Sophie (Emma Stone) kann angeblich mit dem Jenseits kommunizieren. Stanley (Colin Firth) ist Bühnenzauberer und entlarvt gerne Scharlatane, die mit Übersinnlichem Geld verdienen. Beim Aufeinandertreffen der beiden Widersacher ist Woody Allen nicht in Topform.

Stuttgart - Stanley Crawford hat nichts gegen falschen Zauber. Schließlich weiß er bestens, dass es keinen echten gibt. Stanley ist Bühnenzauberer, und im Varieté scheut er keinen Pomp, kein Spektakel, keinen Kitsch, um sein Publikum zu verwirren, zu verblüffen, zu erfreuen. Denn er begreift die Show als Vertrag zwischen Zuschauern und Zauberer: Die einen wissen, dass der Kerl auf der Bühne nicht wirklich Elefanten weghexen, Jungfrauen zersägen und durch Gedankenkraft von einem Ort zum anderen hüpfen kann. Der andere darf sich beim Tricksen nicht erwischen lassen, er muss auch den Wachsamen im Publikum die perfekte Illusion bieten.

 

Der virtuose Stanley, gespielt von Colin Firth, ist eine der Hauptfiguren des neuen Films von Woody Allen, dessen Titel „Magic in the Moonlight“ nicht zufällig an Hollywood-Romanzen der dreißiger und vierziger Jahre erinnert. Das Ganze spielt im Frankreich der Zwanziger, meistens auf einem feinen Anwesen, das der schnöden Realität vornehm entrückt ist. Hier können die Figuren nach Herzenslust streiten, flirten und intrigieren. Den großen Regisseuren des alten Hollywood hat solch eine Umgebung die Freiheit geschenkt, Charaktere zu zeichnen.

Sehnsucht nach anderen Zeiten

Aus seiner Nostalgie, seiner Wehmut, ein goldenes Zeitalter von Musik, Film und Populärkultur verpasst zu haben, hat der 79-jährige Allen nie ein Geheimnis gemacht, sondern ein Markenzeichen. Wenn wir zu Beginn von „Magic in the Moonlight“ Stanleys Bühnenshow sehen, die an die Auftritte des legendären Houdini erinnert, ist Allen ganz bei sich. Wie in „The Purple Rose of Cairo“ (1985), „Radio Days“ (1987) und „Im Bann des Jadeskorpions“ (2001) erzählt er vom bezaubernden, illusionsmächtigen Entertainment einer anderen Ära.

Aber bevor wir noch befürchten, Allen werde sich ganz der Verklärung hingeben, taucht ein konfliktreiches Thema auf. Wie Houdini (1874-1926)ist auch Stanley Crawford ein Jäger von Scharlatanen. Er entlarvt Spiritisten, Wahrsager und Engelsmedien, die den Leichtgläubigen und Bedürftigen das Geld aus der Tasche zieht. Mit von Hochmut durchsetzter Effizienz lässt er ihre Tricks auffliegen.

Wie entlarvt man ein Medium?

In „Magic in the Moonlight“ wird Stanley von seinem Freund und Kollegen Howard (Simon McBurney) gebeten, sich das junge Medium Sophie Baker (Emma Stone) anzusehen, das einer reichen alten Dame dabei hilft, mit ihrem verstorbenem Gatten zu kommunizieren. Stanley wird als angeblicher Geschäftsreisender auf das Gut geladen, will die junge Amerikanerin rasch als Hochstaplerin entlarven und scheitert wiederholt. Die stete Konfrontation auf der handwerklichen Ebene der Zauberei bringt Stanley und Sophie einerseits ständig in Kontakt zueinander, andererseits macht sie es fast unmöglich, zarteren Gefühlen nachzugeben.

„Magic in the Moonlight“ scheint anfangs einer der interessanteren späten Allen-Filme zu werden, weil keinesfalls das Happy Ending durch jede Szenen schimmert. Firths Stanley ist auch ein arroganter, miesepetriger, misanthropischer Klotz, und Sophie möglicherweise eine perfide Parasitin. Im Vokabular einer anderen Kino-Ära spiegelt sich da etwas, was Allen in Komödien wie „Der Stadtneurotiker“ (1977) anhand von Psychomacken, Ticks und Überspanntheiten seiner Psychoanalysejunkies darstellte, die BeinaheUnmöglichkeit, romantisch beglückende Partnerschaften zu entwickeln.

Woody Allen gibt es zweimal

Noch spannender als die Brechung des Balztanzrituals ist die Suche nach Allens Platzhaltern im Film. Die Reifung des Komikers drückte sich in seinen Alter-EgoFiguren aus, die er als Regisseur und Hauptdarsteller auf die Leinwand brachte. Allen hat Szene um Szene die Figur erfunden, die wir als Woody Allen kennen, und bald war die Frage, ob er die Distanz zwischen Künstler und Werk aufrecht erhalten konnte und wollte.

In seinen späteren Filmen, in denen Allen nicht mehr immer selbst die Rolle des Liebe Suchenden oder vor Liebe Flüchtenden spielte, mussten die Darsteller oft dagegen ankämpfen, eine Allen-Karikatur abzugeben, eine in Körpermaß, Habitus und Anmutung unpassende Urlaubsvertretung. Das Spätwerk Allens ist also dann am stärksten, wenn es nicht mit der Standardfigur belastet wird, die er selbst so lange gespielt hat. In „Magic in the Moonlight“ tauchen nun zwei Figuren auf, die Allen hätte spielen können, aber keine ist eine komplette Allen-Kopie.

Firths Stanley ist der Mann, der in eine komplizierte Gefühlslage gerät, aber er ist selbstbewusster, erfolgreicher, stolzer, maskuliner als die gewohnte Allen-Figur. Simon McBurneys Howard ist die andere Allen-Variante, der wieseligere, weniger imposante, randständigere Mann, mit dem Bedürfnis, die Welt eher zu kommentieren als zu gestalten, aber auch er erweist sich als viel kontrollierter.

Nun folgt die Enttäuschung

Wie Allen diese Alternativentwürfe vertrauter Figuren in Position bringt, kann Hoffnung auf ein originelles Spätwerk, wenn nicht einen Schlüsselfilm machen. Aber dann folgt die Enttäuschung: Allen frisst sich fest im Nicht-vor-nicht-zurück von Stanleys Fasziniertsein von Sophie. Er reizt die komfortable Weltabgeschiedenheit des Schauplatzes bis zur Putzigkeit aus.

Er bewegt die Figuren mit dösiger Ruhe durch Ränke, die Howard Hawks und andere Meister der Screwball-Comedy zu quirliger Konfliktentfaltung genutzt hätten. Und er fährt die intellektuelle Freude an der Suche nach der Wahrheit hinter der Täuschung im gleichen Maße zurück, wie er unspezifischen Jammer durch die Bilder wabern lässt: ach, warum können die Menschen nicht einfacher zueinander finden?

Mit einer Schlussvolte kommt er zwar auf das Thema zurück, dass alles überall und jederzeit Lug und Trug ist, dass das Schicksal uns mit Zaubertrick um Zaubertrick prüft. Aber bis dahin hat er eine Regel verletzt, die Stanley und Houdini verinnerlicht hatten: die Show muss beständig so faszinierend sein, dass die Menschen das Getäuschtwerden lieben.

Magic in the Moonlight. USA 2014. Regie: Woody Allen. Mit Colin Firth, Emma Stone, Simon McBurney, Jacki Weaver. 98 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.