Das kann kein Zufall mehr sein: In und um Stuttgart schlagen verstärkt die Wohnungseinbrecher zu. In wenigen Tagen gibt es schon 40 Alarmfälle.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart/Böblingen - Der Mann aus Serbien ist nicht auf Bildungsreise. Eher scheint er sich für die Wertsachen zu interessieren, die er in einem Wohnhaus in Holzgerlingen (Kreis Böblingen) im ersten Stock vermutet. Dazu klettert er auf einen Anbau auf der Gebäuderückseite, erreicht dort ein Fenster, das er ohne Probleme aufhebelt. In der Wohnung findet er mehrere Hundert Euro – als er vom heimkehrenden Wohnungsinhaber überrascht wird. Der Einbrecher tritt die Flucht zurück durch das Fenster an. Dann passiert etwas, womit er nicht gerechnet hat.

 

Der Eindringling gehört offenbar zu einer Vielzahl von Einbrechern, die in diesen Tagen verstärkt Wohnungen in Stuttgart und den umliegenden Landkreisen aufsuchen. Als ob man mit dem Zurückdrehen der Uhren auf Winterzeit einen Startschuss gegeben hätte. Aus der Kriminaldatenbank und Crimemap unserer Zeitung geht hervor, dass es seither bereits mehr als 50 Fälle in Stuttgart und in der Region gegeben hat.

Wohnungseinbrecher werden selten gefasst

Zumeist tappen die Ermittler auf der Suche nach den aktuellen Tätern im Dunkeln – nicht so bei dem Täter, der da in Holzgerlingen in die Wohnung im ersten Stock eingedrungen ist. Als er vom 42-jährigen Bewohner überrascht wird, will er durchs Fenster über den Anbau zurück in den Garten flüchten. Doch plötzlich bricht er durch das Dach des Anbaus und stürzt unkontrolliert zu Boden. Dabei wird er schwer verletzt – und von dem 42-Jährigen und dessen 75-jährigem Verwandten festgehalten. Die Polizei nimmt den 26-jährigen Tatverdächtigen fest, der aus Serbien eingereist ist und in Deutschland keinen festen Wohnsitz hat. Der Mann wird mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.

Es ist einer der seltenen Fälle, bei denen ein Wohnungseinbrecher dingfest gemacht werden kann. Die letzte Erfolgsmeldung des Dezernats Eigentumskriminalität der Stuttgarter Kriminalpolizei liegt schon länger zurück. Mitte April 2019 war ein 37 Jahre alter Mann ermittelt worden, der in eine Wohnung an der Hauptstätter Straße in der Innenstadt eingedrungen war und dabei Schmuck, Uhren und Laptops im Gesamtwert von 4000 Euro erbeutet hatte. Der Tatverdächtige wurde später in seiner Wohnung in Degerloch gefasst und von einem Richter in Untersuchungshaft geschickt.

Mit der relativen Ruhe ist es vorbei

Lange Zeit herrschte in Stuttgart in Sachen Wohnungseinbruch relative Ruhe – doch damit ist es mit der dunklen Jahreszeit offenbar wieder vorbei. „Seit ein paar Tagen häufen sich die Wohnungseinbrüche“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann – und das über das ganze Stadtgebiet verteilt.

Allein über das vergangene verlängerte Wochenende gab es Einbruchsmeldungen aus Degerloch, Heumaden, Neugereut, Stuttgart-Nord, Steinhaldenfeld, Rohr und Weilimdorf. Das Auffällige dabei: Die Täter bevorzugten Erdgeschosswohnungen. In allen Fällen wurden Terrassentüren oder Fenster im Parterre aufgehebelt. Anschließend wurden Schmuck, Geld und andere Wertgegenstände im Wert von mehreren Tausend Euro mitgenommen. Das Problem der Ermittler: Es gibt nicht einmal vage Täterbeschreibungen – etwa von Personen mit dunkler Kleidung und Baseballmützen. Die Täter verschwanden, ohne dass in der Nachbarschaft etwas bemerkt worden wäre.

Kein Haftbefehl gegen den verletzten Täter

So auch bei einem Einbruch, der erst am Montag gegen 19.30 Uhr bemerkt wurde: Unbekannte Täter nahmen eine Doppelhaushälfte an der Greutterstraße in Weilimdorf ins Visier, schlugen eine Scheibe ein, durchwühlten die Räumlichkeiten. Ob sie Beute mitgehen ließen, ist noch unklar. Die Ermittlungen dauern an.

Der verletzte Wohnungseinbrecher von Holzgerlingen ist bisher nicht als Straftäter auffällig gewesen, wie Polizeisprecher Peter Widenhorn vom Polizeipräsidium Ludwigsburg auf Anfrage erklärt. Als mutmaßlicher Ersttäter in Deutschland hat der 26-Jährige aus Serbien wohl lediglich eine Anzeige, aber keine Inhaftierung zu fürchten. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf den Antrag eines Haftbefehls. Offenbar erwartete sie bei einer einzelnen Tat kein Strafmaß, das eine Untersuchungshaft gerechtfertigt hätte.