Mietwohnungen sind auf den Fildern mittlerweile so kostspielig, dass jungen Leuten nicht anderes übrig bleibt, als zu Hause wohnen zu bleiben – oder aber der Heimat den Rücken zu kehren. Dagegen regt sich nun Widerstand .

Leinfelden-Echterdingen - Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass junge Menschen den Auszug aus dem Hotel Mama scheuen, weil es dort so nett ist. Weil die Mutter putzt, kocht, sich kümmert. Doch diese Zeiten sind auch auf den Fildern längst vorbei. Lia Dietrich wohnt zwar noch zu Hause, wäscht ihre Wäsche aber längst selbst und packt im Haushalt mit an. „Ich habe früh gelernt, selbstständig zu sein“, sagt die Studentin der Sozialen Arbeit. Und: „Da hat meine Mutter alles richtig gemacht. Denn zum Heranwachsen gehört es auch, selbstständig zu werden.“

 

Sie hat sich vorgenommen, spätestens Ende des Jahres in eigenen vier Wänden zu leben. Eine für sie bezahlbare Mietwohnung hat sie aber bisher in Leinfelden-Echterdingen nicht gefunden. Mittlerweile kann sie sich sogar vorstellen, ihre Heimat zu verlassen. Obwohl sie dort sehr gerne lebt und sich als Jugendgemeinderätin für junge Menschen in der Kommune einsetzt. Doch auch von Herrenberg oder Schorndorf aus, könnte sie mit der S-Bahn nach Stuttgart an die Hochschule pendeln.

Man muss Leute kennen, die Leute kennen

Lukas Niechziol, Physikstudent in Stuttgart-Vaihingen und ebenfalls Jugendgemeinderat in Leinfelden-Echterdingen, hat bereits mit zehn Jahren in der Küche gestanden, ist mit 20 Jahren von zu Hause ausgezogen und wohnt mittlerweile mit seiner Freundin zusammen. Die Wohnung sei geräumig und für Leinfelden-Echterdingen extrem günstig. Das Paar hatte bei der Wohnungssuche sehr viel Glück. Denn der Wohnungsmarkt ist extrem angespannt.

Warum das so ist? Gute Anbindung an den ÖPNV und das Straßennetz, man sei schnell in Stuttgart oder auch in Tübingen. Die Stadt biete eine hohe Lebensqualität, gute Freizeitmöglichkeiten, die Arbeitssituation in der Stadt sei sehr gut, lautet die Einschätzung der jungen Leute. Wer schon einmal eine Wohnung in L.-E. gesucht hat, weiß: „Es passiert sehr viel über Beziehungen. Man muss Leute kennen, die Leute kennen. Das ist freilich nicht gerecht“, sagt Niechziol.

Selbst kleine Wohnungen kosten sehr viel Geld

Ganz verstehen können die beiden die Mietpreise in Leinfelden-Echterdingen dennoch nicht: Die Durchschnittsmiete liegt bei zehn Euro pro Quadratmeter, und damit gerade so unter dem Niveau von München, rechnen sie vor. Da fällt schon für eine Wohnung zwischen 20 und 40 Quadratmetern eine Kaltmiete von mehr als 400 Euro an, heißt es in einem Papier mit dem der Jugendgemeinderat auf ein Thema aufmerksam machen will, dass vielen jungen Menschen auf den Fildern unter den Nägeln brennt. Hinzu kommen Nebenkosten, Ausgaben für die ÖPNV-Monatskarte und Lehrmittel.

Auszubildende, Studierende und junge Berufsanfänger stehen vor der Wahl, bei den Eltern wohnen zu bleiben oder aber wegzuziehen, an einen Ort, an dem das Leben bezahlbarer ist. „Ein Viertel meines Freundeskreises ist schon weggezogen“, sagt Lia Dietrich. „Die Leute sind zwar nicht aus der Welt. Aber es macht schon einen Unterschied, ob die beste Freundin gleich ums Eck wohnt oder ob man sich nur am Wochenende sieht.“

Dem Jugendrat von L.-E. ist es ein Anliegen, dass junge Leute ihrer Heimat eben nicht – womöglich für immer – den Rücken kehren müssen. „Wir wünschen uns, dass sie bei uns in der Stadt bleiben, hier ihre neue Bleibe finden und gut leben können“, sagen die Nachwuchspolitiker. Sie haben auch schon ein paar Ideen entwickelt, wie das gelingen könnte.

Bauen ist ein schwieriges Thema in der Stadt

Am effektivsten sei es, in Leinfelden-Echterdingen ein Wohnheim für Studierende und Auszubildende zu bauen, heißt es ihrem Positionspapier. Allerdings sei diese Idee wohl eher schwierig umzusetzen. „Bauen in unserer Stadt ist immer ein schwieriges Thema und ein langsamer Prozess“, sagt Niechziol. Die Kommune könnte aber eine Vermittlungsplattform einrichten, die es Vermieter erleichtert, an junge Menschen zu vermieten. Die Stadt könnte für Neubaugenehmigungen von Mehrparteienhäusern eine Quote für junges, bezahlbares Wohnen festlegen.

Ein Großteil der Fraktionen habe sich bei einer Veranstaltung im Vorfeld der Kommunalwahl vor knapp einem Jahr für eine städtische Wohnungsbaugesellschaft ausgesprochen. „Wir wissen nicht, was sie davon abhält, dies nun auch umzusetzen“, sagt Niechziol.

Wer will mitdiskutieren?

Um das Thema junges Wohnen in L.-E. wird es auch in der Sitzung des Jugendgemeinderates am 4. März gehen. Alle, die sich in dieser Debatte mit Ideen und Vorschlägen einbringen wollen, sind dazu eingeladen. Die Sitzung beginnt um 18 Uhr im Jugendhaus Areal in Leinfelden.