Steigende Mieten verschärfen die Spaltung. Eine Podiumsrunde zum Thema war mehr als eine bloße Wahlkampf-Plattform für den hiesigen SPD-Kandidaten Nicolas Schäfstoß.

Stuttgart-Zuffenhausen - Schon im lockeren Plausch vor Beginn deutete sich an, dass die von der Stuttgarter SPD organisierte Veranstaltung trotz der nahen Wahl zum neuen Bundestag mehr sein würde als eine bloße Wahlkampf-Plattform für den hiesigen SPD-Kandidaten Nicolas Schäfstoß.

 

Dafür sorgte auch Angelika Brautmeier. Sie ist die Geschäftsführerin des Mietervereins Stuttgart und kam gerade von der Beratung einer älteren Dame. Für eine 52 Quadratmeter große Wohnung soll die Frau nun 450 Euro bezahlen, 50 mehr als zuvor. Im Monat stehen ihr 860 Euro zur Verfügung, bei 750 Euro Rente: „Die Frau fühlt sich wie eine Bittstellerin, und eine kleinere Wohnung ist nicht in Aussicht. Dabei hat sie ein Leben lang gearbeitet, Kinder groß gezogen und nie staatliche Unterstützung in Anspruch genommen“, sagte Brautmeier. „Das Problem ist längst in der Mittelschicht angekommen.“

Ein drängendes Problem

Ein drängendes Problem

Das war das Vorzeichen der Debatte, und so war den Diskutanten auch nicht zum lockeren Plaudern zumute, als die Veranstaltung angesichts des nicht gerade überwältigenden Andrangs kurzerhand nach draußen verlegt wurde. Auch Nicolas Schäfstoß kam direkt von Hausbesuchen und berichtete Ähnliches: „Das ist ein drängendes Problem, das erste Thema, mit dem mich viele Familien konfrontieren.“ Ein weiterer betroffener Personenkreis seien Frauen in sozialen Berufen, „zumeist unanständig bezahlt“. Sie hätten wegen der hohen Mieten kaum Luft zum Leben und versuchten oft, aus Stuttgart wegzukommen. „Am besten außerhalb des S-Bahn-Bereiches“, meinte Daniel Campolieti, der stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende. „Stadtluft macht nicht mehr frei, sondern arm.“ Ganz so wollte das Monika Wüst nicht stehen lassen. Sie ist Stadträtin und Aufsichtsratsmitglied der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWSG. Sie wies darauf hin, dass bei sanierten SWSG-Wohnungen ein Euro Zuschuss pro Quadratmeter gewährt werden könne. „Und das ist doch schon was.“ Angelika Brautmeier sah das deutlich anders. „Es gibt in Stuttgart viele, die sich teure Wohnungen leisten können. Es gibt aber auch viele, die brauchen Mieten von fünf, sechs Euro pro Quadratmeter. Sie haben Kinder, arbeiten und wollen für sich selber sorgen. Die Mieten aber drücken sie an die Wand. Das ist die Realität in dieser Stadt.“ Dabei wies sie auf den Skandal hin, dass die ortsübliche Miete – das ist der Parameter bei Mietpreisfestlegungen – jeweils „nur mit den Mieten errechnet wird, die in den letzten vier Jahren gestiegen sind“. Günstige Wohnungen oder Genossenschaftliches fielen unter den Tisch. Das sei eine vom System eingebaute Renditegarantie, die soziale Aspekte erschlage. Brautmeier hat das aktuelle Stuttgarter Wohnungsangebot durchforstet. Ihr Ergebnis: „Die Preise liegen im Schnitt 40 Prozent über dem Mietspiegel.“

Wohnkosten sind Chefsache

Wohnkosten sind Chefsache

„Willkür und Wucher“ nannte Schäfstoß die gängige Praxis, womit die Runde dann bei den Gegenmaßnahmen war. Schäfstoß nannte etwa die Mietpreisbremse, also die Begrenzung der Erhöhung auf 15 Prozent in vier Jahren, derzeit sind es 20 Prozent in drei Jahren. Eine andere Möglichkeit sei ein gezieltes Förderprogramm für genossenschaftliches Bauen. Monika Wüst führte die SPD-Forderung ins Feld, die SWSG „wieder verstärkt auf ihren sozialen Auftrag zu verpflichten“. Auf Konsens traf auch ihre Forderung, das Problem zur Chefsache zu machen und endlich ein „Bündnis für Wohnen“ zu installieren, das alle Beteiligten an einen Tisch bringt. „Hamburg macht das sehr erfolgreich“.

Das letzte Wort hatte Angelika Brautmeier: „Am Markt fallen derzeit viele hinten runter. Das spiegelt die zunehmende Spaltung von Arm und Reich. Es ist das Gegenteil einer lebenswerten Stadt.“