Über Sexualität reden? Das ist in den meisten Familien aus einer Internationalen Vorbereitungsklasse in Feuerbach tabu. Bei einem Workshop konnten sie nun ihre Fragen los werden – auch anonym.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Ein Dildo mit Kondom steht auf dem Boden, außerdem liegen dort jede Menge Bilder. Fast alle zeigen Männer: einen Bodybuilder, einen Vater, der mit seinem Baby schmust, einen Polizisten in Vollmontur beim Demo-Einsatz, einen Mann, der einen Büstenhalter anprobiert. Aber auch eine Zeichnung, die das männliche Geschlechtsteil in allen Größen zeigt, liegt da.

 

Den Sozialpädagogen Lukas Steiner und Fabian Rosemann vom Verein zur Förderung von Jugendlichen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten ist klar, dass so manches Bild, das sie im Klassenraum ausgebreitet haben, auf die Jugendlichen im Raum irritierend wirken muss. Aber sie wollen zum Nachdenken anregen und Diskussionen anstoßen: Wann ist ein Mann ein Mann? Was ist männlich? Auch darum soll es bei diesem Workshop des Projektes Antihelden zur sexuellen Bildung in der Internationalen Vorbereitungsklasse in der Schule für Farbe und Gestaltung in Feuerbach gehen.

Klischeebild von Männlichkeit

Ein Mann, der sich als Frau kleidet? Das kennen die meisten nicht, zumindest nicht aus ihrer Heimat. Die wenigsten sind es gewohnt, offen über Sexualität zu reden. „Ich habe noch nie über so etwas gesprochen“, sagt Pedram (alle Namen geändert), der ursprünglich aus dem Iran kommt. Ähnlich geht es Mohamad, einem 19-Jährigen aus Syrien: „Bei uns kann man nicht so offen über Sexualität sprechen“, sagt er. Mohamad zeigt auf die kurzen Hosen, die er an diesem heißen Sommertag trägt. In seiner Heimat dürfte er so freizügig nicht herumlaufen – zumindest nicht als Moslem. „Christen machen das bei uns schon“, sagt er.

Der Sozialarbeiter der Schule, Arthur Deobald-Koril, hatte den Kontakt zu Antihelden gesucht. Ihm war aufgefallen, dass viele Jugendliche aus der Vorbereitungsklasse einem Klischeebild von Männlichkeit nachhängen: dass für sie vor allem Muskeln etwas zählten und Männer „laut und dominant“ zu sein hätten. Ein Junge aus der Klasse, der so gar nicht diesem Bild entspricht, werde von den anderen aufgezogen, erzählt der Sozialarbeiter. Er erhofft sich einiges von dem Workshop – dass den Jugendlichen aufgeht, dass Männer auch „schwach sein“ dürfen, dass sie alles sein dürfen. Er selbst ist bei dem Workshop nicht dabei – auch Lehrer sind aus Prinzip ausgeschlossen. Die Schüler sollen absolut frei sprechen können. Gleiches gilt für die Mädchen, die ein ähnliches Angebot im Mädchengesundheitsladen besuchen. Auch unsere Zeitung darf nur für den Abschlussteil des Workshops hinzustoßen.

Fragen zum männlichen Geschlechtsteil

Die Soziarbeiter vom Projekt Antihelden gehen nicht nur in Internationale Vorbereitungsklassen und in Flüchtlingsunterkünfte, sondern auch in normale Schulklassen. Zumindest Lukas Steiner und Fabian Rosemann ist aufgefallen, dass die Unterschiede bei den Fragen nicht groß sind. „Auch in Gymnasien merken wir immer wieder, dass es viel Bedarf gibt“, sagt Steiner. Gerade in pietistisch geprägten Familien sei das Sprechen über Sexualität und Homosexualität oftmals ein Tabu. Was eigentlich immer in den Workshop zu Sprache komme – so auch an diesem Vormittag – seien Fragen zur Penisgröße. Ob man ein großes Geschlechtsteil haben müsse, damit eine Frau den Sex gut findet. Pornografie könne bei jungen Männern zu Verunsicherung führen. Aber auch Verhaltensfragen würden gestellt, wie man sich als Mann zu geben habe. „Es gibt da eben nicht die Antwort, was typisch männlich ist, es gibt nicht den klassischen Mann“, sagt Rosemann – das ist auch etwas, was die Jugendlichen mitnehmen sollen. Er ist zufrieden mit dem Verlauf des Workshops. Die Gruppe sei aufgeschlossen und interessiert gewesen.

Teilnehmer sind zufrieden

Und wie haben die anderthalb Stunden den jungen Männern selbst gefallen? Mohamad, der syrische Schüler, gibt dem Kurs volle Punktzahl auf einer Zehn-Punkte-Skala. Auch ein anderer Jugendlicher aus Syrien ist zufrieden. Ihn hat besonders interessiert zu erfahren, wie man sich vor Geschlechtskrankheiten schützen kann. Ayo wiederum, er ist aus Nigeria, war es wichtig, zu erfahren, ab wann man in Deutschland mit einer Frau schlafen darf. Das werde in seiner Heimat ganz unterschiedlich praktiziert – im Süden sei Sex schon ab acht Jahren üblich, im Norden ab 14 Jahren erlaubt. „Wir haben hier viel gelernt“, sagt er, „es hat aber auch Spaß gemacht.“