Strikte Vertraulichkeit hatte sich ein Professor erbeten, als er den Rechnungshof kontaktierte. Doch der Chefprüfer nannte seinen Namen gegenüber der Universität. Nun missbilligte der Petitionsausschuss den Wortbruch.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Petitionsausschuss des Landtags kritisiert den Umgang des Landesrechnungshofs mit einem Informanten. In seiner jüngsten Sitzung missbilligte es das Gremium, dass ein Chefprüfer den Hinweisgeber gegen dessen ausdrücklichen Willen an seiner Dienststelle offenbart hat. Dies bestätigte die Ausschussvorsitzende Beate Böhlen (Grüne) gegenüber unserer Zeitung. Man nehme den Vorgang zum Anlass, den Vertrauensschutz für „Whistleblower“ vertieft zu erörtern. Damit reagierte der Ausschuss auf eine Eingabe des Betroffenen. Der Präsident des Rechnungshofs, Max Munding (CDU), sieht hingegen kein Fehlverhalten seiner Behörde; er stellt sich vor den zuständigen Direktor Andreas Knapp (FDP).

 

Hintergrund der seit mehr als zwei Jahren anhängigen Petition ist ein Vorgang an der Universität Stuttgart. Laut der Eingabe hatte ein Professor „irreguläre private Geschäftstätigkeiten“ mehrerer Mitglieder seines Instituts moniert. Dadurch werde das Land um Millionen geschädigt und seine eigene wissenschaftliche Tätigkeit stark beeinträchtigt. Nachdem eine Klärung innerhalb der Universität nicht gelungen sei, habe er sich an den Rechnungshof gewandt.

Professor: reine Schutzbehauptung

Zu seinem Schutz habe er um „strengste Vertraulichkeit“ gebeten, die ihm der Chefprüfer auch zugesichert habe. Daraufhin kam eine Prüfung in Gang, deren Ergebnis er bis heute nicht näher kenne. Im Abschlussgespräch mit der Kanzlerin habe Knapp ihn schließlich in seiner Abwesenheit als Hinweisgeber namentlich benannt; davon habe er erst Monate später erfahren. Seine ohnehin schwierige Situation an der Uni habe sich dadurch weiter erschwert.

Ein Sprecher des Rechnungshofes bestätigte, dass der Professor „um vertraulichen Umgang mit seinem Namen gebeten“ habe. Während der Prüfung habe er durch sein eigenes Verhalten offenbart, dass er die Kontrollbehörde informiert habe. Aus Sicht des Direktors Knapp sei die Bitte um Vertraulichkeit damit „obsolet“ gewesen. Im Schlussgespräch habe er den Hinweisgeber daher benannt, „was sämtlichen Gesprächspartnern zu diesem Zeitpunkt aber bereits bekannt war“. Dies wertet der Professor, der sich auf StZ-Anfrage zunächst nicht äußern wollte, in der Petition als unwahr und „reine Schutzbehauptung“.

Grüner nennt Vorgehen „inakzeptabel“

Auch wenn es so zuträfe, wäre es aus Sicht des Petitionsausschusses keine Entschuldigung. Der Grünen-Abgeordnete Alexander Salomon, der den Fall zeitweise als Berichterstatter betreut hat, zeigte sich befremdet über das Verhalten des Rechnungshofs. „Die Preisgabe des Hinweisgebers an die Hochschule ist inakzeptabel“, sagte Salomon unserer Zeitung. „Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Hochschule geahnt oder gewusst haben könnte, um wen es sich handeln könnte.“ Ein solches Verhalten lasse künftige Hinweisgeber zweifeln und „eher Abstand von ihrem Schritt nehmen“.

Ähnlich äußerte sich die frühere SPD-Landtagsabgeordnete Rita Haller-Haid, die den Vorgang in der vorigen Legislaturperiode aufgegriffen hatte. Das Verhalten Knapps sei „in keiner Weise in Ordnung“, sagte sie. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, dass er trotz der Bitte um Vertraulichkeit den Namen offenbart habe. Haller-Haid hatte bereits im Jahr 2014 ein Gespräch des Professors mit dem Behördenchef Munding vermittelt, das ohne Ergebnis blieb.

Präsident lehnt eine Entschuldigung ab

Auch heute sieht Munding keinen Anlass für eine Entschuldigung oder für dienstrechtliche Maßnahmen. Da es keine gesetzlichen Regelungen für den Umgang mit Hinweisen gebe, entschieden die Chefprüfer im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit „nach pflichtgemäßen Ermessen“, ließ er mitteilen. Die Entscheidung Knapps, den Namen zu nennen, bewege sich im Rahmen dieses Ermessens und sei „unter den gegebenen Umständen sachgerecht“. Insgesamt bäten nur in „ganz wenigen Fällen“ Hinweisgeber um Vertraulichkeit. Man könne diese nur eingeschränkt zusichern, weil bei strafrechtlichen Ermittlungen die Quellen offengelegt werden müssten. Bereits 2015 hat Munding eine Verfügung erlassen, nach der Vertraulichkeit „nur mit Zustimmung des Präsidenten“ zugesagt werden dürfe.

Auch der Chefprüfer Knapp zeigte sich bei seiner Anhörung vor dem Ausschuss wenig problembewusst. Angesichts seines Auftretens sei eine Missbilligung unvermeidlich gewesen, verlautete aus dem Gremium. Die Petition ist damit aber noch nicht erledigt. Den Umgang mit Whistleblowern will der Ausschuss laut der Vorsitzenden Böhlen mit dem neuen Präsidenten des Rechnungshofs erörtern, der diese Woche gewählt wird. Zu der Problematik an der Universität Stuttgart soll zunächst ein runder Tisch mit dem Wissenschaftsministerium gebildet werden. Dessen Ergebnisse würden dann erneut im Ausschuss beraten.

Schon früher Beschwerden über Prüfer

Gegen den Juristen Knapp, der als fachlich gut, aber im Umgang schwierig gilt, hatte es schon mehrfach Beschwerden gegeben. Einmal bescheinigte er Mitarbeitern öffentlich, sie hätten „miserabel“ gearbeitet. Dafür wurde er vom früheren Präsidenten Martin Frank gerüffelt und musste sich entschuldigen. Später wurden in einer Petition sein Arbeits- und Führungsstil kritisiert. Knapp räumte „überlange Liegezeiten und Verzögerungen“ ein. Frank ermahnte ihn, ein „konstruktives und vertrauensbildendes Führungsverhalten“ an den Tag zu legen. Knapp selbst äußerte sich gegenüber der StZ nicht.