Die Zahl der Wohnungseinbrüche sinkt weiter. Vor allem die Ferienzeit brachte in Stuttgart Entspannung. Schrecken härtere Strafen tatsächlich ab? Oder sind reisende Banden derzeit anderswo aktiv und begehen lieber Ladendiebstähle als Wohnungseinbrüche?

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Die Gelegenheit ist günstig. Die Terrassentür muss nicht aufgehebelt werden, sie steht offen, und von den Bewohnern ist nichts zu sehen. Der Mann mit dem schwarzen T-Shirt, der Bermudahose und dem schwarzen Rucksack schleicht sich ins Wohnzimmer des Einfamilienhauses. Dort erblickt er einen tragbaren Rechner und eine Digitalkamera, schnappt sich die Beute und verschwindet nach draußen, wo er über den Garten flüchtet. Dann aber nimmt die Tat, die sich am Sonntag gegen 13 Uhr in Ostfildern-Ruit (Kreis Esslingen) abspielt, einen überraschend anderen Verlauf.

 

Nur wenige Tage zuvor: In Esslingen, in Weinstadt und in Backnang (Rems-Murr-Kreis) geraten Wohnungen ins Visier von Einbrechern. In Degerloch, in der Felix-Dahn-Straße, achten die Täter sorgsam auf den Bewegungsmelder am Einfamilienhaus. Sie decken ihn ab, hebeln dann eine Nebeneingangstür auf und durchwühlen die Räumlichkeiten. Kein Zweifel: Die Einbrecher sind nach wie vor aktiv – auch wenn sie in den vergangenen Wochen in Stuttgart und der Region eine lange Sommerpause eingelegt haben.

Verfolgungsjagd auf dem Fahrrad

„Offenbar sind derzeit keine reisende Einbrecherbanden hierzulande unterwegs“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Sonst hätte es täglich mehrere Fälle gegeben. So aber scheinen eher Gelegenheitstäter unterwegs sein. Glücklicherweise: Denn im ersten Halbjahr hatte es in Stuttgart ganz anders ausgesehen. Gut 430 Fälle ließen befürchten, dass das Vorjahresniveau von 662 deutlich übertroffen werden würde. Doch dann machten die Einbrecher offenbar Sommerferien.

Zu welcher Kategorie der Täter in Ostfildern zählt, ist unklar. Das ist der Hausbesitzerin letztlich egal. Sie hat noch gesehen, wie der Unbekannte über die Terrasse verschwindet. Sie war zuvor in der Küche gewesen, hatte verdächtige Geräusche gehört und nach dem Rechten geschaut. Der Täter merkt nicht, dass die Frau nach draußen rennt und auf ihr Fahrrad steigt, um ihn zu verfolgen.

Oft langwierige Ermittlungen

Die Ermittler der Stuttgarter Kripo kommen ihren Tätern meist mühsamer auf die Spur. Sie hatten festgestellt, dass eine Einbruchserie in der ersten Jahreshälfte in gehobenen Wohngegenden mit anderen Fällen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zusammenhängen. Zwei Jahre brauchen sie, bis sie den Tätern einen Schritt voraus sind. Als diese in ein Haus in Gablenberg eindringen wollen, greift das Mobile Einsatzkommando zu.

Die Polizei sprengt damit eine moldawische Einbrecherbande. Als Köpfe der Gruppe zählen ein 26-Jähriger, der in der Landhausstraße eine Wohnung unterhält. Dort haben er und sein 52-jähriger Vater ihren Landsleuten und Handlangern Unterschlupf geboten, dort sollen die Fäden gezogen worden sein. In Stuttgart sollen sie für mindestens acht Fälle in diesem Jahr und für weitere acht seit 2016 verantwortlich sein. Bundesweit soll der Schaden in die Hunderttausende gehen.

Gefahr aus Moldawien

Einbrecher aus der Republik Moldau schienen ein Problem für die Region zu werden. Zuvor war eine siebenköpfige Bande aufgeflogen, die unter anderem in Herrenberg (Kreis Böblingen) und Waiblingen zugeschlagen hatte. Außerdem gingen zwei weitere Moldawier in Haft, die in Waiblingen von einer 55-jährigen Bewohnerin rechtzeitig bemerkt wurden.

Seit den letzten Festnahmeaktionen gegen diese Gruppierungen herrscht weitgehend Ruhe. Ist das der Grund, warum die Einbruchszahlen in Stuttgart bis Ende August dann doch zurückgingen? In den Landkreisen drum herum ist dies ebenso der Fall. In Ludwigsburg und Böblingen sind es zum Halbjahr etwas mehr als 320 Fälle – übers ganze Vorjahr waren es 910. Landesweit „sind die Fallzahlen nochmals gesunken“, heißt es im Innenministerium. 50 Prozent der Täter seien Deutsche, ansonsten seien „Personen aus Albanien, Rumänien, Georgien, der Türkei sowie aus dem ehemaligen Jugoslawien nach wie vor stark vertreten“, so Sprecher Carsten Dehner. Innenminister Thomas Strobl ist zufrieden: „Für Wohnungseinbrecher ist Baden-Württemberg ein schlechtes Pflaster.“

Dabei zeigt sich, wie wichtig aufmerksame Bewohner sind. Vor drei Wochen wurden zwei slowakische Täter in Schwieberdingen (Kreis Ludwigsburg) gesichtet und von der Polizei auf der Autobahn bei Leonberg gefasst. Die Bewohnerin hatte sich das ausländische Nummernschild gemerkt.

Aufmerksamkeit ist überaus wichtig

Beim jüngsten Fall in Ostfildern macht die Betroffene alles selbst. Mit dem Fahrrad kann sie den Täter nur wenige Häuser weiter stellen. „Sie hat ihn deutlich aufgefordert, die Beute wieder herauszugeben“, sagt Polizeisprecher Michael Schaal. Der verdatterte Täter gibt Laptop und Kamera wortlos zurück. Dann verschwindet er.