Ein Workshop am Ferdinand-Porsche-Gymnasium Zuffenhausen behandelt die Verfolgung und Diskriminierung von Sinti und Roma.

„Mein Großvater ist Rumäne. Er hat immer schlecht über Sinti und Roma gesprochen.“ Mit diesem Erlebnis dürfte der Schüler nicht allein sein. Die Verfolgung und Diskriminierung der Minderheiten, die im Dritten Reich im Völkermord mündete, zieht sich bis heute durch die Geschichte, jedoch nicht in gleichem Maße durch die Schulgeschichtsbücher. Mit Aufklärungsarbeit, wie jüngst am Ferdinand-Porsche-Gymnasium Zuffenhausen (FPGZ), arbeiten Aktivistinnen wie Esther Reinhardt-Bendel und der Jurist Kamil Majchrzak gegen Ignoranz und das Vergessen an.

 

Mit Workshops das Thema Antiziganismus ins Bewusstsein rufen

Was wissen junge Menschen heute eigentlich über die Geschichte der Sinti und Roma? Nicht viel, sagt die Stuttgarter Sinteza Esther Reinhardt-Bendel, Mitbegründerin der Initiative Sinti-Roma-Pride. Mit Workshops, wie hier am FPGZ, möchte sie das Thema Antiziganismus ins Bewusstsein rufen. Denn über die Minderheiten, die bereits seit dem frühen 15. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa leben, ist den Menschen wenig bekannt. Vorurteile gibt es dagegen viele.

Verfolgung waren sie schon immer ausgesetzt. Von den Nationalsozialisten wurden sie jedoch systematisch erfasst. Man diffamierte sie als Asoziale und Kriminelle, unterschied in „stammechte Zigeuner“ und „Zigeuner-Mischlinge“, viele wurden zwangssterilisiert und schließlich in Konzentrationslager, unter anderem Buchenwald und Auschwitz, verschleppt. Die Grundlage dazu lieferte die Rassentheorie von Robert Ritter, der die sogenannte rassenhygienische Forschungsstelle der Nazis leitete.

Das „Sippenarchiv“ nutzte die deutsche Kriminalpolizei noch lange Zeit

Erschreckend ist, wie dessen Arbeit nachwirkte. Das „Sippenarchiv“ nutzte die deutsche Kriminalpolizei, allem voran die Landfahrerstelle der Münchener Polizei, die von Spezialisten der NS-Zeit besetzt war, noch Jahrzehnte nach 1945 zur lückenlosen Erfassung. Die zurückkehrenden Sinti und Roma drängte man an den Rand der Gesellschaft.

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„Die Menschen kamen wieder aus den Lagern in ihre Heimat und ihre Wohnungen und Häuser waren weg, sie mussten bei null anfangen“, sagt Esther Reinhardt-Bendel. „Wer einen Ausweis oder Gewerbeschein beantragen ging, saß häufig einem SS- oder Gestapo-Mann gegenüber“, ergänzt sie. Nach Ende des Krieges arbeiteten ehemals aktive Nationalsozialisten wieder in Behörden und Schulen. Auch die Ermittlungen gegen Robert Ritter stellte man ein, stattdessen wurde er städtischer Medizinalrat in Frankfurt.

Lange mussten sie dafür kämpfen, dass der Völkermord anerkannt wurde

„Für mich ist es normal, dass jungen Menschen das alles neu ist“, sagt Reinhardt-Bendel und fügt über ihre eigene Schulzeit hinzu: „Es war schmerzlich im Geschichtsunterricht nur ein Halbsatz gewesen zu sein.“ Sie würde sich wünschen, dass das Thema an Schulen breiter behandelt würde. Es strahlt nämlich bis heute aus. Lange mussten die Minderheiten allein dafür kämpfen, damit der Porajmos, also der Völkermord an den europäischen Sinti und Roma, als solcher durch die Bundesregierung anerkannt wird. Bürgerrechtler erreichten dies erst im Jahr 1982.

„Ich möchte über die Heterogenität aufklären. Deutsche Sinti, die hier seit Generationen leben, unterscheiden sich von Roma, die aus Rumänien und Bulgarien zuwandern“, erklärt Reinhardt-Bendel. Letztere würden ihre Identität häufig verheimlichen, da sie bereits in ihren Herkunftsländern stark diskriminiert würden.

Das bestätigte auch Kamil Majchrzak, der ebenfalls ans FPGZ gekommen war, um über seinen Dokumentarfilm „Contemporary Past“ zu sprechen. Der in Berlin lebende Jurist ist Vize-Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Enkel eines polnischen Auschwitz-Überlebenden. Sein Großvater überlebte Buchenwald und Auschwitz.

Man müsse an die Vergangenheit erinnern, um die Zukunft zu ändern

Heute betreibt Majchrzak auch Erinnerungsarbeit. Mit einer Enkelin eines KZ-Häftlings aus Rumänien hatte er zunächst ein zehntägiges Seminar im KZ Buchenwald für Schülerinnen und Schüler aus Deutschland, Polen und Rumänien geplant. „Schließlich wurde ein Bildungsfilm daraus“, sagt er. Majchrzak wollte den jungen Menschen den Stoff nicht als abstrakte, weit zurückliegende Geschichte präsentieren. Stattdessen folgt ihnen die Kamera dabei, wenn sie sich mit den Biografien Ermordeter auseinandersetzen und über das Geschehene reflektieren. Statt Archivmaterial zeigt der Film Geschichten von Sinti und Roma heute, die sich weiterhin gegen Ausgrenzung und Stigmatisierung wehren. Und er lässt die Jugendlichen aus drei Nationen zu Wort kommen, von denen eine sagt, man müsse an die Vergangenheit erinnern, um die Zukunft zu ändern.