Im Amtsblatt erschien eine Anzeige, in der ein Vermieter für seine Wohnung eine „nette deutsche Familie“ sucht. Ist das rechtens? Und haben Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Wohnungsmarkt schlechtere Chancen?

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Filderstadt - Die Wohnungsannonce im Filderstädter Amtsblatt klingt vielversprechend: „Schöne 4-Zimmer-Wohnung, EBK, Bad, Balkon ab 1.11.2018 in Filderstadt zu vermieten, Kaltmiete 740 Euro“, steht darin. Zuschriften sollen die Interessenten an Nussbaum Medien senden. So weit, so gewöhnlich. Allerdings steht in der Wohnungsanzeige ein weiteres Detail, das stutzig macht: „an nette deutsche Familie oder Paar“.

 

Im Internet auf der Facebook-Seite Filder-Pinnwand wird die Annonce heftig diskutiert. Mehr als 400 Kommentare wurden dort bereits abgegeben. Manche Nutzer wie Julia B. vertreten die Meinung, es sei Sache des Vermieters, wen er in seine Wohnung lassen will: „Sorry, aber muss man sich jetzt für alles rechtfertigen? Das ist doch denen ihre Sache!“ Das wiederum stößt vielen anderen sauer auf. Bettina T. kann nicht fassen, wenn Rassismus nicht nur subtil, sondern offen gezeigt werde: „Und genau das macht mir persönlich Angst... wenn das jetzt so zu sagen salonfähig ist.“ Eine Person mit ausländisch klingendem Namen fragt: „Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Würde ich die Wohnung bekommen? Oder bin ich nicht deutsch genug?“ Johannes K. gibt zu Bedenken: „Ich kenne viele nette, deutsche Familien, die ich nicht als Mieter haben will. Viele meiner ausländischen Kollegen hingegen sind gut gebildete IT-Fachkräfte, die perfekte Mieter wären. Die Auswahl anhand von Nationalität ist einfach nur dämlich!“ Vera H. wünscht dem Vermieter, der die Wohnungsanzeige aufgegeben hat, „100 Prozent biodeutsche Mietnomaden“.

 

Der angespannte Wohnungsmarkt betrifft alle

Auf die Frage, ob Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt oder gar diskriminiert werden, hat die Leiterin des Amtes für Integration, Migration und Soziales eine klare Meinung: „Der Wohnungsmarkt ist sehr angespannt, das betrifft hier wirklich alle“, sagt Barbara Scheubert. Sie mache die positive Erfahrung, dass geflüchtete Menschen gut in privaten Wohnungen unterkommen. Dies sei erfreulich und wichtig, denn: „Wohnen und Arbeit sind die Grundpfeiler, auf die man aufbauen kann.“ Denn Eigenständigkeit sei ein wichtiger Schritt bei der Integration in die Gesellschaft.

Darf ein Vermieter Ausländer ausschließen?

Doch ist eine solche Anzeige rechtens? „Grundsätzlich darf eine Wohnungsannonce keine Einschränkungen bezüglich der Nationalität der Mieter und Mieterinnen vornehmen“, sagt Daniel Bartel vom Antidiskriminierungsverband Deutschland ADVD. Der Verweis auf die Nationalität der Mieter sei eine rassistische Diskriminierung und verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Allerdings mache der Gesetzgeber eine Einschränkung: Wenn die Wohnung im „sozialen Nahbereich“ des Vermieters liegt, wenn es sich also zum Beispiel um eine Einliegerwohnung im Haus des Vermieters handelt oder um ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft. „Da erlaubt der Gesetzgeber Diskriminierung“, sagt Bartel. Der Gedanke dahinter sei, dass es eine Überschneidung der Lebensbereiche gebe. Bartel gibt aber zu bedenken: „Nicht alles, was rechtens ist, ist auch legitim.“

Anzeige ist durchgerutscht

Seitens der Stadtverwaltung, die das Amtsblatt herausgibt, wird der Vorfall bedauert. „Das ist diskriminierend und benachteiligend und hat da nichts zu suchen“, sagt die Pressesprecherin Lena Gillmeister. Allerdings zeichne für den Anzeigenteil das Medienunternehmen Nussbaum verantwortlich. Dort werden die Anzeigen verkauft und normalerweise auch geprüft. Dass die „nette deutsche Familie“ so im Druck erschienen ist, wird dort sehr bedauert und der Fehler eingeräumt. „Es tut uns außerordentlich leid“, betont Andrea Hezel, die das Büro in Leinfelden-Echterdingen leitet. Es handele sich um einen „bedauerlichen Einzelfall“. „Diskriminierung entspricht nicht den Werten von Nussbaum Medien“, sagt Hezel. Gedruckt würden im Normalfall nur Privatanzeigen mit harmlosem Inhalt, kritische Anzeigen würden einem Medienanwalt vorgelegt. Alle Mitarbeiter, versichert Hezel, würden sich künftig sehr bemühen, dass so ein Fehler nicht noch einmal passiere.