Wolfgang Kubicki hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach kritisch zu den Daten des Robert-Koch-Instituts geäußert. Der jüngste Auftritt des FDP-Politikers bei Anne Will ruft erneut reichlich Kritik hervor.

Digital Desk: Jonas Schöll (jo)

Berlin/Stuttgart - Deutschland verstärkt seine Lockerungsübungen. Fast überall werden die Corona-Beschränkungen abgemildert, auch wenn die Normalität noch ein ganzes Stück entfernt bleibt. Treffen mit Mitgliedern eines anderen Haushalts, der Einkauf auch in großen Geschäften, mehr Sport im Freien und mancherorts sogar der Besuch von Restaurants sind nun wieder erlaubt.

 

Die strengen Abstands- und Hygieneregeln aber gelten weiter. Und auch die Unsicherheit mit Blick auf die Infektionszahlen bleibt. Mit der sogenannten Reproduktionszahl ist zuletzt einer der entscheidenden Werte zum Infektionsgeschehen der Corona-Pandemie in Deutschland wieder gestiegen.

Kommen die Lockerungen zu früh?

In diesem Spannungsverhältnis diskutierten Politiker und Wissenschaftler am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“ das brisante Thema der Sendung: „Deutschland macht sich locker – ist das Corona-Risiko beherrschbar?“ Eingeladen waren die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), Ute Teichert, die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, die Forscherin Viola Priesemann, der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock und Talkshow-Dauergast Wolfgang Kubicki (FDP).

Und der stellvertretende FDP-Vorsitzende, der sich in den vergangenen Wochen bereits mehrfach kritisch zu den Daten des Robert-Koch-Instituts geäußert hatte, sorgte mit seinen Aussagen einmal mehr für reichlich Diskussionsstoff.

Zunächst verteidigte der FDP-Politiker den nicht unumstrittenen Neustart der Fußball-Bundesliga: „Ich glaube auch, dass es zur Nervenberuhigung von vielen, vielen Menschen beitragen wird, wenn sie wenigstens im Fernsehen Samstagnachmittag wieder Fußballspiele sehen können. Mich nerven die Konserven der letzten Fußball-Weltmeisterschaften auch schon ganz mächtig.“ Damit sprach Kubicki vermutlich noch vielen Menschen und besonders den Fußball-Fans aus der Seele.

Kubicki plädiert für Eigenverantwortung – und erntet Kritik

Doch für reichlich Empörung im Netz sorgte ein anderer Standpunkt des FDP-Vizes: „Menschen müssen für sich selbst sorgen. Wenn jemand Angst hat, soll er eben zu Hause bleiben“, sagte der Bundestagsvizepräsident in gewohnt provokanter Manier. Der 68-Jährige plädierte dafür, auf die Eigenverantwortung der Menschen zu setzen. „Ich weiß nicht, was ich mit der R-Zahl von 1,1 oder 1,13 anfangen soll“, sagte er. Er sei sich nicht sicher, ob die zugrunde liegenden Daten überhaupt plausibel seien.

Die Reproduktionszahl, die angibt, wie viele andere Menschen ein Infizierter ansteckt, stieg nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Samstag von 0,65 am Mittwoch auf nun 1,10. Das bedeutet, dass zehn Infizierte gut 11 weitere Personen anstecken. Das RKI schrieb aber dazu: Wegen statistischer Schwankungen könne noch nicht bewertet werden, ob es zu einem Wiederanstieg der Fallzahlen kommt.

Reichlich Spott im Netz

Dennoch ließ der Spott für Kubicki nicht lange auf sich warten: „Aha, also Nicht-Wissen als Grundlage für eine Forderung nach Lockerungen“, spottete der Essener CDU-Abgeordnete Matthias Hauer in dem Kurznachrichtendienst Twitter. SPD-Politikerin Hilde Mattheis nahm die umstrittenen Äußerungen zum Anlass, um eine grundlegende Kritik an der FDP loszuwerden. Und die in Filderstadt geborene Grünen-Politikerin Ricarda Lang fügte hinzu: „Was machen dann Ärztinnen, Pflegende, Verkäufer im Supermarkt? Die können nicht zu Hause bleiben, sonst bricht alles zusammen. Sie sind auf unser aller Solidarität angewiesen.“ Fürsprecher fanden sich auf Twitter kaum.

Viele weitere Nutzer im Internet schlossen sich der Kritik am FDP-Politiker an: