausschließlich auf Konter aus bist.

Haben Sie noch Hoffnung aufs Weiterkommen?

Warum nicht? Noch ist alles drin. Wir haben bei der WM 1982 in Spanien das erste Spiel gegen Algerien mit 1:2 verloren und sind danach noch bis ins Finale durchgestartet. Ein bisschen blöd ist, dass als nächster Gegner jetzt gleich Spanien kommt und der Druck eben so extrem hoch ist, weil bei einer Niederlage die WM fürs DFB-Team vorbei sein kann. Wenn es erst gegen Costa Rica gegangen wäre, hätten wir uns mit einem Sieg neues Selbstvertrauen holen können.

Was würde ein Aus für den deutschen Fußball und den Bundestrainer bedeuten?

Dann wäre das sehr, sehr enttäuschend und ernüchternd, der deutsche Fußball wäre endgültig auf der Erde, auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Und was Hansi Flick betrifft: Erst einmal müsste man einen Besseren finden (lacht). Hansi hat mit dem FC Bayern das Triple gewonnen, und bis zur WM ist es ja auch ganz ordentlich gelaufen. Also an einen Trainerwechsel möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht denken.

Zur Person

Vita
Karlheinz Förster wurde am 25. Juli 1958 in Mosbach geboren. Er galt in den 1980er Jahren als einer der weltbesten Vorstopper. Sein größter internationaler Erfolg war der EM-Titel 1980, außerdem war er mit der deutschen Nationalmannschaft 1982 und 1986 Vizeweltmeister. Für den VfB Stuttgart, mit dem er 1984 deutscher Meister wurde, absolvierte er zwischen 1976 und 1986 insgesamt 311 Bundesliga-Spiele (22 Tore). 1990 beendete er seine Karriere nach vier Jahren bei seiner letzten Station Olympique Marseille.

Privates
Förster wohnt in Schwarzach. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist als Spielerberater kürzergetreten, betreut nur noch zwei Jugendspieler der TSG 1899 Hoffenheim. (jüf)