Die Argentinier setzen im WM-Finale auf eine stabile und kompakte Defensive. Bisher haben sie erst drei Tore kassiert. Doch viele Vorteile scheinen nun auf der deutschen Seite zu liegen.

Santo André -

 

Zum letzten Mal trafen sich die Bewohner des Campo Bahia am Mittwochabend zum gemeinsamen Fernsehschauen. Die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die Trainer und Betreuer, das ganze Team hinter dem Team, sie alle versammelten sich vor der großen Leinwand und verfolgten, wer ihr Gegner im WM-Finale sein würde. Sehr zufrieden gingen offenbar alle wieder auseinander, nachdem Argentinien am Ende gegen die Niederlande im Elfmeterschießen gewonnen hatte. Der Assistenztrainer Hansi Flick jedenfalls sagt: „Wir sind froh, dass es so gekommen ist.“

Alle Vorteile scheinen nun auf der deutschen Seite zu liegen, wenn am Sonntag das Endspiel beginnt. Vorteil eins: die große Mehrheit des Publikums wird fürs DFB-Team schreien, da es kein Brasilianer ertragen könnte, würde ausgerechnet der Erzrivale aus dem Süden mitten in Rio den WM-Titel feiern. Vorteil zwei: die Deutschen mussten nicht nur keine Verlängerung spielen, sie hatten auch einen Tag mehr zur Regeneration. Vorteil drei, der wichtigste von allen: Deutschland hat die klar besser besetzte Mannschaft und der Bundestrainer Joachim Löw die viel größeren taktischen Möglichkeiten.

Hansi Flick findet zum argentinischen Halbfinale jene Worte, die Fachleute nach einem völlig unansehnlichen 0:0 gerne benutzen: Das Spiel sei „taktisch hochinteressant“ gewesen. Man musste freilich schon ein echter Feinschmecker sein, um an dem Abnutzungskampf über 120 quälend lange Minuten Gefallen zu finden.

Die schlichte Marschroute der Argentinier

Immerhin zeigte das ereignislose Spiel die schlichte Marschroute, mit der es die Argentinier auch morgen versuchen werden. Flick beschreibt sie so: „Sie versuchen aus einer guten Defensivreihe heraus mit individuellen Aktionen zum Erfolg zu kommen.“ Mit anderen Worten: hinten machen sie den Laden dicht und hoffen vorne auf einen Geniestreich von Lionel Messi.

Auf einer stabilen und kompakten Defensive liegt ganz eindeutig das Hauptaugenmerk. Nur drei Tore haben die Argentinier in den bisher fünf WM-Spielen kassiert. Zwei davon im letzten Gruppenspiel gegen Nigeria (3:2), als es um nichts mehr ging; ein weiteres zum Auftakt gegen Bosnien (2:1), als dem Stuttgarter Vedad Ibisevic kurz vor Schluss noch der Anschlusstreffer gelang.

In Achtel- und Viertelfinale folgten zwei schmucklose 1:0-Siege gegen die Schweiz und Belgien. Dass es trotzdem keinen Grund gibt, sich vor der argentinischen Defensive zu fürchten, belegt die Tatsache, dass dort seit dem Viertelfinale auch Martin Demichelis spielt. Der frühere Münchner ist inzwischen 33 und gehört, vorsichtig ausgedrückt, nicht mehr zu den Allerschnellsten.

Es schmerzt das Fehlen von Ángel di María

In der Offensive schmerzt die Argentinier das Fehlen von Ángel di María. Selbst wenn er im Finale wieder spielen würde – im Vollbesitz seiner Kräfte wäre der Spieler von Real Madrid wohl nicht. Somit bleibt nur Messi, der bei der WM vier der acht Tore für sein Team geschossen hat. Gegen die Niederländer war allerdings auch von dem Superstar nichts zu sehen. Er wurde von Nigel de Jong und danach von Jordy Clasie in Manndeckung genommen – und war damit fast völlig aus dem Spiel.

Ob es die Deutschen ebenfalls mit einem Sonderbewacher versuchen? „Wir haben mit Sicherheit auch einen genauen Plan“, sagt Hansi Flick, „aber den werde ich nicht verraten.“ Klar sei nur: „Wir müssen versuchen, das Spiel mit kluger Taktik für uns zu entscheiden.“

Die wird nicht grundlegend anders aussehen als in den vergangenen beiden Spielen. Drei spielstarke zentrale Mittelfeldspieler vor der Viererkette, davor Mesut Özil über links, Thomas Müller über rechts, Miroslav Klose in der Mitte. Allesamt unberechenbar und im Kollektiv kaum unter Kontrolle zu bringen.

Gegen Argentinien wird Deutschland klar dominieren

Noch einmal weiterentwickelt hat sich die Spielweise seit der WM 2010, als die Deutschen dem Gegner das Spiel überließen und mit überfallartigen Kontern zum Erfolg kamen. Argentinien wurde auf diese Weise im Viertelfinale mit 4:0 überrollt. Danach, sagt Flick, „haben sich die Gegner besser auf uns eingestellt“ – was dazu führte, dass sich die Taktik veränderte. „Wir haben seitdem das Ballbesitzspiel verbessert, fast schon perfektioniert.“ Klammert man die erste Hälfte gegen Algerien aus, dann war Deutschland in allen WM-Spielen die klar dominierende Mannschaft. Gegen Argentinien wird es nicht anders sein.

Und wenn der Ballbesitz nicht weiterhilft, bleibt immer noch das althergebrachte Instrument der Standardsituation, die deutsche Geheimwaffe bei dieser WM. „Wir haben uns da einiges vorgenommen“, sagt Miroslav Klose, „im Finale wollen wir das auch umsetzen.“ Arjen Robben, der niederländische Halbfinalverlierer, hat keinen Zweifel, dass der Plan aufgeht: „Deutschland wird Weltmeister, Argentinien hat keine Chance.“