Egal, ob beim Junggesellenabschied oder beim Volksfestbesuch: Man trägt wieder Uniform – und rennt in bedruckten Kampftrinker-Shirts oder identischen Dirndln durch die Gegend. Ein Trend, um den unser alternder Kolumnist zum Glück herumkam.

Lokales: Tom Hörner (hör)

Stuttgart - Das Schönste am Alter ist die Erkenntnis, dass man um gewisse Dinge herumgekommen ist. Die Menschen meiner Generationen, die Um-1960-Geborenen, können sich beispielsweise glücklich schätzen, dass sie weder einen Krieg noch einen Junggesellenabschied mitmachen mussten.

 

Mir ist das erst am Wochenende wieder klar geworden, als ich in der S-Bahn auf eine Gruppe junger Damen mit bedruckten T-Shirts traf, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, an wildfremde Menschen Bier zu verkaufen. „Buy her a beer, her wedding is near“ stand auf ihren Hemdchen. Weder vermag ich zu sagen, ob der Satz korrektem Schulenglisch entspricht, noch verstehe ich, warum ich jemandem ein Bier kaufen soll, der in Kürze gedenkt, in den Bund der Ehe einzutreten. Dass man bei solcherlei Aktionen hin und wieder selbst ein Schlückchen aus einer Pulle nehmen muss, liegt auf der Hand. Anders wäre die Angelegenheit kaum zu ertragen.

Sitzt der Kiez bald auf dem Trockenen?

Auf der Reeperbahn, habe ich unlängst bei einem Kurzurlaub in Hamburg gelernt, treiben sich an Wochenenden inzwischen so viele Junggesellenabschiedsgesellschaften herum, dass man um den Umsatz der Wirte fürchten muss. Angenommen, das Jungvolk käme auf den Trichter, sich gegenseitig Alkoholisches zu verkaufen, dann säße der Kiez auf dem Trockenen.

Schlumpfi, Mumpfi und Arztsohn

Dann, beim Besuch einer Stuttgarter Brauereigaststätte, die bittere Erkenntnis, dass auch ältere Semester neuerdings gern im Rudel einen heben gehen und dies mit einheitlich bedruckten Polohemden signalisieren. Auf der Brust steht neben „Volksfest 2016“ der Name des Trägers, also Schlumpfi, Mumpfi oder Arztsohn. Ich vermute, dass es sich um Spitznamen handelt, mir jedenfalls ist noch kein Mensch begegnet, der mit bürgerlichem Vornamen Schlumpfi, Mumpfi oder Arztsohn geheißen hätte. Auffallend war, dass die Herrschaften ernst dreinschauten, was vermutlich daran lag, dass sie besorgt waren, ob sie in dem Lokal noch einen Platz finden.

Als immer mehr Gruppen mit bedruckten Kampftrinker-Hemden die Gaststätte bevölkerten, habe ich mich geschlichen, in der vagen Hoffnung, dass auch dieser Krieg an mir vorübergeht.