Spaß trotz Parkinson – das Radio-Urgestein Matthias Holtmann zeigt als Gast von Fräulein Wommy Wonder, wie das geht. Und dem von der Krankheit gezeichneten gelingt der Drahtseilakt auf bemerkenswerte Weise.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Von Frl. Wommy Wonder ist man so einiges gewohnt: gewagte Roben, turmhohe Frisuren und tiefergelegte Scherze. Aber Michael Panzer wäre nicht Wommy Wonder, wenn er oder sie bei allen glamourösen Auftritten nicht gelegentlich auch einen Schritt zurücktreten könnte, um die Bühne ein Stück weit anderen zu überlassen. So auch im Rahmen des Gastspiels zum 30-jährigen Bühnenjubiläum in der Sparda-Welt, das wegen des Erfolgs um eine Woche verlängert worden ist.

 

Holtmann nervt die übergroße Fürsorge

Zu Gast an einem Abend, der wenig mit dem Jubiläumsprogramm „Sahneteilchen de luxe“ zu tun hat, war Matthias Holtmann. Ein Mann, der gezeichnet ist von seiner Parkinson-Erkrankung, die 2009 diagnostiziert worden war, und eine schrille Travestieshow – wie soll das zusammengehen? Gut. Denn bei aller Einschränkung des Bewegungsapparats, die Holtmann zu schnell schlurfenden Schritten, gebeugter Haltung und starrer Mimik zwingt – das Kognitive, wie er selbst sagt, und vor allem seinen Humor hat er nicht verloren. Auch die legendäre Schnellsprech beherrscht der Mann, der 35 Jahre lang die Radiolandschaft prägte – erst beim SDR, dann als Musikchef von SWR 3 und schließlich bis zu seinem Rückzug dieses Jahr mit 65 von SWR 1 –, immer noch, wenn auch einige Silben vernuschelt werden. „Alle Leute denken, du bist bekloppt“, sagt Holtmann. Diese „übergroße Fürsorge“, als sei er Pflegestufe 3, „nervt manchmal ein bisschen“.

Aber er ist noch ziemlich aktiv, tourt mit seinem „Pop & Poesie“-Programm und schreibt gerade an seinem zweiten Buch. Das dritte böse P-Wort seiner Erstlings wäre in der Sparda-Welt beinahe nicht gefallen. Doch als Holtmann einen Klassiker von Janis Joplin anstimmt und dann ins Deutsche zu „Oh Gott, kauf mir ein Auto mit Allradantrieb“ adaptiert, ist der Titel der Autobiografie komplett: „Porsche, Pop und Parkinson“. Denn Holtmann ist ein bekennender Autonarr, fährt unter anderem einen muskulösen Dodge Challenger und hat mit seiner Corvette auf einem Behindertenparkplatz auch schon mal Ärger bekommen. Den Berechtigungsausweis hatte er sich aber gleich bestellt, denn, so Holtmann über seine Krankheit: „Für irgendwas muss der Scheiß ja gut sein.“

Koketterie mit dem Alter

Auch aus seinem Leben mit Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll – wobei sich die Reihenfolge im Alter ändere und Schokolade seine einzige Droge sei – gibt es Anekdoten. Als Holtmann schon bei „Guten Abend Baden-Württemberg“ auf SWR 1 war, habe ein Hörer angerufen: „Warum spielt ihr immer diese Negermusik?“ – „Weil wir den Krieg verloren haben.“ Die schlagfertige Wommy Wonder ist wie immer ebenso wenig verlegen, auch wenn sie kokettiert: „Ich komme langsam in ein Alter, in dem Happy und Birthday getrennte Wege gehen.“

Matthias Holtmann jedenfalls ist 2013 mit 63 noch einmal Vater geworden und sagt nur trocken trotz Parkinson: „Ja, man kann.“ Und er sei schon sehr gespannt auf den Abischnitt seines Julius Theodors.